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MOTORRAD Classic 7/2014

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AUF ACHSE I<br />

Suzuki: RV 50 I RV 75 I RV 90 I RV 125<br />

Die Rechnung<br />

der RV 75 geht<br />

auf: kleine Räder<br />

plus größere<br />

Leistung ist<br />

gleich riesiger<br />

Fahrspaß<br />

1<br />

2<br />

Das spartanische Cockpit mit integriertem<br />

Zündschloss liefert nur die<br />

nötigsten Infos (1). Unter der hochklappbaren<br />

Sitzbank bunkern die<br />

mageren 3,5 Liter Benzin- und<br />

0,7 Liter Öl-Vorräte (2)<br />

Fahrer rutschen sicher automatisch etwas<br />

nach hinten auf der breiter werdenden,<br />

üppig gepolsterten Sitzbank. Der bei frühen<br />

Baujahren noch optionale, später (wie<br />

bei dieser) serienmäßige Gepäckträger<br />

hilft, die mögliche Zuladung von immerhin<br />

157 Kilogramm auszunutzen und das<br />

Gepäck unterzubringen. Als Zubehör ebenso<br />

erhältlich: Packtaschen, ein Einkaufskorb<br />

vorn über dem Scheinwerfer, ja sogar<br />

eine Frontscheibe, um vor dem „anstürmenden“<br />

Fahrtwind zu schützen. Markantestes<br />

Merkmal aber bleiben die Zehn-<br />

Zoll-Walzen, die je nach Einsatzzweck<br />

(Straße oder Gelände) vorn nach bescheidenen<br />

0,8 bar, hinten zwischen 0,8 (solo,<br />

Gelände) und stolzen 2,2 bar (mit Beifahrer,<br />

Straße) verlangen. Wie schnell sich<br />

dann die Stollen in Gummiabrieb auflösen,<br />

kann sich jeder selbst ausmalen.<br />

Meine Erinnerungen an die RV 50 in<br />

ihrer Blütezeit beschränken sich auf die<br />

Tatsache, dass Kumpel Ralf so eine besaß.<br />

Gefahren bin ich sie damals nie. Mit ihren<br />

Fahrleistungen löste sie in unserer Jugendzeit<br />

keine Begeisterungsstürme aus, obwohl<br />

sich die Topspeed der 50er um damals<br />

wichtige fünf bis zehn km/h auf immerhin<br />

rund 55 Sachen erhöhte, nachdem<br />

ihr Besitzer den Luftfilter entfernt hatte.<br />

Aber irgendwie fanden alle das Ding sympathisch.<br />

Vor allem, weil es das erste und<br />

einzige uns bekannte Zweirad war, das in<br />

Kurven mit den Reifen quietschte. Na ja,<br />

um ehrlich zu sein war es wohl nur ein<br />

leichtes Wimmern der breiten Walzen,<br />

aber es hörte sich für uns ungemein sportlich<br />

an. Gummiwutz nannten bald alle die<br />

kleine RV liebevoll, und der Begriff hat<br />

sich seither stellvertretend für alle auf<br />

breiten Walzen rollenden RVs eingeprägt.<br />

VanVan hieß sie zu Anfang (wie alle<br />

RVs) offiziell in Japan, also so etwas wie<br />

kleines Lastwägelchen, was ihren Charakter<br />

als kleines Nutzfahrzeug betonte. Die<br />

90er, die ich als Nächstes „erklimme“<br />

(Sitzhöhe lachhafte 770 Millimeter), rollte<br />

mit dem Namenszusatz „Rover“ zu den<br />

Händlern, was sich harmlos mit Wanderer,<br />

aber auch treffender mit Stromer oder<br />

Vagabund übersetzen lässt. Ihre Walzen<br />

wirken am imposantesten, messen sie<br />

doch ebenfalls nur zehn Zoll im Durchmesser,<br />

doch satte 6,70 Zoll in der Breite.<br />

Der (ebenso wie der 50er) membrangesteuerte<br />

Zweitakter reißt mit seinen 6,3<br />

PS immer noch keine Bäume aus, schöpft<br />

aber hubraumtechnisch schon aus dem<br />

Volleren und kommt mit noch weniger<br />

Drehzahl beim Anfahren und lässigen<br />

Bummeln aus. Wie überhaupt alle RVs<br />

nicht dem Ruf kreischender, hochdrehender<br />

Zweitakter Vorschub leisten, sondern<br />

mit ihrer Motorcharakteristik dem entspannenden<br />

Fahrerlebnis und dem Einsatzzweck<br />

entsprechen. Hatte ich schon<br />

erwähnt, wofür RV eigentlich steht? Für<br />

„Recreation Vehicle“, also sinngemäß für<br />

„Erholungs-“ oder „Freizeit-Gefährt“. Treffender<br />

könnte man es kaum benennen.<br />

Der etwas dumpfer dröhnende 90er-Motor<br />

geht so stressfrei und deutlich vibrationsärmer<br />

als der 50er zu Werke, dass der<br />

Erholungseffekt im Moment des Platznehmens<br />

auf der Sitzbank eintritt. Eigentlich<br />

müsste es die RV auf Rezept geben. Ich<br />

frage mal meinen Arzt oder Apotheker.<br />

Die 90er fällt nicht deutlich schwerer<br />

aus als die 50er, ihr Wendekreis ist mit<br />

2,10 Metern (RV 50: 1,70 m) fast genauso<br />

sensationell gering, dass man gefühlt auf<br />

dem Radweg wenden könnte – alles zusammen<br />

verleitet zum vorwitzigen Hakenschlagen<br />

im engen Gassengewirr, und<br />

man möchte spontan Slalom um die Bäume<br />

im angrenzenden Stadtpark fahren.<br />

Die anschließende Flucht vor den erzürnten<br />

Ordnungshütern wäre angesichts der<br />

mageren Topspeed von gut 80 km/h jedoch<br />

ziemlich aussichtslos. Für Geländeabenteuer<br />

war die RV übrigens zu Anfang<br />

sogar noch besser gerüstet, weil sie das<br />

Vorderradschutzblech Enduro-like hoch<br />

getragen hat, 1974 wurde es nach unten,<br />

direkt übers Vorderrad versetzt.<br />

Für unsere geplante Spritztour durchs<br />

benachbarte Hügelland brauchen wir weniger<br />

Geländetauglichkeit, als vielmehr<br />

Durchzugskraft am Berg. Da bin ich mit<br />

32 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 7/<strong>2014</strong> www.motorrad-classic.de

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