Klinoptikum 03/2011 - LKH-Univ. Klinikum Graz
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Carl Nicoladoni als<br />
Chirurgievorstand in <strong>Graz</strong><br />
Der weggerissene Daumen eines Jenbacher Sensen -<br />
schmiedes veranlasste 1891 Carl Nicoladoni in<br />
Innsbruck zu einer merkwürdigen Opera tionsleistung.<br />
Es gelang ihm, den fehlenden Finger<br />
durch die Transplantation der zweiten Zehe des<br />
Patienten zu ersetzen. 1895 nach <strong>Graz</strong> berufen,<br />
sollte Nicoladoni hier bald noch weitere Daumenplastiken<br />
herstellen. In seiner <strong>Graz</strong>er Antrittsrede<br />
zu Beginn des Wintersemesters 1895/96 verwies<br />
Professor Nicoladoni auf die bisher noch nicht<br />
ausgeschöpften Möglichkeiten und Potenziale der<br />
Kinderorthopädie: „Die in jüngster Zeit aufgedeckte<br />
Ummodlungsfähigkeit jugendlicher Knochen,<br />
nachgewiesen an den Skeletten jugendlicher<br />
Difformitäten, ist eine Thatsache, welche unseren<br />
orthopädischen Eingriffen neue Anhaltspunkte gibt<br />
und neue Ziele eröffnen wird.“<br />
Mit Jahresbeginn 1896 wurde am <strong>Graz</strong>er Anna-<br />
Kinderspital Dr. Friedrich Lang als Assistent<br />
angestellt und damit beauftragt, den Kindern<br />
orthopädischen Unterricht zu erteilen, und zwar<br />
mit Beratung durch den Vorstand der Landesturnanstalt.<br />
Zunächst behandelte man hier in erster<br />
Linie an Rachitis erkrankte Mädchen, die häufig<br />
unter Rückgratsverkrümmungen litten. Dreimal<br />
wö chentlich turnten sie nun mit dazu angeschafften<br />
Geräten, die im Warteraum Aufstellung fanden.<br />
Neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten ergaben<br />
sich aus den damals (am 8. November 1895)<br />
entdeckten Röntgenstrahlen, denen Professor<br />
Nicoladoni sogleich seine Aufmerksamkeit schenkte.<br />
Am 1. Dezember 1896<br />
präsentierte er im steirischen<br />
Ärzteverein „sehr<br />
gelungene mit Hilfe von<br />
Röntgen-Strahlen aufgenommeneDurchleuchtungsbilder<br />
eines Kindes<br />
[...], welches an beiderseitiger<br />
congenitaler<br />
Hüftgelenks-Luxation<br />
leidet.“<br />
Am Anna-Kinderspital<br />
war 1897 die bisherige<br />
chirurgisch-okulistische<br />
in eine chirurgischorthopädische<br />
Abteilung<br />
umgewandelt worden.<br />
16 Ausgabe 3/<strong>2011</strong><br />
Röntgenbild der linken Hand eines<br />
zweieinhalbjährigen Rachitispatienten<br />
(Aufnahme vom Frühjahr 1897 aus dem<br />
Anna-Kinderspital)<br />
HISTORISCH<br />
Professor Nicoladoni ließ 1899 auch an der chirurgischen<br />
Klinik ein orthopädisches Ambulatorium<br />
(Skoliosenambulatorium) einrichten und mit modernen<br />
Übungsapparaten (auch zur Behandlung<br />
von Gelenkskontrakturen) bestücken. 1900 trat<br />
Arnold Wittek die Stelle eines orthopädischen<br />
Assistenten an. Am 1. April 1902 durfte er auf dem<br />
ersten deutschen Orthopädenkongress in Berlin<br />
über Fußdeformationen referieren.<br />
Erste in <strong>Graz</strong> habilitierte<br />
Orthopäden<br />
1905 habilitierten sich zwei Nicoladoni-Schüler<br />
in <strong>Graz</strong> für „Orthopädische Chirurgie“, nämlich<br />
Arnold Wittek und Hans Spitzy. Spitzy hatte zuvor<br />
Albert Hoffa auf einer viel beachteten Studienreise<br />
durch die Vereinigten Staaten (1904) begleitet<br />
und nach dem Tod von Professor Ebner (1906)<br />
das neu geschaffene Primariat der chirurgischorthopädischen<br />
Abteilung am Anna-Kinderspital<br />
übernommen. Bei den Freunden des verstorbenen<br />
Professors Ebner führte er eine Spendensammlung<br />
durch, mit deren Erlös sich ein orthopädischer<br />
Turnsaal für das Kinderspital finanzieren ließ. 1910<br />
verfasste Spitzy gemeinsam mit dem Münchener<br />
Orthopäden Fritz Lange das späterhin noch zahlreich<br />
aufgelegte Werk „Chirurgie und Orthopädie<br />
im Kindesalter“, welches ihm den Titel eines Extraordinarius<br />
eintrug. 1913 übersiedelte Professor<br />
Spitzy nach Wien, wo er 1956 (etwa drei Wochen<br />
vor Arnold Wittek) sterben sollte.<br />
Wie Spitzy war auch<br />
Arnold Wittek 1911 in <strong>Graz</strong><br />
zum außerordentlichen<br />
Professor ernannt worden.<br />
Im Rahmen des Krankenhausneubaues<br />
befasste er<br />
sich mit der Einrichtung<br />
des medikomechanischen<br />
Institutes, das am 1. Mai<br />
1913 eröffnet wurde.<br />
Hans Spitzy (1872–1956)<br />
Gleichzeitig initiierte er<br />
nach deutschem Vorbild<br />
die „Krüppelfürsorge“ in der Steiermark, deren<br />
Grundgedanke darin bestand, orthopädische Patienten<br />
in den Erwerbsprozess einzugliedern. Ergebnis<br />
dieser Bemühungen waren die Gründung<br />
des Orthopädischen Spitals (Unfallkrankenhauses)<br />
in <strong>Graz</strong> (1918), der Landes-Sonnenheilstätte auf<br />
der Stolzalpe (1920) und der „Landes-Pflege- und