1) Quelle: Rosinak und Partner Ziviltechniker GmbH, Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Hofreither (Institut für Wirtschaft, Politik und Recht, Universität für Bodenkultur), Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Gerd Sammer et al. (Institut für Verkehrswesen, Universität für Bodenkultur): MS Wien – Volkswirtschaftliche Auswirkungen eines reduzierten ÖV- Anteils des Modal Splits im <strong>Wiener</strong> Verkehr, Sept. 2004 Einsparungen? – Ein Gedankenexperiment 1 Aus einer engen betriebswirtschaftlichen Sicht könnte eine Einsparung im öffentlichen Verkehr für vorteilhaft gesehen werden. Wenn es dadurch zu einem Rückgang der Fahrgastzahlen kommt, sind allerdings massive negative Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort und in Folge für das Stadtbudget zu erwarten. Darüber hinaus sind volkswirtschaftliche Kosten, z. B. in Form von gesundheitlichen Schäden oder des Verlustes an Freizeit, ins Treffen zu führen. Was wäre, wenn …? – Volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung bei Einsparungen Ausgehend von der Annahme, Einsparungen im ÖPNV vorzunehmen, sodass der Modal Split von 33 % (Basis 2000) auf 25 % sinkt, wurden die Auswirkungen in einer Studie in zwei Szenarien untersucht und die Indikatoren Schadstoffemissionen, Energieverbrauch und Fahrzeugbetrieb, Reisezeit, Lärmbelastung, Verkehrsinfrastruktur, Trennwirkung und Unfälle) monetär bewertet (Basis 2002). Szenario 1: „Stau statt ÖV“ Im Szenario 1 kommt es trotz Reduktion des ÖV-Anteils um 8 % zu keinen Ersatzmaßnahmen im Straßennetz. Das heißt: Die wahlfreien ÖV-Benutzer werden aufgrund der schlechteren Bedingungen die öffentlichen Verkehrsmittel in geringerem Ausmaß benutzen und vermehrt die Wege mit dem Pkw, -- zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Szenario 2: „Straßenbau statt ÖV“ Szenario 2 sieht solange Kapazitätsausweitung für den MIV vor, bis im Gesamten trotz des reduzierten ÖV-Angebots eine ähnliche Mobilität wie im Ist-Zustand gegeben ist. Dazu werden, basierend auf den Maßnahmen im Generalverkehrsplan Österreich, im dünner bebauten Gebiet Straßenneubauten und im dicht bebauten Gebiet der Ersatz von Parkstreifen durch Fahrstreifen bei gleichzeitigem Garagenausbau simuliert. Veränderungen des Verkehrszustands im Szenario 1 „Stau statt ÖV“ • Pkw-Kilometer im <strong>Wiener</strong> Staßennetz nehmen um 9,6 % zu und steigen von 15,4 Millionen Pkw-Kilometer pro Tag auf 16,9 Millionen Pkw- Kilometer. • Die mittlere Geschwindigkeit im Straßennetz in der Spitzenstunde sinkt von 21,2 km/h auf 19,1 km/h. • Die Fahrzeit der Wege mit dem ÖV steigt aufgrund von Behinderungen durch den Autoverkehr, aber vor allem durch die längeren Intervalle (Wartezeiten bei Umsteigevorgängen) durchschnittlich von 22,1 auf 29,6 Minuten. Im Unterschied zu Szenario 1 werden im Szenario 2 Maßnahmen ergriffen, um die Fahrzeitverlängerung im MIV wieder zu kompensieren. Ein Euro „gespart“, zwei Euro mehr bezahlt Einsparungen bei den Betriebskosten in der Höhe von 223,7 Millionen Euro pro Jahr stehen zusätzlich verursachte volkswirtschaftliche Gesamtkosten von 295,9 Millionen Euro pro Jahr im Szenario 1 und 440,9 Millionen Euro pro Jahr im Szenario 2 gegenüber. • Im Szenario 1 „Stau statt ÖV“ entstehen für jeden eingesparten Euro volkswirtschaftliche Kosten von 1,32 Euro. • Im Szenario 2 „Straßenbau statt ÖV“ kommen auf jeden eingesparten Euro volkswirtschaftliche Kosten von 1,97 Euro. Das entspricht fast einer Verdoppelung der volkswirtschaftlichen Ausgaben gegenüber den einseitig beim ÖV erzielten Einsparungen. Einkommensschwache Haushalte leiden doppelt Die Verteuerung der Mobilität wirkt sich für einkommensschwache Haushalte relativ stärker aus, weil diese es sich nicht leisten können, vermehrt auf den MIV umzusteigen. Insgesamt belaufen sich die unmittelbaren Mehrkosten für alle privaten Haushalte im Szenario 1 auf durchschnittlich 283 Euro und im Szenario 2 auf durchschnittlich 111 Euro pro Haushalt und Jahr (z. B. durch Verlust an Freizeit). Resümee: Mehr ÖPNV ist die bessere Strategie Beide Szenarien beweisen, dass die Stadt und ihre Bewohner/-innen wesentlich besser fahren, wenn wir in Wien weiterhin auf einen leistungsfähigen, attraktiven ÖPNV setzen. Dieser bewirkt 10 % kürzere und schnellere Pkw-Fahrten, um ein Drittel kürzere Öffi-Fahrten, bis zu 50 % geringere Kosten für den Gesamtverkehr und fast 300 Euro Ersparnis für jeden privaten Haushalt. 22
Umweltbewusst denken und handeln In städtischen Ballungsräumen ist der öffentliche Verkehr nicht nur die unbestritten wirtschaftlichste Alternative, um das Bedürfnis nach Mobilität zu erfüllen, sondern auch die umweltverträglichste. Die <strong>Wiener</strong> Linien erweisen sich als eine nachhaltige Antwort auf die viel diskutierte Verkehrsproblematik. 23