heuler nr. 50 - niquan.com
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Rostock<br />
dass die Menschen fast nicht zu erkennen<br />
sind. Dennoch bestehe ich<br />
erfolgreich meinen ersten Test. Ich finde<br />
leider keine Zeit mich daran zu<br />
erfreuen, da mir eine Windböe fast<br />
den Kopf von den Schultern weht.<br />
Halb erwürgt schlurfe ich weiter und<br />
Christian lacht schon wieder über<br />
mich.<br />
Zum ersten Mal kommt der Wunsch<br />
nach einem kalten Bier in mir auf, aber<br />
jetzt kann ich ja noch nicht aufgeben.<br />
„Sunny ist weiblich und nicht über<br />
16.31 Uhr: DIe Mädels liegen<br />
Sunny reihenweise zu Füßen.<br />
16.41 Uhr: Kleine Kinder reagieren<br />
eher panisch.<br />
1,80 groß“ war die<br />
Vorgabe der PR-<br />
Verantwortlichen<br />
der IGA, in beiden<br />
Fällen musste eine<br />
Ausnahme gemacht<br />
werden.<br />
Aber noch komplizierter<br />
war die<br />
Vorgabe, dass sie<br />
nicht reden darf.<br />
Aus diesem Grund<br />
war außer starkem<br />
Fluchen (wenn ich<br />
mich allein wähnte) nichts von mir zu<br />
hören.<br />
Ich laufe dann also weiter und schüttele<br />
unzählige Hände, nehme Omas<br />
und Kinder fürs Foto in den Arm und<br />
halte den Kopf an diesem allzu stürmischen<br />
Tag fest. Nach und nach<br />
wird der Kopf schwer, mein Hals<br />
beginnt wehzutun und der Wunsch<br />
nach einem kühlen Bier wird stärker.<br />
Als ich gerade einer alten Frau winken<br />
will, erfasst eine Winböe meinen<br />
Kopf und ich mache eine Bewegung,<br />
die Christian später als „kopfschussartig“<br />
bezeichnen wird.<br />
Ich brauche eine Pause und setze mich<br />
auf eine Treppe. Die seh-kranke Sonnenblume<br />
winkt weiter, schüttelt Hände<br />
und nimmt ein Kind fürs Foto auf<br />
den Schoß. Auf dem Rückweg, einige<br />
Windböen und Strangulierungen<br />
später, gerate ich in eine Seniorengruppe.<br />
Leise fluchend schüttelt die<br />
blinde Blume Hände, posiert auf Fotos<br />
und rempelt Omas an (Wie entschuldigt<br />
man sich<br />
eigentlich ohne zu<br />
sprechen). Ein<br />
Mann will herausfinden,<br />
wer sich in<br />
dem Kostüm befindet<br />
und macht<br />
den Reißverschluss<br />
meines Kostüms<br />
auf. Das hat mir<br />
gerade noch gefehlt.<br />
Ich überlege,<br />
ob Sunny eigentlich<br />
Pazifist sein<br />
muss, drohe dem<br />
Mann mit der<br />
16.49 Uhr: Sunny kennt zwar den Weg ... aber<br />
Sunny ist stumm.<br />
Faust und Christian behebt den Schaden-<br />
nachdem er mich gebührend<br />
ausgelacht hat. Grmpf.<br />
Entnervt schüttle ich die letzten Hände<br />
– Sunny lacht ja immer, da kann<br />
man noch so genervt gucken- und<br />
fliehe zu dem Raum in dem die blaugelbe<br />
Sonnenblume zerstückelt schlafen<br />
geht. Knapp eine Stunde habe ich<br />
es als Sunny ausgehalten. Die Menschen,<br />
die normalerweise in einem der<br />
drei Sunny-Kostüme herumlaufen,<br />
machen das auch mal einen ganzen<br />
Tag lang. Ich befreie mich daraus,<br />
renke meinen Hals wieder ein und<br />
habe endlich freie Bahn zum Biertrinken.<br />
Komischerweise mögen fast<br />
alle IGA-Besucher dieses stumme,<br />
blinde und fast bewegungsunfähige<br />
Plüschvieh. Ich bin jedenfalls an einem<br />
Tag selten so oft fotografiert<br />
worden, wie bei meinem Maskottchen-Marsch<br />
über die IGA, nur das<br />
mich ohne Plüschkostüm niemand<br />
erkennen wird – Schade eigentlich.<br />
16.58 Uhr: Sunny kann nicht mehr. Doch die Fans<br />
kennen keine Gnade.<br />
23<br />
Juli 2003