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228 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2010<br />
Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Steuerliche Behandlung <strong>de</strong>r Einkünfte von anwaltlichen<br />
Berufsbetreuern<br />
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3<br />
Eine Sozietät von RAen, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als<br />
Berufsbetreuer tätig sind, erzielt aus <strong>de</strong>r Berufsbetreuung Einkünfte<br />
aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3<br />
EStG (Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rspr.). Die Abfärberegelung gem. § 15 Abs. 3<br />
Nr. 1 EStG fin<strong>de</strong>t daher keine Anwendung.<br />
BFH, Urt. v. 15.6.2010 – VIII R 10/09<br />
Aus <strong>de</strong>m Tatbestand:<br />
[1] I. Die Kl. und Revisionskl. (Kl.) ist eine Sozietät von Anwälten.<br />
Sie erzielte ihre Einnahmen im Streitjahr 2001 nach <strong>de</strong>n<br />
Feststellungen einer für <strong>de</strong>n Zeitraum 2001 bis 2003 durchgeführten<br />
Außenprüfung zu 80 % aus <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Anwälte<br />
für die Übernahme von Betreuungen nach <strong>de</strong>n §§ 1896 ff.<br />
BGB, die <strong>de</strong>r Bekl. und Revisionsbekl. (das Finanzamt – FA –)<br />
als gewerblich ansah.<br />
[2] Auf dieser Grundlage qualifizierte das FA die Gesamteinnahmen<br />
<strong>de</strong>r Sozietät unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 3 Nr. 1<br />
EStG als gewerbliche Einkünfte und erließ <strong>de</strong>mentsprechend<br />
für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbescheid. Die dagegen<br />
nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage<br />
wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen <strong>de</strong>r<br />
Finanzgerichte (EFG) 2008, 1729 veröffentlichten Urteil ab.<br />
[3] Dagegen richtet sich die Revision <strong>de</strong>r Kl., mit <strong>de</strong>r sie die<br />
Verletzung <strong>de</strong>s § 18 EStG rügt.<br />
[4] Sie trägt im Wesentlichen vor, die Tätigkeit als Betreuer<br />
gehöre zur berufstypischen Tätigkeit von RAen. Dazu gehörten<br />
nicht nur die Anwälten nach <strong>de</strong>m Berufsrecht vorbehaltenen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch darüber hinausgehen<strong>de</strong> Tätigkeiten, weil das<br />
EStG nicht allein auf die Art <strong>de</strong>r Tätigkeit abstelle. Vielmehr<br />
komme es entschei<strong>de</strong>nd nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 18 Abs. 1 EStG<br />
darauf an, wer – mit welcher Qualifikation – eine selbstständige<br />
berufliche Tätigkeit entfalte.<br />
[5] Die Kl. beantragt, das angefochtene Urteil sowie <strong>de</strong>n angefochtenen<br />
Gewerbesteuermessbescheid für 2001 v. 28.6.2006<br />
in Gestalt <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung v. 3.11.2006 aufzuheben.<br />
[6] Das FA beantragt, die Revision als unbegrün<strong>de</strong>t zurückzuweisen.<br />
[7] Das FA hält die Betreuungstätigkeit we<strong>de</strong>r für eine Anwälten<br />
vorbehaltene noch aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n anwalttypische<br />
Tätigkeit. Sie umfasse nämlich nicht nur rechtliche und vermögensverwalten<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn auch Tätigkeiten in Gesundheitsund<br />
Wohnungsangelegenheiten sowie in Fragen <strong>de</strong>r Aufenthaltsortbestimmung<br />
und Regelungen zum Umgang mit an<strong>de</strong>ren<br />
Personen. Dass die Betreuungstätigkeit – auch soweit sie<br />
rechtliche Fragen betreffe – gleichermaßen durch Nichtjuristen<br />
ausgeübt wer<strong>de</strong>n dürfe, zeige, dass juristische Fragen keinesfalls<br />
für die Betreuungstätigkeit prägend seien; <strong>de</strong>mentsprechend<br />
wer<strong>de</strong> die Tätigkeit auch nicht nach <strong>de</strong>r BRAGO (heute:<br />
<strong>de</strong>m RVG), son<strong>de</strong>rn ausschließlich nach <strong>de</strong>n für Vormün<strong>de</strong>r<br />
und Betreuer gelten<strong>de</strong>n Regelungen vergütet.<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
[8] II. Die Revision ist begrün<strong>de</strong>t; das angefochtene Urteil<br />
sowie <strong>de</strong>r angefochtene Gewerbesteuermessbescheid in<br />
Gestalt <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§ 126<br />
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).<br />
[9] Zu Unrecht hat das FG die Rechtsauffassung <strong>de</strong>s FA bestätigt,<br />
die Anwaltssozietät habe wegen <strong>de</strong>r erbrachten Betreuungsleistungen<br />
insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt und sei<br />
<strong>de</strong>shalb gewerbesteuerpflichtig.<br />
[10] 1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG unterliegen nur (inländische)<br />
gewerbliche Unternehmen i.S.d. EStG <strong>de</strong>r Gewerbesteuer;<br />
nicht gewerblich sind danach – gem. § 15 Abs. 2 Satz 1<br />
EStG – Betriebe, <strong>de</strong>ren Betätigung als Ausübung eines freien<br />
Berufs o<strong>de</strong>r als eine selbstständige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1<br />
und Nr. 3 EStG) anzusehen ist. Ist allerdings ein Teil <strong>de</strong>r Tätigkeit<br />
einer Personengesellschaft gewerblicher Natur, so führt<br />
dies auch hinsichtlich ihrer im Übrigen ausgeübten freiberuflichen<br />
Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur Gewerblichkeit<br />
<strong>de</strong>r Einkünfte insgesamt (sog. Abfärbewirkung).<br />
[11] 2. Die hier streitige Tätigkeit als berufsmäßiger Betreuer<br />
gehört entgegen <strong>de</strong>r Ansicht <strong>de</strong>s FG zu <strong>de</strong>n Tätigkeiten, die <strong>de</strong>n<br />
Einkünften aus selbstständiger Arbeit zuzurechnen sind. Eine<br />
daneben ausgeübte freiberufliche Tätigkeit einer Personengesellschaft<br />
wird daher nicht nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in eine<br />
gewerbliche Tätigkeit umqualifiziert.<br />
[12] a) Berufsbetreuer übernehmen rechtliche Betreuungen<br />
(§§ 1896 ff. BGB), ohne dass dafür eine bestimmte Ausbildung<br />
o<strong>de</strong>r ein Studium erfor<strong>de</strong>rlich ist. Deshalb nehmen nicht nur<br />
Juristen o<strong>de</strong>r StB (vgl. BGH, Beschl. v. 21.10.2009 – XII ZB 66/<br />
08, FamRZ 2010, 199; Zimmermann, DStR 2007, 1322), son<strong>de</strong>rn<br />
auch an<strong>de</strong>re Berufsgruppen (wie Sozialarbeiter/-pädagogen,<br />
Alten- und Krankenpfleger sowie Erzieher, aber auch Verwaltungsfachkräfte<br />
und Kaufleute) diese Aufgabe wahr. Berufsbetreuer<br />
wer<strong>de</strong>n durch die Vormundschaftsgerichte (heute:<br />
Betreuungsgerichte) als Betreuer (§ 1836 Abs. 1 BGB, § 1897<br />
Abs. 6 BGB) bestellt; im Bestellungsbeschluss wird die Betreuung<br />
als beruflich geführt bezeichnet.<br />
[13] Gegenstand <strong>de</strong>s Berufsbilds <strong>de</strong>r Berufsbetreuer ist die Unterstützung<br />
und Beratung volljähriger Menschen, die in ihrer<br />
Entscheidungs- o<strong>de</strong>r Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind<br />
und <strong>de</strong>shalb nicht selbst für ihre Angelegenheiten sorgen können.<br />
Die Betreuer unterstützen die Betroffenen rechtlich o<strong>de</strong>r<br />
han<strong>de</strong>ln „stellvertretend für sie, z.B. durch Regelung <strong>de</strong>r Finanzen,<br />
Vertretung gegenüber Behör<strong>de</strong>n, Organisation von pflegerischen<br />
Diensten o<strong>de</strong>r Einwilligung in ärztliche Behandlungen“<br />
(vgl. www.bdb-ev.<strong>de</strong>/2_Informationen_zu_Betreuung.php). Dabei<br />
gehört zur Betreuung insbeson<strong>de</strong>re auch die Vertretung in<br />
Vermögensangelegenheiten (vgl. BGH-Urt. v. 9.1.2008 – VIII<br />
ZR 12/07, FamRZ 2008, 680; v. 30.4.2008 – XII ZR 110/06,<br />
NJW 2008, 2333; BGH-Beschl. in FamRZ 2010, 199; Sonnenfeld,<br />
FamRZ 2009, 1027; Wil<strong>de</strong>, GmbH-Rundschau 2010,<br />
123).<br />
Einordnung <strong>de</strong>r Berufsbetreuer<br />
war bisher<br />
streitig<br />
[14] b) Ob diese danach schon<br />
zu einem eigenen Berufsbild<br />
verdichtete Tätigkeit als „Berufsbetreuer“<br />
<strong>de</strong>n Einkünften aus<br />
selbstständiger Arbeit zuzuordnen<br />
ist, ist streitig.<br />
[15] aa) Der in <strong>de</strong>r Vergangenheit für die Besteuerung <strong>de</strong>r Einkünfte<br />
aus selbstständiger Arbeit zuständig gewesene IV. Senat<br />
<strong>de</strong>s BFH hat die Berufsbetreuertätigkeit mit Urt. v. 4.11.2004 –<br />
IV R 26/03 (BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288 mit Anm. Habscheidt,<br />
NJW 2005, 1257) unter Bezugnahme auf die BFH-Urt.<br />
v. 2.9.1988 – III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24;<br />
v. 28.8.2003 – IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112)<br />
als gewerbliche und nicht als sonstige selbstständige Tätigkeit<br />
i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen, weil diese Vorschrift<br />
nur vermögensverwalten<strong>de</strong> Tätigkeiten erfasse. Diese Voraussetzung<br />
erfülle die Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers