MOTORRAD Classic 7/2014

Fotos: MPS Fotostudio
Würdiges Umfeld: In einer von Sportmotorrädern
geprägten Ausgabe von MOTORRAD erscheint 1983
der Test der zivilen Racing-Harley für die Straße
Die XR 1000 aus
heutiger Sicht
Harley-Pressemann
Rudi Herzig (50) mag
die XR noch heute
Zu schwer, zu schwach, zu unhandlich?
Die Schmach saß tief. In einer
Folge von Michel Vaillant, dem Lieblings-
Comic meiner Jugendjahre, scheitert ein
Amerikaner auf einer Aermacchi-Harley
beim Trial gnadenlos. Auf diesem Terrain
hatte er gegen die übermächtige Konkurrenz
keine Chance. Ähnlich erschien
mir die Situation rund ein Jahrzehnt später,
als Harley die XR 1000 an den Start
schickte. Eine Sportster auf Steroid, teuer
wie ein „richtiger“ Sportler... Hatte so
etwas eine Chance, eine Daseinsberechtigung?
Und doch – oder gerade deswegen – packte mich von Beginn
an diese seltsame Faszination, die Objekte ausmacht, die herrlich
unperfekt sind, deren Bedienung den Maschinisten in dir fordert,
die statt des Kopfs etwas ganz tief in dir drin ansprechen und die dir
dieses Dauergrinsen ins Gesicht meißeln. Die XR – mehr American
Steamroller als Nippon-Shinkhansen, mehr cooler John Wayne als
feingeistiger Marcello Mastroianni – war angetreten, es der ganzen
Welt zu zeigen. Und zu diesem Zweck haben sich die Milwaukee-
Jungs ordentlich was getraut. Denken Sie an die aufwendig bearbeiteten
Köpfe, deren hinteren sie einfach umdrehten, um einen zweiten,
fetten Dellorto dranschrauben zu können. Sie schufen ein Ponycar
auf zwei Rädern, und ihr Eifer zahlte sich aus. Denn am Ende
triumphierte die XR 1000 – nicht unbedingt in der Firmenkasse, aber
in den Herzen aller V-Twin-Fans und jedes Sammlers.
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