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204 Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK BRAK-Mitt. 5/2010<br />
einen an<strong>de</strong>ren Verteidiger wünscht o<strong>de</strong>r weiterhin von <strong>de</strong>m<br />
beigeordneten Verteidiger vertreten wer<strong>de</strong>n will. 9<br />
Beson<strong>de</strong>re Probleme bereiten die Fälle, in<strong>de</strong>nen eine Kommunikation<br />
zwischen <strong>de</strong>m nächsten und zuständigen Gericht aus<br />
welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer scheitert.<br />
Das „nächste Gericht“ kann in diesen Fällen ineine Pflichtenkollision<br />
geraten. Es liegt zwar ein Fall notwendiger Verteidigung<br />
vor (§140 Abs. 1Nr. 4StPO), das Gericht ist aber nicht<br />
befugt, einen Verteidiger zu bestellen, da darüber das nach<br />
§§ 126 o<strong>de</strong>r 275a Abs. 5StPO zuständige Gericht zuentschei<strong>de</strong>n<br />
hat (§ 141 Abs. 4, 2. Hlbs. StPO). Im Hinblick auf das<br />
Anwesenheitsrecht eines Verteidigers anlässlich einer gerichtlichen<br />
Beschuldigtenvernehmung (§ 168c Abs. 1 StPO) wäre<br />
eine Vernehmung unzulässig, an<strong>de</strong>r <strong>de</strong>shalb kein Verteidiger<br />
teilnehmen kann, weil ein solcher noch nicht bestellt wer<strong>de</strong>n<br />
konnte (s. auch §162 Abs. 2StPO). Unterbleibt eine Beiordnung,<br />
die es<strong>de</strong>m Verteidiger ermöglichen wür<strong>de</strong>, sein Anwesenheitsrecht<br />
fristgerecht wahrzunehmen, wür<strong>de</strong> in Fällen dieser<br />
Art <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>r Vernehmung einem Beweisverwertungsverbot<br />
unterliegen. Diese Situation ist im Gesetzgebungsverfahren<br />
nicht bedacht wor<strong>de</strong>n, weshalb hier Abhilfe geschaffen<br />
wer<strong>de</strong>n muss.<br />
These IV<br />
Vor Bestellung eines Verteidigers gem. §141 Abs. 3S.4StPO<br />
sollte sich das zuständige Gericht durch Kontaktaufnahme zu<br />
<strong>de</strong>m Rechtsanwalt, <strong>de</strong>ssen Beiordnung auf Wunsch <strong>de</strong>s<br />
Beschuldigten o<strong>de</strong>r aufgrund <strong>de</strong>r Auswahl durch das Gericht<br />
ins Auge gefasst wor<strong>de</strong>n ist, vergewissern, dass dieser zur<br />
Übernahme <strong>de</strong>r Verteidigung tatsächlich und rechtlich in<strong>de</strong>r<br />
Lage ist. Ist das Gericht danach <strong>de</strong>r Auffassung, dass <strong>de</strong>r<br />
Rechtsanwalt ungeeignet ist o<strong>de</strong>r seiner Bestellung Hin<strong>de</strong>rungsgrün<strong>de</strong><br />
rechtlicher Art entgegenstehen, ist <strong>de</strong>r Beschuldigte<br />
darauf hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben,<br />
einen neuen Anwalt seines Vertrauens zu benennen.<br />
Begründung:<br />
Die Beiordnung eines Verteidigers erfüllt nur dann ihren<br />
gesetzgeberischen Zweck, wenn dieser in <strong>de</strong>r Lage ist, eine<br />
„konkrete und wirkliche Verteidigung“ <strong>de</strong>s inhaftierten bzw.<br />
einstweilig untergebrachten Beschuldigten zu gewährleisten.<br />
Das ist insbeson<strong>de</strong>re dann nicht <strong>de</strong>r Fall, wenn <strong>de</strong>r Verteidiger<br />
schon nicht persönlich (z.B. telefonisch) erreicht wer<strong>de</strong>n kann<br />
o<strong>de</strong>r sich herausstellt, dass ihm eine sachgerechte Führung <strong>de</strong>r<br />
Verteidigung infolge Urlaubs, Krankheit o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitiger terminlicher<br />
Belastung nicht möglich wäre. Ebenso wenig dürfen<br />
<strong>de</strong>r Beiordnung Hin<strong>de</strong>rungsgrün<strong>de</strong> rechtlicher Art entgegenstehen,<br />
wie das Verbot <strong>de</strong>r Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO),<br />
die konkrete Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall sukzessiver<br />
Mehrfachverteidigung 10 o<strong>de</strong>r die Verwirklichung <strong>de</strong>s<br />
Tatbestands <strong>de</strong>s Parteiverrats bei Übernahme <strong>de</strong>r Verteidigung<br />
(§ 356 StGB). Das zuständige Gericht muss <strong>de</strong>n Rechtsanwalt,<br />
<strong>de</strong>ssen Beiordnung beabsichtigt ist, aus diesen Grün<strong>de</strong>n vor<br />
seiner Entscheidung anhören und darf <strong>de</strong>n ins Auge gefassten<br />
Verteidiger nicht ohne weiteres sofort bestellen. 11 Ist das<br />
9 Für dieBeiordnung eines „Notverteidigers“ Wohlers, StV2010, 151,<br />
156; Schlothauer/Wei<strong>de</strong>r, Untersuchungshaft, 4. Aufl., Rn. 343,<br />
359.<br />
10 BGHSt 48, 170 =StV 2003, 210.<br />
11 Siehe hierzu auch BGHSt 48, 170 =StV 2003, 210; zur Anhörung<br />
<strong>de</strong>s Verteidigers vor <strong>de</strong>r Beiordnung vgl. auch Gemeinsame Empfehlungen<br />
<strong>de</strong>r Strafverteidigervereinigungen zur Praxis <strong>de</strong>r Beiordnung<br />
StV 2010, 109 unter Ziff. 2.c.; Schlothauer/Wei<strong>de</strong>r, Untersuchungshaft,<br />
4.Aufl., Rn. 290.<br />
Gericht <strong>de</strong>r Auffassung, dass <strong>de</strong>r Rechtsanwalt ungeeignet ist<br />
o<strong>de</strong>r seiner Bestellung Hin<strong>de</strong>rungsgrün<strong>de</strong> rechtlicher Art entgegenstehen,<br />
ist <strong>de</strong>r Beschuldigte darauf hinzuweisen und ihm<br />
Gelegenheit zugeben, einen neuen Anwalt seines Vertrauens<br />
zu benennen. Eine ablehnen<strong>de</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts<br />
bedarf nach §34 StPO, dasie eine durch Rechtsmittel anfechtbare<br />
Entscheidung darstellt, einer Begründung.<br />
These V<br />
Erfolgt die Auswahl <strong>de</strong>s zu bestellen<strong>de</strong>n Verteidigers nicht<br />
durch <strong>de</strong>n Beschuldigten, son<strong>de</strong>rn durch das zuständige<br />
Gericht, han<strong>de</strong>lt es sich um eine Entscheidung, die nach<br />
pflichtgemäßem Ermessen zutreffen ist.<br />
Begründung:<br />
Eine pflichtgemäße Ermessensausübung bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>s<br />
beizuordnen<strong>de</strong>n Verteidigers hat sich an<strong>de</strong>n konkreten Verteidigungsbedürfnissen<br />
<strong>de</strong>s inhaftierten Beschuldigtenzuorientieren.<br />
12 Diese erfor<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Beistand durch einen Verteidiger,<br />
<strong>de</strong>r im Hinblick auf <strong>de</strong>n speziellen Tatvorwurf und auf die<br />
beson<strong>de</strong>re Situation <strong>de</strong>r Inhaftierung intatsächlicher und rechtlicher<br />
Hinsicht als geeignet erscheint. Zu<strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Qualifikation gehören sowohl die erfor<strong>de</strong>rlichen Rechtskenntnisse<br />
auf prozessualem (insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r Untersuchungshaft)<br />
und <strong>de</strong>m einschlägigen strafrechtlichen Gebiet, als<br />
auch praktische Erfahrung (insbeson<strong>de</strong>re im Umgang mit<br />
Untersuchungshaftfällen). Eine örtliche Nähe <strong>de</strong>r Kanzlei <strong>de</strong>s<br />
beizuordnen<strong>de</strong>n Rechtsanwalts zu <strong>de</strong>m Ort <strong>de</strong>r Untersuchungshaftanstalt<br />
ist trotz Streichung <strong>de</strong>s §142 Abs. 1 S. 1<br />
StPO a.F. im Hinblick darauf ein geeignetes Auswahlkriterium,<br />
dass beson<strong>de</strong>rs zu Beginn <strong>de</strong>r Inhaftierung bzw. einstweiligen<br />
Unterbringung ein regelmäßiger Kontakt mit <strong>de</strong>m und die<br />
Betreuung <strong>de</strong>s Mandanten in rechtlicher und sozialer Hinsicht<br />
sowie die zügige Vorbereitung und Wahrnehmung mündlicher<br />
Haftprüfungstermine gewährleistet sein müssen. Bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Sprache nicht mächtigen Beschuldigten kommt <strong>de</strong>m<br />
Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Sprachkompetenz <strong>de</strong>s beizuordnen<strong>de</strong>n Verteidigers<br />
erhebliche Be<strong>de</strong>utung zu. Auch wenn für die Verständigung<br />
ein Dolmetscher in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n kann,<br />
lässt eine unmittelbare Kommunikation zwischen Verteidiger<br />
und Mandant eine bessere Interessenwahrnehmung erwarten.<br />
Beson<strong>de</strong>rs vorteilhaft kann die Beiordnung eines Verteidigers<br />
<strong>de</strong>rselben Herkunft wie die <strong>de</strong>s Mandanten sein.<br />
Soweit von örtlichen Anwaltskammern o<strong>de</strong>r Anwaltsorganisationen<br />
wie Anwaltsverein, Strafverteidigervereinigungen etc.<br />
regional o<strong>de</strong>r national Listen mit <strong>de</strong>n Namen und Kontaktdaten<br />
solcher Rechtsanwälte erstellt wor<strong>de</strong>n sind, die sich für die<br />
Übernahme einer Pflichtverteidigung nach Inhaftierung bereiterklärt<br />
haben, und die insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Ermittlungsrichtern<br />
bei <strong>de</strong>n Amtsgerichten zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n, gibt es<br />
für das zuständige Gericht keine rechtliche Verpflichtung, bei<br />
<strong>de</strong>r von ihm vorzunehmen<strong>de</strong>n Verteidigerauswahl darauf zuzugreifen.<br />
Unzulässig wäre es je<strong>de</strong>nfalls, wenn die zuständigen<br />
Gerichte von solchen Listen in<strong>de</strong>r Weise Gebrauch machen<br />
wür<strong>de</strong>n, dass die darauf angeführten Rechtsanwälte entsprechend<br />
<strong>de</strong>r Reihenfolge ihrer Aufnahme auf die Liste o<strong>de</strong>r<br />
alphabetisch bei <strong>de</strong>r Verteidigerbeiordnung herangezogenwür<strong>de</strong>n.<br />
Dies kann einen Ermessensnichtgebrauch darstellen, <strong>de</strong>r<br />
die spezifischen Verteidigungsbedürfnisse <strong>de</strong>s konkreten<br />
Beschuldigten unberücksichtigt ließe.<br />
12 Wohlers, StV 2010, 151, 155; Schlothauer/Wei<strong>de</strong>r, Untersuchungshaft,<br />
4. Aufl., Rn. 311 ff.; Deutscher Anwaltverein, Empfehlungen<br />
(Fn. 3) Ziff. 3. Gemeinsame Empfehlungen <strong>de</strong>r Strafverteidigervereinigungen<br />
zur Praxis <strong>de</strong>r Beiordnung, StV 2010, 109.