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MOTORRAD Classic 7/2014

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SZENE I<br />

Rennsport-Legende Jacky Ickx<br />

INTERVIEW<br />

Jacky, als ehemaligen Fomel 1-Fahrer würde<br />

man dich nicht zuallererst auf einer Motorrad-<br />

Präsentation erwarten. Was also hat dich hier<br />

hergetrieben?<br />

Ich bin zwar Markenbotschafter für den VW-<br />

Konzern, also für alle zwölf Marken, inklusive<br />

Ducati. Heute habe ich aber keinen offiziellen<br />

Auftrag, ich bin aus persönlichem Interesse<br />

hier. Ich war ohnehin in meiner Zweitwohnung<br />

in Monaco und hatte von meinem alten Freund<br />

bei Ducati erfahren, dass das Werk aus Bologna<br />

hier die neue Diavel präsentieren würde. Und<br />

die hatte schon auf dem Automobil-Salon in<br />

Genf meine Neugier geweckt. Ein scharfes<br />

Motorrad! Zum Glück hatte ich just zu diesem<br />

Termin etwas freie Zeit, konnte mir das Mitfahren<br />

auf Einladung von Ducati also einrichten.<br />

Woher kommt dein Interesse für Motorräder?<br />

Wenn man einmal Motorräder liebt, dann<br />

bleibt das für immer. Ich habe diese Liebe zu<br />

den Motorrädern nie mehr verloren. Schon als<br />

Jugendlicher bin ich begeistert Trial gefahren.<br />

Mit 16 erhielt ich vom belgischen Zündapp-<br />

Importeur eine 50er-Maschine. Kurz darauf,<br />

das war 1961, nahm ich mit der Zündapp am<br />

„Trial Lamborel“ teil. Dort war auch das offizielle<br />

Zündapp-Werksteam am Start, das mich<br />

spontan verpflichtete. So wurde ich Werksfahrer<br />

für Zündapp, und zwar beim Trial und<br />

im Gelände, startete bei den „International<br />

Sixdays“ in Garmisch-Partenkirchen und den<br />

„Drei Tagen von Passau“.<br />

Erinnerst du dich noch gut an jene Zeit?<br />

Oh ja, sie war sehr prägend. Mit 16 und 17<br />

reiste ich im Sommer nach München, um in der<br />

Zündapp-Fabrik meine Rennmaschinen aufzubauen.<br />

Meine 125er-Gelände-Zündapp aus<br />

den frühen 60er-Jahren habe ich heute immer<br />

noch. Momentan als mein einziges Motorrad.<br />

Die habe ich vom Werk bekommen und bin<br />

Zündapp sehr dankbar dafür. Heute sieht das<br />

Motorrad prähistorisch aus, doch damals war<br />

es das Beste, was man haben konnte. Nur der<br />

Magnesium-Motorblock hielt nicht gut, deswegen<br />

bauten wir ihn später aus Aluminium nach.<br />

Warst du sehr traurig, dass Zündapp in den<br />

80er-Jahren seine Tore für immer schloss?<br />

Natürlich, der Marke aus Bayern war ich stets<br />

sehr ver bunden. Zündapp hatte einen großen<br />

Namen in der Motorradwelt. Schade, dass<br />

dieser tolle Hersteller von der Bildfläche verschwunden<br />

ist. Er konnte auf Dauer nicht gegen<br />

die Japaner bestehen. Aber mit 16 haben<br />

mich Marketing-Strategien kaum interessiert.<br />

Ich hatte übrigens seinerzeit für die Rennstrecke<br />

noch eine 50er-Kreidler von Hans-<br />

Georg Anscheidt übernommen. Sie hatte neun<br />

Gänge! Kreidler und Zündapp waren ja starke<br />

Konkurrenten in dieser spannenden Zeit.<br />

Wie ging es dann weiter?<br />

Der Geländesport hatte mir eine Tür geöffnet,<br />

gab mir die Chance, mich in echten Wettbewerben<br />

zu beweisen. Etwa bei der „Valle<br />

Berga maschi“ in der Nähe von Bergamo.<br />

Eigent lich war mein Weg als Motorradrennfahrer<br />

vorgezeichnet: Mit 17 sollte ich GP-Fahrer<br />

für Suzuki im Straßenrennzirkus werden.<br />

Das scheiterte damals nur daran, dass ich noch<br />

nicht volljährig war. Und mit 18 kamen der<br />

Zweiradkarriere dann die Autos dazwischen …<br />

Dann hat die Motorrad-WM dich also verloren?<br />

Nein, das sehe ich anders. Das hat mir vermutlich<br />

das Leben gerettet. Der Motorrad-Rennsport<br />

war in den 60er- und frühen 70er-Jahren<br />

wirklich noch sehr gefährlich, nicht so sicher<br />

wie heute. Doch wahrscheinlich genau deswegen<br />

waren alle Fahrer jeweils ausgeprägte<br />

Persönlichkeiten. Wir kannten das Risiko, auch<br />

in der Formel 1, aber wir waren jung und stark.<br />

Angst hatten wir keine, Zweifel auch nicht,<br />

sind einfach nur gefahren … Daran zeigt sich<br />

mal wieder, dass es immer wieder gut ist, wenn<br />

eine neue Generation nachwächst.<br />

Hast du das je bereut?<br />

Nein, ich hatte ja gute Zeiten in der Formel 1.<br />

Und ich glaube wirklich an Schicksal. Als ich<br />

ganz jung war, wollte ich Gärtner oder Förster<br />

werden, war fasziniert von der Natur. Ich wollte<br />

gar kein professioneller Fahrer werden, das<br />

hat sich dann nur so ergeben. Das war stets<br />

eine ungeheuere Herausforderung – von den<br />

besten fahrerischen Talenten deiner Zeit<br />

um geben zu sein und dich im Rennen mit<br />

ihnen zu messen. Auf zwei Rädern muss man<br />

sehr darauf achten, Fahrfehler zu vermeiden,<br />

während Autos kleine Fehler erlauben.<br />

Bist du denn noch weiter Motorrad gefahren,<br />

neben deiner Auto-Karriere?<br />

Natürlich, im Sommer zwar überwiegend<br />

Formel 1, doch im Winter immer noch Trial und<br />

Gelände, auch Hillclimbing. Ich bin fünf Jahre<br />

lang Trial und drei Saisons Gelände-Motorrad<br />

gefahren. Da kamen bis zu 42 Rennen in einem<br />

Jahr zusammen. Am Ende meiner Karriere bin<br />

ich viel Offroad-Rennen mit Autos gefahren.<br />

Da half mir die Erfahrung mit den Gelände-<br />

Motorrädern sehr: Wir reden hier von Gefühl<br />

für Balance, die Kontrolle von Gas und Kupplung<br />

sowie das Bewältigen von rutschigen<br />

Untergründen. Alles auch gute Voraussetzungen<br />

für die Rallye Paris-Dakar, bei der ich zwölf<br />

Mal im Auto gestartet bin.<br />

Wie ging deine Motorrad-Karriere weiter?<br />

In den 1970er-Jahren hatte ich eine 750er-<br />

Ducati Sport. Dottergelb war sie und verdammt<br />

schnell für ihre Zeit. Meine Kawasaki Z 900 war<br />

sogar eine richtige Rakete! Eine 750er-BMW<br />

ließ ich mir auf volle 900 Kubik umbauen –<br />

Leistung musste schon sein. Auch Yamahas<br />

habe ich gehabt. Aber dann machte ich eine<br />

lange Motorrad-Pause. Erst vor rund zehn<br />

Jahren kehrte ich wieder aufs Zweirad zurück.<br />

Den Anfang machte eine BMW R 1150 R<br />

„Rockster“, dann folgte eine 1150er-RT und<br />

noch eine 1200er-BMW. Ich habe eine ganze<br />

Menge Reisen mit diesen Motorrädern gemacht.<br />

Aber die letzten sechs Jahre bin ich<br />

wieder nicht gefahren.<br />

gut von der Formel 1. Doch zu meiner großen<br />

Überraschung erzählt er nicht von<br />

Rennwagen oder Siegen auf vier Rädern,<br />

sondern von Motorrädern und Geländesport.<br />

Jacky lässt seine Zeit als Zündapp-<br />

Werksfahrer (Trial und Gelände), seine<br />

privaten Motorräder von früher und die<br />

vielen überraschenden, nicht vorhersehbaren<br />

Wendungen in seinem Leben Revue<br />

passieren. Wow. Zum Mittagessen werden<br />

Spezialitäten aus dem Mittelmeer serviert,<br />

plus Jackys bekömmliche Anekdoten<br />

aus einer erlebnisreichen Karriere.<br />

Warum er heute hier ist, wie er dem<br />

Motorrad immer verbunden blieb, was für<br />

ihn wirklich zählt im Leben. Mit leuchtenden<br />

Augen erzählt der kleine Belgier von<br />

Herbert Schek, den er für den „besten<br />

deutschen Geländefahrer“ hält: „Herbert<br />

Schek war ein Held bei den Six Days, ich<br />

habe ihn sehr bewundert: Er etablierte<br />

die BMW-Boxer im Offroad-Sport und ist<br />

einfach ein fantastischer Mensch!“<br />

Danach redet der ehemalige Rennfahrer<br />

über Politik, den kürzlich verstorbenen<br />

Nelson Mandela: „Er hatte die Größe<br />

zu vergeben, und die Stärke, einen neuen<br />

Weg einzuschlagen – nur dadurch konnte<br />

der Zusammenprall der Rassen enden, ein<br />

friedliches Miteinander beginnen.“ So<br />

viele Storys. Etwa, wie Jacky mit 17 ganz<br />

nah an einer Karriere als Grand Prix-Fahrer<br />

für Suzuki war, dann aber die Rennautos<br />

dazwischenkamen.<br />

Der Heroe bleibt noch den gesamten<br />

Nachmittag bei der Ducati-Präsentation,<br />

fährt in Jeans tapfer die kurvenreiche<br />

Runde mit. Zurück am Hotel posiert er<br />

noch geduldig mit uns Journalisten. Danke<br />

Jacky, für einen unvergesslichen Tag,<br />

für so viel(e) Geschichte(n) live. ◻<br />

40 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 7/<strong>2014</strong> www.motorrad-classic.de

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