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MOTORRAD Classic 7/2014

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DAS TRAGISCHE<br />

TALENT<br />

Vor 60 Jahren schockierte die Nachricht vom Todessturz des<br />

bereits als Weltmeister feststehenden NSU-Werksfahrers Rupert<br />

Hollaus die Motorsportfreunde in aller Welt. Und kurz darauf<br />

verkündete NSU auch noch den Ausstieg aus dem Rennsport...<br />

Text: Jürgen Nöll; Fotos: Archiv Nöll<br />

Hollaus mit einigen Trophäen<br />

seiner kurzen, aber steilen Rennfahrerkarriere,<br />

die er 1954 vorzeitig<br />

mit dem Weltmeister-Titel<br />

in der Achtelliter-Klasse krönt<br />

Mit 23 Jahren ist der am 1. September 1930 im österreichischen<br />

St. Pölten geborene Rupert Hollaus<br />

der Benjamin in der 1954er-Werksmannschaft<br />

von NSU. Schon von klein auf ist Hollaus in der<br />

Werkstatt seines Vaters mit Motorrädern aufgewachsen. Sein erstes<br />

Rennen fährt er mit 18 Jahren. Drei Jahre später startet er erstmals in<br />

Deutschland, auf seiner Moto Guzzi Albatros fährt er 1951 in Schotten<br />

und in Freiburg am Schauinsland, wo er Fünfter wird. Neben der 250er-<br />

Guzzi tritt er mit einer Norton auch bei den 350ern an, und im Jahr<br />

darauf legt er sich sogar noch eine 125er-Mondial zu, um bei einigen<br />

Veranstaltungen in drei Klassen an den Start zu gehen.<br />

Rasch erfährt sich Rupert Hollaus einen Ruf als hoch talentierter<br />

Pilot, er fällt selten aus und stürzt fast nie. Mit seinen Maschinen tingelt<br />

er durch ganz Europa, platziert sich immer hervorragend und gewinnt<br />

viele national bedeutende Rennen in Österreich, Italien, Belgien, Frankreich,<br />

Deutschland sowie der Schweiz. Im Lauf der Saison 1953 belegt<br />

Hollaus in Deutschland häufiger den ersten Privatfahrerplatz, was ihm<br />

die Aufmerksamkeit von Presse und Industrie sichert. Am Ende dieser<br />

Saison stellt er beim Großen Preis von Spanien in Barcelona sein überragendes<br />

Fahrtalent einmal mehr unter Beweis: Mit seiner Rennfox<br />

belegt er nicht nur den dritten Platz in der Achtelliter-Klasse, sondern<br />

düpiert bei den 250ern die komplette Weltelite mit Piloten wie Kavanagh,<br />

Anderson, Lorenzetti und Montanari, indem er als Privatfahrer<br />

bei strömendem Regen bis zur Hälfte des Rennens das Feld anführt.<br />

Hollaus mit einer älteren Rennmaschine gegen ein Heer modernster<br />

Werksrenner – mit dieser brillanten Regenfahrt erobert sich der Österreicher<br />

endgültig einen Platz in der NSU-Werksmannschaft für die<br />

kommende Saison. NSU hat für 1954 mit dem robusten Werner Haas,<br />

dem feinnervigen Hans Baltisberger, dem ruhigen, erfahrenen Altmeister<br />

H.P. Müller und dem zurückhaltenden Regenspezialisten<br />

Hollaus ein bei nahe unschlag bares Fahrerteam am Start. Es ist jedoch<br />

Rupert Hollaus, der in diesem Jahr alle überrascht. Er fährt derart überlegen,<br />

dass er schon vorzeitig Weltmeister bei den 125ern wird – und<br />

damit Werner Haas den Titel entreißt.<br />

Das Schicksal nimmt seinen Lauf<br />

Am 12. September 1954 steht der Große Preis der Nationen an, der als<br />

vorletzter Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft im königlichen Park<br />

von Monza ausgetragen wird. Der damals 6,3 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitskurs<br />

besteht aus zwei Doppelkurven, die bei den<br />

125ern mit 100 bis 120 km/h durchfahren werden, zwei lang ge zogenen<br />

Fast-Vollgas-Kurven und den schnellen Geraden, die<br />

für Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 170 km/h<br />

gut sind.<br />

Für die NSU-Mannschaft ist dieser Kurs etwas<br />

Besonderes. Hier hatte man sich zwei Jahre zuvor<br />

erstmals nach dem Krieg außerhalb Deutschlands der<br />

internationalen Konkurrenz gestellt und den als<br />

nahe zu unschlagbar geltenden italienischen Werksteams<br />

gezeigt, dass zukünftig mit den Maschinen<br />

aus Neckarsulm zu rechnen sein würde. Und vor gut<br />

einem Jahr hatte Werner Haas hier in Monza mit<br />

einem zweiten Platz hinter Enrico Lorenzetti auf<br />

Moto Guzzi die Weltmeisterschaft in der Viertelliter-<br />

Klasse für sich entscheiden können. Und nun, am<br />

Ende der 1954er-Saison, will man den 250er-Siegerpokal<br />

mit der Rennmax und ihrem neu entwickelten<br />

R22-Motor endlich nach Deutschland holen.<br />

Obwohl die Chancen dafür besser als je zuvor<br />

stehen, will sich NSU-Rennleiter Germer nicht ausschließlich<br />

auf die Motorleistung seiner Maschinen<br />

verlassen. Gerade ein Hochgeschwindigkeitskurs wie<br />

das Autodromo von Monza erfordert auch besondere<br />

aerodynamische Maßnahmen. Und so hatte man<br />

bereits Wochen zuvor auf der Heimstrecke im badischen<br />

Hockenheim Versuche mit verschiedenen<br />

Verkleidungen gefahren. Die sogenannten Vollstrom-<br />

Verkleidungen umschließen nicht nur den Bug,<br />

sondern auch das Heck der Maschinen.<br />

Die neuen Heckverkleidungen erfüllen zunächst<br />

allerdings nicht die in sie gesetzten Erwartungen.<br />

Während sie die Spitzengeschwindigkeiten der Rennfox<br />

(R11) um fünf auf 185 km/h und der Rennmax<br />

(R22) um vier auf 215 km/h verbessern, bringen sie in<br />

schnellen, lang gezogenen Kurven Unruhe in die<br />

Fahrwerke. Die Rennmaschinen schaukeln sich so<br />

stark auf, dass sie von den Fahrern nur durch Aufrichten<br />

und Gaswegnehmen beherrscht werden können –<br />

alles andere als ideal für Monza mit diesen beiden ultraschnellen<br />

Kurven! Deshalb startete die NSU-Werkstruppe<br />

eine mühe volle Versuchsreihe, an deren Anfang<br />

unterschiedliche Reifenprofile und Reifen größen<br />

www.motorrad-classic.de<br />

<strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 7/<strong>2014</strong> 109

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