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202 Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK BRAK-Mitt. 5/2010<br />
Ist absehbar, dass auch im Falle <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Haft- o<strong>de</strong>r<br />
Unterbringungsbefehls o<strong>de</strong>r bei Beendigung seines Vollzuges<br />
im weiteren Verfahren die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig<br />
ist (§ 140 Abs. 1 u. Abs. 2 StPO), kommt <strong>de</strong>r Auswahl<br />
<strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s zu bestellen<strong>de</strong>n Verteidigers beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />
zu. Denn dieser muss dann nicht nur die Rechte und Interessen<br />
<strong>de</strong>s Beschuldigten für die Zeit <strong>de</strong>r Inhaftierung/Unterbringung,<br />
son<strong>de</strong>rn auch während <strong>de</strong>s gesamten Strafverfahrens<br />
wahrnehmen. Der Situation <strong>de</strong>r Wahlverteidigung entsprechend<br />
muss <strong>de</strong>m Beschuldigten in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s beizuordnen<strong>de</strong>n<br />
Verteidigers ein Rechtsanwalt seines Vertrauens zur Seite<br />
stehen. Aus diesem Grund bestimmt § 142 Abs. 1 S. 2 StPO,<br />
dass <strong>de</strong>m Beschuldigten Gelegenheit gegeben wer<strong>de</strong>n soll,<br />
innerhalb einer zu bestimmen<strong>de</strong>n Frist einen Verteidiger seiner<br />
Wahl zu bezeichnen. Möchte ein Beschuldigter von dieser<br />
Möglichkeit Gebrauch machen, kollidiert dieses Recht mit <strong>de</strong>m<br />
Gebot <strong>de</strong>s § 141 Abs. 3 S. 4 StPO, wonach unverzüglich nach<br />
Beginn <strong>de</strong>r Vollstreckung ein Verteidiger beizuordnen ist. Denn<br />
ab Beginn <strong>de</strong>r Vollstreckung ist die Mitwirkung eines Verteidigers<br />
i.S.d. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO notwendig. Vor diesem Hintergrund<br />
ist die nach § 142 Abs. 1 S. 2 StPO zu bestimmen<strong>de</strong><br />
Frist <strong>de</strong>rart zu begrenzen, dass <strong>de</strong>r Beschuldigte Gelegenheit<br />
hat, Erkundigungen über die Person eines Verteidigers seiner<br />
Wahl einzuholen und zu diesem Kontakt aufzunehmen. Eine<br />
Frist von einer Woche trägt diesem Interesse, aber auch <strong>de</strong>m<br />
Gebot <strong>de</strong>r Unverzüglichkeit <strong>de</strong>r Beiordnung Rechnung. 4 Der<br />
Beschuldigte ist bei seiner Entscheidungsfindung dadurch zu<br />
unterstützen, dass ihm – soweit vorhan<strong>de</strong>n – eine Liste <strong>de</strong>rjenigen<br />
Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte, die sich ausdrücklich<br />
dazu bereiterklärt haben, als Verteidiger in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s<br />
§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beigeordnet zu wer<strong>de</strong>n, ausgehändigt<br />
o<strong>de</strong>r ihm in gleich geeigneter Weise die Möglichkeit gegeben<br />
wird, sich über Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte, die zur<br />
Übernahme von Pflichtverteidigungen bereit sind, zu informieren.<br />
Will <strong>de</strong>r Beschuldigte die Gelegenheit zur Bezeichnung<br />
eines Verteidigers seiner Wahl nutzen, ist er darauf hinzuweisen,<br />
dass ihm nach fruchtlosem Ablauf <strong>de</strong>r Frist ein vom<br />
Gericht auszuwählen<strong>de</strong>r Verteidiger beigeordnet wird. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />
gilt, wenn innerhalb <strong>de</strong>r Frist kein Verteidiger <strong>de</strong>m<br />
Gericht seine Wahl anzeigt.<br />
Verzichtet <strong>de</strong>r Beschuldigte auf die Gelegenheit, einen Verteidiger<br />
seiner Wahl zu bezeichnen, ist ihm unverzüglich ein<br />
nach Maßgabe von Thesen IV und V vom Gericht auszuwählen<strong>de</strong>r<br />
Verteidiger zu bestellen.<br />
Vor <strong>de</strong>r Bestellung <strong>de</strong>s Verteidigers ist <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />
rechtliches Gehör zu gewähren. Ist diese zu diesem Zeitpunkt<br />
nicht erreichbar, verbietet es die Verpflichtung, <strong>de</strong>m inhaftierten<br />
bzw. einstweilig untergebrachten Beschuldigten schnellstmöglich<br />
<strong>de</strong>n Beistand eines Verteidigers zu verschaffen, mit <strong>de</strong>r<br />
Bestellung zuzuwarten, bis die vorübergehend nicht erreichbare<br />
Staatsanwaltschaft angehört wer<strong>de</strong>n kann (zu einer vergleichbaren<br />
Konstellation s. die Regelung in § 165 StPO:<br />
Gerichtliche „Nothandlungen“ ohne Beteiligung <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft).<br />
Begrün<strong>de</strong>ten Einwendungen <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />
gegen die Person <strong>de</strong>s bestellten Verteidigers kann durch<br />
Zurücknahme <strong>de</strong>r Bestellung Rechnung getragen wer<strong>de</strong>n. Hat<br />
die Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren zu erfolgen,<br />
bedarf es keiner Anhörung <strong>de</strong>s im Falle einer Anklageerhebung<br />
zuständigen Gerichts (so aber Staatsanwaltschaft München I in<br />
einem „Praktischen Leitfa<strong>de</strong>n zur Umsetzung <strong>de</strong>s Untersuchungshaftrechts<br />
ab 1.1.2010“ – Stand: 1.3.2010).<br />
4 Für eine Vorschlagsfrist von einer Woche auch Deutscher Anwaltverein,<br />
Empfehlungen zur Praxis <strong>de</strong>r Beiordnung von Pflichtverteidigerinnen<br />
und Pflichtverteidigern, Stellungnahme Nr. 55/2009 von<br />
Dezember 2009, Ziff. 2; Wohlers, StV 2010, 151, 153; Schlothauer/<br />
Wei<strong>de</strong>r, Untersuchungshaft, 4. Aufl., Rn. 300 ff.<br />
Kommt es vor Ablauf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Beschuldigten eingeräumten<br />
Wochenfrist zu Verfahrenshandlungen, bezüglich <strong>de</strong>rer ein<br />
Anwesenheitsrecht eines Verteidigers besteht (insbeson<strong>de</strong>re<br />
§§ 168c Abs. 2, 168d, 223, 225 StPO), hat die Bestellung eines<br />
Verteidigers auch dann zu erfolgen, wenn keine Möglichkeit<br />
besteht, <strong>de</strong>m Beschuldigten hierzu erneut rechtliches Gehör zu<br />
gewähren. Im Falle unaufschiebbarer Beweiserhebungen<br />
bedarf es <strong>de</strong>r Sicherstellung, dass <strong>de</strong>ren Ergebnisse nicht einem<br />
möglichen Beweisverwertungsverbot unterliegen.<br />
These II<br />
Einem bislang unverteidigten Beschuldigten, <strong>de</strong>r auf Grund<br />
eines Haft- o<strong>de</strong>r einstweiligen Unterbringungsbefehls ergriffen<br />
wird (§ 115 Abs. 1 StPO), ist spätestens vor <strong>de</strong>r Vernehmung<br />
durch das zuständige Gericht (§ 115 Abs. 2 StPO) ein Verteidiger<br />
zu bestellen (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO). Ihm ist zuvor Gelegenheit<br />
zu geben, sich <strong>de</strong>s Beistands eines von ihm zu wählen<strong>de</strong>n<br />
Verteidigers zu bedienen o<strong>de</strong>r einen Verteidiger seiner<br />
Wahl zu bezeichnen, <strong>de</strong>r ihm beizuordnen ist, wenn <strong>de</strong>m kein<br />
wichtiger Grund entgegensteht. Zum Zwecke seiner Entscheidungsfindung<br />
ist ihm – soweit vorhan<strong>de</strong>n – eine Liste <strong>de</strong>rjenigen<br />
Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte auszuhändigen,<br />
die sich ausdrücklich dazu bereit erklärt haben, als Verteidiger<br />
in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beigeordnet zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Dies und die Belehrung über seine Rechte hat unverzüglich<br />
nach seiner Verhaftung zu erfolgen (§ 114b StPO). Hat bis<br />
zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r nach § 115 Abs. 2 StPO durchzuführen<strong>de</strong>n<br />
Vernehmung <strong>de</strong>m zuständigen Gericht kein Verteidiger seine<br />
Wahl angezeigt o<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>r Beschuldigte keinen ihm beizuordnen<strong>de</strong>n<br />
Verteidiger bezeichnet, hat das Gericht einen nach<br />
Maßgabe von Thesen IV und V von ihm ausgewählten Verteidiger<br />
zu bestellen. Darauf ist <strong>de</strong>r Beschuldigte im Rahmen seiner<br />
Belehrung im Anschluss an seine Verhaftung (§ 114b StPO)<br />
hinzuweisen. Angesichts <strong>de</strong>s engen Zeitfensters für die Verteidigerbestellung<br />
in Fällen <strong>de</strong>s § 115 Abs. 1 StPO kommt <strong>de</strong>n<br />
Einrichtungen eines anwaltlichen Notdienstes beson<strong>de</strong>re<br />
Be<strong>de</strong>utung zu.<br />
Begründung:<br />
Ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Ergreifung eines Beschuldigten auf<br />
Grund eines gegen ihn bestehen<strong>de</strong>n Haftbefehls (§ 115 Abs. 1<br />
StPO) ist die Mitwirkung eines Verteidigers gem. § 140 Abs. 1<br />
Nr. 4 StPO notwendig. Dem unverteidigten Beschuldigten<br />
muss <strong>de</strong>shalb bereits vor <strong>de</strong>r richterlichen Vernehmung im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Vorführungsverhandlung (§ 115 Abs. 2 StPO) ein<br />
Verteidiger beigeordnet wer<strong>de</strong>n. Ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Ergreifung<br />
<strong>de</strong>s Beschuldigten wird nämlich <strong>de</strong>r gegen ihn bestehen<strong>de</strong><br />
Haftbefehl vollstreckt:<br />
a. § 114b Abs. 2 Nr. 1 StPO setzt voraus, dass <strong>de</strong>r Beschuldigte<br />
nach seiner Ergreifung <strong>de</strong>m Gericht vorzuführen ist,<br />
das „über seine weitere Inhaftierung zu entschei<strong>de</strong>n hat“.<br />
b. Ebenso geht § 115 Abs. 4 StPO davon aus, dass am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Vorführungsverhandlung ggf. „die Haft aufrechterhalten“<br />
wird.<br />
c. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 115a Abs. 2 S. 4 hat das zuständige<br />
Gericht unverzüglich zu prüfen, „ob <strong>de</strong>r Haftbefehl (...)<br />
außer Vollzug zu setzen ist“, was voraussetzt, dass <strong>de</strong>r Haftbefehl<br />
zunächst vollzogen wur<strong>de</strong>.<br />
d. Nach § 121 Abs. 1 StPO darf <strong>de</strong>r Vollzug <strong>de</strong>r Untersuchungshaft<br />
über sechs Monate hinaus nur unter <strong>de</strong>n dort<br />
genannten Voraussetzungen aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n. Wird<br />
ein Beschuldigter aufgrund eines bereits erlassenen Haftbefehls<br />
ergriffen, ist für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Sechs-Monats-Frist <strong>de</strong>r<br />
Tag <strong>de</strong>r Festnahme – und nicht <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vernehmung – <strong>de</strong>s<br />
Beschuldigten gem. § 115 Abs. 2 StPO maßgebend. Dies ist,<br />
an<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r vorläufigen Festnahme gem.