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SZENE I<br />
PS.Speicher Einbeck<br />
Vorratshaltung<br />
Im Fachwerkstädtchen Einbeck, in einem<br />
alten Kornhaus, hat eröffnet, was zum<br />
Mekka der deutschen Klassik-Szene werden<br />
könnte: der PS.Speicher.<br />
Text und Fotos von Fred Siemer<br />
Karl-Heinz Rehkopf (77),<br />
Sammler und Vorsitzender<br />
des Stiftungsrats Kornhaus<br />
Nicht im Verborgenen,<br />
aber durchaus mit Diskretion<br />
hatte ein Kaufmann<br />
aus dem südlichen<br />
Niedersachsen im Lauf der letzten<br />
60 Jahre die weltweit wohl größte Sammlung<br />
deutscher Motorräder zusammengetragen.<br />
Einige Drei- und Vierräder noch<br />
hinzugerechnet, lagerten in seinem Depot<br />
über 1000 meist fahrtüchtige Kraftfahrzeuge.<br />
Jede große Marke, ob BMW, NSU,<br />
Zündapp oder Wanderer, war mit einer<br />
repräsentativen Auswahl vertreten, bedeutende<br />
Exoten fehlten ebenso wenig<br />
wie populäre Massentransportmittel. Mit<br />
zunehmendem Alter begriff der Kaufmann,<br />
dass sein Vergnügen, diese Sammlung<br />
nämlich, von beträchtlicher historischer<br />
Bedeutung war, und er stellte sich<br />
der daraus entstandenen Verantwortung.<br />
Karl-Heinz Rehkopf, so heißt der Mann,<br />
beschloss, seinen Schatz für alle zu öffnen.<br />
Nur wo, denn die denkmalgeschützte<br />
ehemalige Tapetenfabrik, in der er ihn<br />
aufbewahrte, platzte längst aus allen<br />
Nähten. Da erreichte ihn die Kunde, just<br />
in seinem Wohnort Einbeck und unweit<br />
der Tapetenfabrik suche das alte Kornhaus<br />
nach neuer Verwendung. Ende des<br />
19. Jahrhunderts errichtet, überragt sein<br />
sechsstöckiger Lagerturm das winklige<br />
Fachwerk der Innenstadt, ein riesiges<br />
Außengelände eröffnet alle erdenklichen<br />
Möglichkeiten. Rehkopf konnte nicht<br />
widerstehen. Er kaufte den Speicher und<br />
gründete die Stiftung Kornhaus. Das war<br />
im Jahr 2009. Danach haben viele Leute<br />
viel geschuftet und manche viel investiert,<br />
und seit 23. Juli <strong>2014</strong> hat der PS.Speicher<br />
eröffnet – ein Märchen wurde wahr.<br />
Räder, die uns bewegen: Bereits das<br />
Motto der Ausstellung verdeutlicht, dass<br />
die Macher über den Tellerrand des rein<br />
Technischen blicken wollen. Natürlich<br />
stehen herrliche und mechanisch herausragende<br />
Motorräder zur Schau, aber<br />
wichtiger noch bleibt stets, was Motorräder<br />
mit den Menschen gemacht haben.<br />
Wozu sie ihnen dienten. Rehkopf selbst<br />
hat sich sein erstes Motorrad als Schüler<br />
eigenhändig verdient. Und noch heute<br />
schwärmt der mittlerweile 77-Jährige,<br />
wie sehr ihn diese 100er-Victoria von<br />
1936 beflügelte. So ging es allen, die dank<br />
RT 125, Quickly oder Schwalbe endlich,<br />
endlich halbwegs bequem zur Arbeit und<br />
ins Wochenende kommen konnten.<br />
Dadurch hat das Motorrad, vor und<br />
nach dem Krieg, in Deutschland gewiss<br />
seine größten Verdienste gesammelt, und<br />
die didaktisch hervorragende Ausstellung<br />
verdeutlicht das selbst jenen, die erst in<br />
den bunten 70ern zum Kraftrad kamen.<br />
Von den Anfängen mit schwachbrüstigen<br />
Motoren und wackeligen Fahrradrahmen<br />
im sechsten Stock geht es abwärts bis zur<br />
26 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 7/<strong>2014</strong> www.motorrad-classic.de