14NationalparkHamburgischesWattenmeer –blühende Salzwiesenauf NeuwerkWildnis <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>Was stellt man sich unter dem Begriff „Wildnis“vor ? Ist der Begriff für den Menschen anziehendoder eher abschreckend ? Aus der Sicht des Naturschutzeswird der Begriff »Wildnis« mit der Verwaltungderjenigen Gebiete gleichgesetzt, die e<strong>in</strong>ernatürlichen Entwicklung ohne menschliche E<strong>in</strong>griffeüberlassen werden müssen. Im Bereich derSchutzgebiete wird der Begriff „Wildnis / Wilderness“eng mit der Managementkategorie 1b derIUCN – Wildnisbereich (Wilderness area) – verbunden.Die Grundidee und der Begriff dieserKategorie stellen Schutz und Management größererNatur- und Naturschutzgebiete <strong>in</strong> den Vordergrund,die deren Gegenwartszustand ohnemenschlichen E<strong>in</strong>griff zu erhalten versuchen.Gibt es <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> überhaupt noch solche natürlicherhaltene und e<strong>in</strong>er ungestörten natürlichen Entwicklungüberlassene Gebiete ? Stellt man sich dieWildnis eng begrenzt als tatsächlich unberührteNaturgebiete vor, dann kann man <strong>in</strong>nerhalb <strong>Europa</strong>s,mit der Ausnahme Skand<strong>in</strong>aviens und desHochgebirges <strong>in</strong> den Alpen, kaum noch welche f<strong>in</strong>den.Da aber die Wildnisgebiete heute immer öfterauch mit Schutzgebieten gleichgesetzt werden, <strong>in</strong>denen es ke<strong>in</strong>e menschlichen E<strong>in</strong>griffe gibt und wodie Natur den ungestörten natürlichen Prozessenüberlassen wird, kann behauptet werden, dass wirdie Wildnis auch <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> haben. Das Managementdieser Schutzgebiete ist e<strong>in</strong>e Herausforderungfür Fachkräfte und Politik am Anfang desdritten Jahrtausends. Sehen wir uns an, warum.
In den letzten zehn <strong>Jahre</strong>n wurde <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> vermehrtfestgestellt, dass die existierenden Schutzgebiete(Parks) und die Natura-2000-Gebiete e<strong>in</strong>außerordentliches ökologisches Netzwerk darstellen,dass aber für die Erhaltung des gegenwärtigenZustands hohe Investitionen nötig s<strong>in</strong>d. Andererseitszeigen die Verhältnisse im neuen <strong>Europa</strong>, <strong>in</strong>dem immer mehr Staaten mit e<strong>in</strong>ander verbundenwerden, dass es hier Natur gebiete gibt, die ohnemenschliches Zutun außerordentlich gut erhaltens<strong>in</strong>d. Die Erhaltung solcher Zustände bedürfenke<strong>in</strong>er Investitionen <strong>in</strong> Form menschlicher E<strong>in</strong>griffe,sondern nur e<strong>in</strong>er bewussten Entscheidung,Das neue Verständnis von Wildnis unddas Management ohne menschliche E<strong>in</strong>griffebr<strong>in</strong>gen zwei klare Ziele mit sich : Schutz undErhaltung der ganzheitlichen Ökosysteme undSicherstellung der natürlichen Prozesse dar<strong>in</strong>.dass diese Naturgebiete e<strong>in</strong>er ungestörten natürlichenEntwicklung überlassen werden müssen. Dadurchkann aus Sicht des Naturschutzes auch <strong>in</strong><strong>Europa</strong> e<strong>in</strong> Mehrwert gewonnen werden, nämlichdie Wildniszonen.Die natürlichen Ökosysteme können abgeschlosseneE<strong>in</strong>heiten se<strong>in</strong>, die ohne menschlicheE<strong>in</strong>griffe funktionieren. Fragen, ob es <strong>in</strong>nerhalb<strong>Europa</strong>s überhaupt solche Wildnisgebiete gibt unddie Prüfung der Managementgerechtigkeit, zielennicht auf die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er neuen Kategorievon Schutzgebieten. Es muss aber e<strong>in</strong> Kriterienrahmenfestgesetzt werden, <strong>in</strong>nerhalb dessen dieWildniszonen bestimmt werden können. Wennwir das europäische Verständnis der Wildnis mitden IUCN-Managementkategorien verb<strong>in</strong>den,stellen wir fest, dass die Wildnis e<strong>in</strong> Naturgebiet <strong>in</strong>der Regel ohne menschliche E<strong>in</strong>griffe ist, wo dieManagementziele der IUCN-Kategorien Ib und IIzusammenstoßen.Vision, Herausforderungen –Realität<strong>Europa</strong> hat e<strong>in</strong>e klare Vision, e<strong>in</strong> Netzwerk derWildnis-Schutzgebiete (Parks und Natura 2000)zu entwickeln und auf die Wichtigkeit des Schutzesund der Erhaltung der Wildniszonen aufmerksamzu machen, die im S<strong>in</strong>ne des Naturschutzes zuden wichtigsten europäischen Kronjuwelender Natur gehören. Es ist e<strong>in</strong>e fachliche Herausforderungzu überprüfen, wie das Modell „ohneInterventionen“, bzw. wie e<strong>in</strong> Wildnismodell dieNaturschutzpr<strong>in</strong>zipien von Natura 2000 bee<strong>in</strong>flusst.Wir wissen bereits, dass e<strong>in</strong>ige Gebiete <strong>in</strong>nerhalbNatura 2000 Wildnischarakter haben,mehrere Gebiete benötigen aber aktiven Schutzund Maßnahmen des Menschen für die Entwicklunge<strong>in</strong>es als gut zu bezeichnenden Zustands. DieHerausforderung der Inkraftsetzung des Wildniskonzeptesist besonders bei Verb<strong>in</strong>dungen undbeim Management grenzüberschreitender Schutzgebietevorhanden.In der letzten Zeit wurden e<strong>in</strong>ige Tagungenzum Thema Wildnis, bzw. „ohne Interventionen“,und Management der Schutzgebiete organisiert. Eswurde festgestellt, dass wir uns bei der E<strong>in</strong> führungdes neuen Wildniskonzepts <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> nicht erstam Anfang des Prozesses bef<strong>in</strong>den, sondern bereitsmitten dr<strong>in</strong>. Quer über <strong>Europa</strong> – von der Pyrenäenhalb<strong>in</strong>selbis nach Skand<strong>in</strong>avien, vom entwickeltenNordeuropa über die Alpen und Karpaten biszum Balkan – können Beispiele guter Praxis undguten Managements der Schutzgebiete ohnemenschliche E<strong>in</strong>griffe gefunden werden. Das Wildniskonzeptkann zwar widersprüchlich mit demaktiven Management der Gebiete unter Natura2000 se<strong>in</strong>, zugleich aber auch diesem entsprechen –abhängig von den Habitattypen und dem Zustand,die eigentlich den Grund zur Bestimmung e<strong>in</strong>esNatura-2000-Gebiets darstellten.Wildnis <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> ist also Realität. Die europäische„Wildnis-Initiative“ wird von allen wichtigenNatur schutzorganisationen, wie z. B. IUCN,WWF, <strong>EUROPARC</strong>, Eurosite, PAN Parks undauch von zahlreichen Verwaltern der Schutzgebieteunterstützt. Die EU und die EuropäischeKommission fordern die Mitgliedstaaten auf, sofortaktiv zu werden und Maß nahmen für denSchutz der letzten großen europäischen Naturgebieteoder -habitate zu realisieren, <strong>in</strong> denen dasneue euro päische Konzept der Wildnis ohnemenschliche E<strong>in</strong>griffe durchgesetzt werden kann.In der Geschichte gab es immer außergewöhnlicheIdeen, die Realität wurden. Diese waren oftGrundste<strong>in</strong> für die gesellschaftliche Entwicklung.Die Wildnis<strong>in</strong>itiative kann zu e<strong>in</strong>em Meilenste<strong>in</strong><strong>in</strong> der Naturschutzbewegung, -politik und -arbeitwerden und das Fortbestehen unserer Erde fürkünftige Generationen sichern.Mag. Mart<strong>in</strong> ŠolarNationalpark Triglav, Slowenien15