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SZENE I<br />
Ducati-Eigenbau<br />
weil sich neue Gedanken spontan an Ort<br />
und Stelle umsetzen lassen.<br />
Kein Teil blieb unangetastet<br />
So gesehen, ist Lothars neueste Schöpfung<br />
tatsächlich ein Traum-Motorrad. Ein klassischer<br />
Renner, unglaublich schön gemacht,<br />
unter Verwendung all seiner gesammelten<br />
Erfahrungen. Mit 860 Kubikzentimetern,<br />
86 PS und einem Trockengewicht<br />
von gerade mal 157 Kilogramm,<br />
inklusive Öl! An diesem Motorrad gibt es<br />
nicht ein Teil, an das er nicht selbst Hand<br />
angelegt hat. Neben der Hubraumerweiterung<br />
hat er dem V2 mit klassischem<br />
Tuning – Kanäle bearbeiten, Verdichtung<br />
auf 10:1 erhöhen, größere Ventile – das<br />
Atmen erleichtert. Fragt man ihn zum Beispiel<br />
über die Formgebung der Quetschkante<br />
zwischen Kolben und Zylinderkopf,<br />
so kann er darüber mindestens 20 Minuten<br />
referieren, enthusiastisch gestikulierend<br />
und erklärend, unter Zuhilfenahme<br />
von Kolben früherer Fehlversuche, die<br />
natürlich in der Küche lagern.<br />
Die NCR-Kurbelwelle wurde ebenso<br />
wie die SS-Pleuel erleichtert und poliert.<br />
Mit seiner langjährigen Erfahrung überarbeitete<br />
und erleichterte er weitere Motorund<br />
Getriebeteile, baute auf einen gerade<br />
verzahnten Primärtrieb um und versah<br />
die Trockenkupplung mit einem ganz speziellen<br />
Deckel, den der Metall-Virtuose<br />
aus einer Bratpfanne angefertigt hat!<br />
Auch das NCR-Fahrgestell musste<br />
einige Änderungen über sich ergehen<br />
lassen. Ein auf 1440 Millimeter verkürzter<br />
Radstand verbessert im Verbund mit<br />
einem steileren Lenkkopfwinkel (63 Grad,<br />
Nachlauf 110 Millimeter) das Handling.<br />
Weiterhin hat Lothar den Motor hinten<br />
um rund 30 Millimeter höher im Rahmen<br />
positioniert. Klar, dass hierfür Rahmenrohre<br />
abgesägt, ausgefräst und anschließend<br />
verstärkt werden mussten. An<br />
einem Beispiel erkennt man den Perfektionsdrang<br />
des Erbauers besonders gut:<br />
Um trotz des knappen Abstands zwischen<br />
Rahmen und Motor an eine Schraube des<br />
Königswellendeckels zu gelangen, versah<br />
der gewiefte Oberschwabe das entsprechende<br />
Rahmenrohr zunächst mit einer<br />
Bohrung, in die er dann eine stabilitätsfördernde<br />
Buchse eingelötet hat.<br />
Ähnlich gekonnt und eigenwillig auch<br />
die Konstruktion der Telegabel, die aus<br />
Teilen diverser anderer Forken und neu<br />
gefertigter Teile durch Aufschrumpfen,<br />
Überdrehen und einer modifizierten<br />
Dämpfer-Mimik nun dem Vorbild, einer<br />
Ceriani-Grand Prix-Gabel, entspricht. Jene<br />
hat es nämlich nie mit diesen dicken<br />
38er-Standrohren gegeben. Nicht unangetastet<br />
blieben natürlich auch die Trommelbremsen.<br />
Insbesondere die vordere<br />
Doppel-Duplexbremse von Grimeca, die<br />
jetzt schmaler baut, wurde mit einer größeren<br />
Lufthutze, überfräßter Nabe und<br />
neuem Gestänge überarbeitet.<br />
Typisch für den Ästheten sind auch<br />
die im Bereich der hinteren Rahmenrohre<br />
mit feinem Bogen nach innen verlegten<br />
Krümmer der stilistisch an die Imola-Renner<br />
angelehnten Auspuffanlage. Klar, dass<br />
der Metall-Künstler auch alle Schrauben,<br />
Halter, Momentabstützungen und die<br />
Fußrasten sowie den Seitenständer selbst<br />
angefertigt hat. Selbiges gilt weiterhin für<br />
sämtliche GFK-Teile einschließlich des<br />
Indo-Langstreckentanks von NCR, die er<br />
sehr dünnwandig laminiert hat.<br />
Genial einfach zudem die Halter für<br />
die Verkleidungsteile, die mittels Nuten<br />
und Federsplinten einrasten und bombenfest<br />
sitzen, obwohl sie nur aufgesteckt<br />
werden. Drei Minuten reichen, dann ist<br />
das Motorrad komplett gestrippt!<br />
Perfekte Funktionalität, gepaart mit<br />
harmonischen Formen – das trifft den<br />
„Kern“ von Lothars Leidenschaft. ◻<br />
So einen Ducati-Renner hat es nie gegeben.<br />
Deshalb hat ihn Lothar eben selbst gebaut<br />
Schlank und schnell: Die 86 PS des<br />
860er-V2 haben mit den 157 Kilogramm,<br />
inklusive Öl, leichtes Spiel.<br />
Schwarzer Höcker als Reminiszenz<br />
an die einstigen Ledersitze<br />
96 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 7/<strong>2014</strong>