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216 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2010<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Prinzip komme nur die Versagung <strong>de</strong>r Zulassung in Betracht.<br />
Der Angemessenheitsgrundsatz wer<strong>de</strong> nicht verletzt, da die<br />
Berufsausübung <strong>de</strong>r RAe und Patentanwälte lediglich insofern<br />
einer Beschränkung unterliege, als sie sich nicht in Form einer<br />
zugelassenen RA-Gesellschaft organisieren könnten. Könnten<br />
nichtanwaltliche Berufsträger RA-Gesellschaften verantwortlich<br />
führen, wür<strong>de</strong>n u.a. prozessuale Regelungen ausgehöhlt. Selbst<br />
wenn die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r §§ 59e, 59f BRAO durch wichtige<br />
Belange <strong>de</strong>s Gemeinwohls nicht (mehr) zu rechtfertigen wären<br />
o<strong>de</strong>r ein Verstoß gegen <strong>de</strong>n Gleichheitsgrundsatz – wie nicht –<br />
vorläge, könne gegenwärtig von keinem verfassungswidrigen<br />
Zustand ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r beruflichen<br />
Zusammenarbeit im Rahmen von RA-Gesellschaften gem.<br />
§§ 59a, 59c ff. BRAO han<strong>de</strong>le es sich um komplexe, in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
und im Fluss begriffene Sachverhalte, bei <strong>de</strong>nen nach<br />
<strong>de</strong>r Rspr. <strong>de</strong>s BVerfG ein angemessener Zeitraum einzuräumen<br />
sei, um Erfahrungen sammeln, Klarheit gewinnen und Mängeln<br />
<strong>de</strong>r Regelung abhelfen zu können. Die Vorgänge seien im<br />
gesetzgeberischen Bereich noch zu keinem – wenigstens vorläufigen<br />
– Abschluss gelangt.<br />
Mit Schriftsatz v. 19.10.2009, beim Bayerischen AGH eingegangen<br />
am selben Tag, erhob die Kl. hiergegen Verpflichtungsklage.<br />
Sie bringt im Wesentlichen vor:<br />
Alle Voraussetzungen für ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft<br />
gem. § 59d BRAO seien erfüllt. Insbeson<strong>de</strong>re entspreche<br />
die klägerische Gesellschaft <strong>de</strong>n in § 59d Nr. 1 BRAO genannten<br />
Zulassungsvoraussetzungen.<br />
Es treffe zwar zu, dass die Mehrheit <strong>de</strong>r Geschäftsanteile und<br />
Stimmrechte <strong>de</strong>r Kl. entgegen § 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO nicht<br />
RAen zustehe. Die Vorschrift sei aber je<strong>de</strong>nfalls insoweit verfassungswidrig,<br />
als sie keine Ausnahme für eine interprofessionelle<br />
Berufsausübung von RAen und Patentanwälten zulasse.<br />
Diese Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnisse verstießen gegen Grundrechte<br />
<strong>de</strong>r Gesellschafter <strong>de</strong>r Kl. und Grundrechte <strong>de</strong>r Kl.<br />
Es liege ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />
parallelen Regelungen <strong>de</strong>r Berufsordnungen <strong>de</strong>r RAe und<br />
Patentanwälte (§ 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO bzw. § 52e Abs. 2<br />
Satz 1 PAO) könnten RAe und Patentanwälte in einer GmbH<br />
nur zusammenarbeiten, wenn min<strong>de</strong>stens ein Gesellschafter<br />
doppelt qualifizierter Anwalt und die übrigen Anwälte je zur<br />
Hälfte RAe und Patentanwälte seien. Das Erfor<strong>de</strong>rnis <strong>de</strong>r Doppelqualifikation<br />
und die mit <strong>de</strong>m Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis verbun<strong>de</strong>ne<br />
Einschränkung <strong>de</strong>r Zulassungsfreiheit stelle für die Gesellschafter<br />
bei<strong>de</strong>r Berufsgruppen eine Berufsausübungsregel und<br />
für die Kl. darüber hinaus eine subjektive Zulassungsschranke<br />
dar, die Wirkung bis hinein in die Berufswahlfreiheit entfalte.<br />
Da Hür<strong>de</strong>n für die Wahl <strong>de</strong>r Vereinigungsform <strong>de</strong>r Gesellschafter<br />
<strong>de</strong>r Kl. errichtet wür<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong> auch hinsichtlich <strong>de</strong>r Kl. in<br />
<strong>de</strong>n Schutzbereich von Art. 9 Abs. 1 GG eingegriffen.<br />
Die Eingriffe in die Berufsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit<br />
seien we<strong>de</strong>r durch hinreichen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gemeinwohls<br />
gerechtfertigt noch verhältnismäßig. Aufgrund <strong>de</strong>r unterschiedlichen<br />
beruflichen Befugnisse <strong>de</strong>r Geschäftsführer bei einer<br />
interprofessionellen Rechts- und Patentanwalts-GmbH, <strong>de</strong>r Bindung<br />
aller Betroffenen an das Berufs- und Stan<strong>de</strong>srecht sowie<br />
<strong>de</strong>r tatsächlichen und rechtlichen Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschäftsführung<br />
und internen Meinungsbildung in <strong>de</strong>r Gesellschaft sei<br />
eine Mehrheitsregelung we<strong>de</strong>r geeignet noch erfor<strong>de</strong>rlich, um<br />
die rechtsanwaltliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu<br />
gewährleisten. Es sei kein legitimer gesetzgeberischer Zweck<br />
<strong>de</strong>s Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnisses, <strong>de</strong>n maßgeblichen Einfluss <strong>de</strong>r<br />
RAe auf die RA-Gesellschaft zu sichern, son<strong>de</strong>rn es komme<br />
allein die Sicherung <strong>de</strong>r Unabhängigkeit, <strong>de</strong>r Unparteilichkeit<br />
und <strong>de</strong>s individuellen Vertrauensverhältnisses mit <strong>de</strong>m Mandanten<br />
sowie <strong>de</strong>r Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>r Rechtspflege in<br />
Betracht. Sowohl die klägerische Gesellschaft und ihre Gesellschafter<br />
als auch die für die klägerische Gesellschaft tätigen<br />
Berufsträger seien ihrem jeweiligen Berufs- und Stan<strong>de</strong>srecht<br />
unterworfen. Gesellschafterbeschlüsse, die gegen die Berufspflichten<br />
eines Rechts- o<strong>de</strong>r Patentanwalts verstießen, seien<br />
rechtswidrig. Die interprofessionelle gemeinsame Berufsausübung<br />
stelle keine beson<strong>de</strong>re Gefahr für die Unabhängigkeit<br />
und Unparteilichkeit <strong>de</strong>r RAe o<strong>de</strong>r die Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
Rechtspflege dar, zumal Patentanwälte <strong>de</strong>nselben Berufspflichten<br />
wie RAe unterlägen (§ 39a PAO bzw. § 43a BRAO). We<strong>de</strong>r<br />
die BRAO noch das Berufsrecht <strong>de</strong>r sozietätsfähigen Berufe für<br />
die interprofessionelle Zusammenarbeit in Form einer GbR<br />
o<strong>de</strong>r PartG sähen ein Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis o<strong>de</strong>r sonstige Einschränkungen<br />
bei <strong>de</strong>r Führung und Meinungsbildung innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft vor. Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gesetzgeber allein bei Kapitalgesellschaften<br />
einen entsprechen<strong>de</strong>n Handlungsbedarf sehen,<br />
verstieße dies gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die Unterschie<strong>de</strong><br />
zwischen Kapital- und Personengesellschaften seien irrelevant.<br />
Das Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis sei nicht geeignet, <strong>de</strong>m behaupteten<br />
Regelungszweck zu dienen. Durch die Gesellschafter- und<br />
Stimmenmehrheit von RAen könne nicht dauerhaft <strong>de</strong>r Einfluss<br />
<strong>de</strong>r RAe auf die RA-Gesellschaft gesichert wer<strong>de</strong>n, da die<br />
abstrakte Stimmenmehrheit nicht gewährleiste, dass nicht im<br />
konkreten Einzelfall Angehörige <strong>de</strong>r übrigen Berufsgruppen die<br />
Stimmenmehrheit hätten. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>r Satzung<br />
und <strong>de</strong>r Beschlussfähigkeit <strong>de</strong>r Gesellschafterversammlung<br />
enthalte die BRAO keine Vorgaben.<br />
Das Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis sei nicht erfor<strong>de</strong>rlich. Bei Berufsgruppen,<br />
die – wie Rechts- und Patentanwälte – einem vergleichbaren<br />
Stan<strong>de</strong>sethos und Berufsrecht unterworfen seien, könne auf<br />
das zusätzliche Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis verzichtet wer<strong>de</strong>n. Durch<br />
§ 59 Abs. 1 Satz 3 BRAO wer<strong>de</strong> ausreichend sichergestellt,<br />
dass Nicht-Berufsträger (etwa Patentanwälte) nicht als<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>r RA-Gesellschaft faktisch rechtsanwaltliche<br />
Tätigkeiten ausführten. § 59f Abs. 4 BRAO stelle sicher, dass<br />
<strong>de</strong>r geschäftsführen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r bevollmächtigte RA unabhängig<br />
und frei von Einflussnahmen han<strong>de</strong>ln könne. § 59k Abs. 1<br />
BRAO und § 52k PAO gewährleisteten eine ausreichen<strong>de</strong><br />
Transparenz für das rechtsuchen<strong>de</strong> Publikum. Mit <strong>de</strong>n genannten<br />
Vorschriften sei <strong>de</strong>m Regelungsbedürfnis zum Schutz <strong>de</strong>r<br />
Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und <strong>de</strong>s individuellen Vertrauensverhältnisses<br />
mit <strong>de</strong>m Mandanten und <strong>de</strong>m reibungslosen<br />
Ablauf <strong>de</strong>r Rechtspflege ausreichend Rechnung getragen.<br />
Obwohl bei einer Vielzahl interprofessioneller Sozietäten in<br />
Form einer GbR o<strong>de</strong>r Partnerschaftsgesellschaft das persönliche<br />
Interesse, etwa im Hinblick auf die persönliche Haftung,<br />
ungleich größer ausfalle als bei einer Kapitalgesellschaft, wür<strong>de</strong>n<br />
beson<strong>de</strong>re Vorkehrungen zum Schutze <strong>de</strong>r stan<strong>de</strong>sgemäßen<br />
Berufsausübung <strong>de</strong>r unterschiedlichen Professionen verlangt.<br />
Die Monopolkommission und die Bun<strong>de</strong>sregierung hielten<br />
das Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis bei einer Zusammenarbeit von<br />
RAen mit an<strong>de</strong>ren sozietätsfähigen Berufen in Form einer<br />
GmbH nicht für erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Das Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis sei nicht angemessen, da die Einschränkung<br />
<strong>de</strong>r Berufswahlfreiheit <strong>de</strong>r Kl. und <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />
gravieren<strong>de</strong> Eingriff in die Berufsausübung <strong>de</strong>r Gesellschafter<br />
<strong>de</strong>r Kl. in keinem angemessenen Verhältnis zum gesetzgeberischen<br />
Ziel <strong>de</strong>r angeblichen Bewahrung <strong>de</strong>r Rechtspflege vor<br />
Gefahren stün<strong>de</strong>n. Die behauptete Gefahr bestehe nicht.<br />
An<strong>de</strong>re Gemeinwohlbelange seien nicht ersichtlich.<br />
Das doppelte Mehrheitserfor<strong>de</strong>rnis nach § 59e Abs. 2 Satz 1<br />
BRAO greife als Regelung <strong>de</strong>r öffentlichen Gewalt in die allgemeine<br />
Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ein, da sie die<br />
Möglichkeiten eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses<br />
von Rechts- und Patentanwälten und damit die Handlungsfreiheit<br />
ungerechtfertigt beeinträchtige.