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190 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2010<br />

Busse, Einige Bemerkungen zur Nachkriegsgeschichte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwaltschaft<br />

Einige Bemerkungen zur Nachkriegsgeschichte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwaltschaft 1<br />

Rechtsanwalt Felix Busse, Troisdorf<br />

Felix Busse, früherer DAV-Präsi<strong>de</strong>nt (1994–1998), hat die<br />

Nachkriegsgeschichte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwaltschaft in einem<br />

umfassen<strong>de</strong>n, 2010 erschienenen Buch aufgearbeitet. Auf <strong>de</strong>r<br />

diesjährigen BRAK-Hauptversammlung hat ereinige Entwicklungen<br />

aus West und Ost dieser an Verän<strong>de</strong>rungen reichen Zeit<br />

nachgezeichnet.<br />

Was ist das für eine dumme Geschichte, dass ich mit Geschichte<br />

<strong>de</strong>n Fortgang dieser schönen Festveranstaltung aufhalte?<br />

Aber es ist die Geschichte unseres Berufsstan<strong>de</strong>s, die <strong>de</strong>ssen<br />

Repräsentanten geläufig sein sollte, wenn sie die Vergangenheit<br />

verstehen und die Zukunft mitgestalten wollen. Geben Sie<br />

mir bitte eine halbe Stun<strong>de</strong>, um einige wenige Schlaglichter<br />

aus <strong>de</strong>r Zeit seit 1945 kurz aufleuchten zu lassen.<br />

Der Zeitpunkt könnte dafür nicht besser gewählt sein. Wir feiern<br />

in diesen Tagen dank <strong>de</strong>r friedlichen Revolution <strong>de</strong>r Bürger<br />

<strong>de</strong>r DDR gegen das SED-Unrechtsregime20Jahre Wie<strong>de</strong>rvereinigung<br />

Deutschlands. Und wir feiern, dass auch die <strong>de</strong>utsche<br />

Anwaltschaft die Wie<strong>de</strong>rvereinigung ihres Berufsstan<strong>de</strong>s erreicht<br />

hat. Das war keine Selbstverständlichkeit. Es gab namhafte<br />

Vertreter <strong>de</strong>r west<strong>de</strong>utschen Anwaltschaft, ich will hier<br />

keine Namen nennen, die <strong>de</strong>n Fortbestand <strong>de</strong>r in DDR-Zeit erteilten<br />

Anwaltszulassungen in Frage stellen o<strong>de</strong>r von zusätzlichen<br />

Qualifikationen abhängig machen wollten. DAV und<br />

BRAK haben jedoch ihre For<strong>de</strong>rung durchgesetzt, die bestehen<strong>de</strong>n<br />

Zulassungen unangetastet zulassen. Und die temporäre<br />

Fortgeltung <strong>de</strong>s RAG <strong>de</strong>r DDR öffnete auch <strong>de</strong>n noch nicht zur<br />

Anwaltschaft zugelassenen Diplomjuristen weiterhin <strong>de</strong>n Zugang<br />

zum Anwaltsberuf.<br />

Die Wie<strong>de</strong>rvereinigung war auch <strong>de</strong>r erste Schritt zur Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

<strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s anwaltlichen Berufsrechts. Diese,<br />

1878 mühsamerrungen, war1945verlorengegangen. DieAmerikaner<br />

unternahmen zwar <strong>de</strong>n Versuch, ein Mo<strong>de</strong>llgesetz zu<br />

schaffen, das über eine Kontrollratsgesetzgebung hätte in allen<br />

Zonen eingeführt wer<strong>de</strong>n können. 2 Der Versuch scheiterte, weil<br />

schon die britische Zone nicht mitmachen wollte. Dies lag an<br />

<strong>de</strong>r heftigen Gegenwehr <strong>de</strong>r dortigen Rechtsanwaltskammern. 3<br />

Diese kämpften umdie Beibehaltung <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>n Nazis eingeführten<br />

Numerus clausus und die Übertragung <strong>de</strong>s Zulassungsrechts<br />

auf sie, wie dies schon in<strong>de</strong>r französischen Zone galt.<br />

Zur Verfolgung ihrer regionalen Interessen nahmen sie eine <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Anwaltschaft schädliche RechtszersplitterunginKauf.<br />

Bei Gründung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik galten in<strong>de</strong>n Westzonen 10<br />

verschie<strong>de</strong>ne Anwaltsordnungen. 4 Diese Rechtszersplitterung<br />

wur<strong>de</strong> erst am 1.10.1959 mit <strong>de</strong>m Inkrafttreten <strong>de</strong>r BRAO been<strong>de</strong>t.<br />

In<strong>de</strong>r SBZ galt erst die RAO 1878 mit <strong>de</strong>n Modifikationen<br />

<strong>de</strong>r Vorläufigen Zulassungsordnung von 1946 5 weiter, seit 1953<br />

die VOüber die Bildung <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskollegien 6 ,ab1981<br />

1Vortrag anlässlich <strong>de</strong>r 125. BRAK-HV am 1.10.2010 inDres<strong>de</strong>n. Der<br />

Vortrag geht zurück auf das Buch Felix Busse, Deutsche Anwälte,<br />

Geschichte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwaltschaft 1945–2009, Bonn 2010<br />

(siehe dazu auch Haas, BRAK-Mitt. 2010, 19).<br />

2Entwurf eines „Gesetzes betreffend <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>raufbau <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Rechtsanwaltschaft“ vom Juli 1946, JM Hessen 1031/19 Bd. 1,<br />

Bl. 52a ff.<br />

3 Busse (Fn 1) S. 119 m.w. Nachw.<br />

4Nachweise bei Busse (Fn. 1) S. 202.<br />

5Bun<strong>de</strong>sarchiv DP1-VA 879.<br />

das Gesetz über die Kollegien <strong>de</strong>r Rechtsanwälte 7 und die Anordnung<br />

über die Aufgaben <strong>de</strong>r Einzelanwälte. 8 1990 trat das<br />

unter <strong>de</strong>r Regierung <strong>de</strong> Maizière erlassene,gemäß Einigungsvertrag<br />

zunächst fortgelten<strong>de</strong> RAG <strong>de</strong>r DDR inKraft. 9 Die Einheit<br />

<strong>de</strong>s Berufsrechts inWest und Ost wur<strong>de</strong> erst mit <strong>de</strong>r Neuordnung<br />

von 1994 10 im Wesentlichen erreicht. Schatten warf zunächst<br />

das Gebührenrecht. Unsere ost<strong>de</strong>utschen Kollegen wur<strong>de</strong>n<br />

durch Abschläge von zunächst 20%,später 10%benachteiligt.<br />

11 Erst ein Machtwort <strong>de</strong>s BVerfG 12 been<strong>de</strong>te 2004 die<br />

diskreditieren<strong>de</strong> Ungleichbehandlung. Die Politik auch <strong>de</strong>r Regierungen<br />

<strong>de</strong>r neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r hatte die Kraft dazu nicht.<br />

Einen an<strong>de</strong>ren Schatten warf die verlorene Schlacht um <strong>de</strong>n<br />

Fortbestand <strong>de</strong>s Anwaltsnotariats im Beitrittsgebiet. Dies war bis<br />

1945 die Notariatsverfassung <strong>de</strong>r östlichen Län<strong>de</strong>r und wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong> lege selbst von <strong>de</strong>r DDR nicht abgeschafft, son<strong>de</strong>rn durch<br />

EinführungstaatlicherNotariate lediglichan<strong>de</strong>n Randgedrängt.<br />

Ministerpräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong> Maizière wollte daran festhalten. Der DAV<br />

und die Anwaltskollegien kämpften darum. Die Chance wur<strong>de</strong><br />

verspielt. Entschei<strong>de</strong>nd durch die Kollegien, weil sie versäumt<br />

haben, gleich nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> <strong>de</strong>n staatlichen Notaren <strong>de</strong>n<br />

Weg indie Anwaltschaft zuebnen. Aber auch durch die Kammern.<br />

Sie sahen tatenlos zu, wie die Notarkammern <strong>de</strong>s Nurnotariats<br />

die staatlichen Notare inihr Boot holten und politischen<br />

Druck ausübten. 13 Heute ist die Entwicklung unumkehrbar.<br />

Sie hat <strong>de</strong>n ost<strong>de</strong>utschen Anwälten gescha<strong>de</strong>t.<br />

Eine Wen<strong>de</strong> brachte imOsten mit <strong>de</strong>m RAG auch die Wie<strong>de</strong>rerrichtung<br />

einer unabhängigen berufsständischen Selbstverwaltung.<br />

In wenigen Wochen kann <strong>de</strong>swegen die Rechtsanwaltskammer<br />

Sachsen ihr 20-jähriges Bestehen feiern. Damit<br />

fand auch imGebiet <strong>de</strong>r neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r eine lange Perio<strong>de</strong><br />

staatlicher Abhängigkeit ihr En<strong>de</strong>. Sie begann 1936 mit <strong>de</strong>r<br />

Abschaffung selbständiger regionaler Kammern durch die Nazis.<br />

14 In <strong>de</strong>r britischen und französischen Zone und in Berlin<br />

gelang zwar die Wie<strong>de</strong>rrichtung von Kammern noch 1945, in<br />

Köln sogar schon zwei Wochen vor Kriegsen<strong>de</strong>. 15 Die Amerikaner<br />

hingegen stemmten sich zunächst gegen die Errichtung<br />

von Kammern inihrer Zone. Sie sahen in<strong>de</strong>r Zwangsmitgliedschaft<br />

<strong>de</strong>r Anwälte einen Verstoß gegen die Gewerbefreiheit. 16<br />

Gleichwohl intervenierten sie gegen die 1946 in Bayern errichteten<br />

Kammern nicht. Dagegen konnten in Württemberg-Ba<strong>de</strong>n<br />

und Hessen erst En<strong>de</strong> 1948 die Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> überwun<strong>de</strong>n<br />

und konnte inBremen erst 1950 eine Kammer errichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

17 Weniger bekannt ist, dass Kammern auch in<strong>de</strong>r sowjeti-<br />

6KollVO, GBl. DDR S.725, 726.<br />

7KollG, GBl. DDR 1981 IS.1.<br />

8GBl. DDR 1981, S.10.<br />

9RAG, GBl. DDR IS.1504. Damit wur<strong>de</strong> die 1989/90 eingetretene<br />

Rechtszersplitterung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r DDR überwun<strong>de</strong>n.<br />

10 NeuOG vom 2.9.1994, BGBl. IS.2278.<br />

11 Hierzu Busse (Fn. 1) S. 524 m.w. Nachw.<br />

12 BVerfG NJW 2003, 737 ff.<br />

13 Hierzu Busse (Fn. 1) S. 514; ähnlich BRAK-Vizepräsi<strong>de</strong>nt Schümann<br />

BRAK-Mitt. 2000, 171.<br />

14 §54 <strong>de</strong>r Reichsrechtsanwaltsordnung (RRAO) vom 21.2.1936,<br />

RGBl. IS.107.<br />

15 Hierzu Busse (Fn. 1) S. 136 ff., 166 ff.<br />

16 Hierzu Busse (Fn. 1) S. 84 ff.<br />

17 Hierzu Busse (Fn. 1) S. 87 ff.

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