10.07.2015 Aufrufe

100 Jahre Nationalparks in Europa - EUROPARC Deutschland eV

100 Jahre Nationalparks in Europa - EUROPARC Deutschland eV

100 Jahre Nationalparks in Europa - EUROPARC Deutschland eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Licht- und Schattenseiten imNationalparkVor diesem H<strong>in</strong>tergrund und im H<strong>in</strong>blick auf den„Genius loci“ ist es angebracht, bei diesem Jubiläumauch e<strong>in</strong>e Beurteilung unseres „Liebl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong>des“Nationalpark Bayerischer Wald zu versuchen.Wir Alten, die vor 40 <strong>Jahre</strong>n die Schaffung des<strong>Nationalparks</strong> betrieben haben, sahen es als diegrößte Aufgabe an, die Flächen zu sichern – derenAusgestaltung sollten die folgenden Generationenübernehmen. Das hat im Altpark bestens funktioniertund die Formel „Natur Natur se<strong>in</strong> lassen“ vonHans Bibelriether hat Geschichte geschrieben. Siehat sich auch dann bewährt, als Waldsterben undBorkenkäfer den Fichtenwald aus den Hochlagenverdrängt haben und als e<strong>in</strong>e wundervolle vielfältigeWaldnatur nachkam, und zwar viel schnellerals wir allesamt dachten. Wer sich e<strong>in</strong>mal vom derzeitigenLeiter des <strong>Nationalparks</strong>, Karl FriedrichS<strong>in</strong>ner, durch diese Fülle von Biodiversität führenund begeistern lässt, wird die Dynamik und Stärkedes neuen Waldes spüren. Das ist zwar nicht mehrder „Hochwald“ des Adalbert Stifter, aber das neueund ewig wandelnde Waldwesen ist nicht wenigergeheimnisvoll.Anstatt herkömmlicher Forstwirtschaft braucht es<strong>in</strong> solchen Vorranggebieten e<strong>in</strong>e neue Ges<strong>in</strong>nung.Es braucht die Achtung vor dem Waldwesen, esbraucht ke<strong>in</strong>e Pläne, ke<strong>in</strong>e Wissenschaftler, auchke<strong>in</strong>e Naturschützer. Es braucht demütige Menschen,die zuschauen und warten können. <strong>Nationalparks</strong>s<strong>in</strong>d mehr als Naturschutzgebiete, sie s<strong>in</strong>ddie Heiligtümer unserer Heimat, sie s<strong>in</strong>d Seelenschutzgebiete,s<strong>in</strong>d Er<strong>in</strong>nerungen an das Paradies,s<strong>in</strong>d die Landschaften, aus denen unsere Hoffnungenund Träume erwachsen. Haben wir also „Ehrfurchtvor dem Lebendigen“ (Albert Schweitzer),haben wir „Respekt vor der Schöpfung“ und vorallem mehr Mut zur Wildnis.Wildnis hat ja offensichtlich über alle Schrankenh<strong>in</strong>weg Konjunktur. Sie ist e<strong>in</strong> Marktfaktor geworden.Naturromantik, Outdoor-Drang und dasWaldwesen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unser neuzeitliches Vokabularzurückgekehrt. Der Wald ist wieder als mystischerOrt im Gespräch, und es hat den Ansche<strong>in</strong>, dasssich mancher Internet-Surfer sehr gerne <strong>in</strong> die grünenLabyr<strong>in</strong>the der Wirklichkeit und <strong>in</strong> die Tiefender Seele zurücksehnt.Lange hat es gedauert, bis die Wildnis-Debattedie atlantische Verzögerung, den Sprung über denOzean, geschafft hat. Denn dort ist die Diskussionschon vor über e<strong>in</strong>em halben Jahrhundert gelaufen.Aldo Leopold (1887 – 1948) hat diese Philosophieauf den noch immer gültigen Nenner gebracht :„Wildnis ist e<strong>in</strong>e Absage an die Arroganz desMenschen.“ In diesem S<strong>in</strong>ne plädiere ich für mehrMut zur Wildnis. Lassen wir e<strong>in</strong> paar Wäldernund Fluren ihre Freiheit, haben wir den Mut zumNichtstun und br<strong>in</strong>gen wir als Forstleute oderLandschaftsplaner die Kraft zur E<strong>in</strong>sicht auf, dassuns die Natur überhaupt nicht braucht. Zum<strong>in</strong>destnicht <strong>in</strong> unseren <strong>Nationalparks</strong>.Und auch daran werden wir uns gewöhnenmüssen, dass der „Hochwald“ Adalbert Stifters alse<strong>in</strong> Stück Hochkultur deutscher Sprache zwar <strong>in</strong>allen Bibliotheken stehen wird, aber nicht mehr amDreisessel und über der Moldau : „(…) westlichblauet Forst an Forst <strong>in</strong> angenehmer Färbung (…)Es wohnet unsäglich viel Liebes und Wehmütiges<strong>in</strong> diesem Anblicke“, hat Stifter geschwärmt.Doch auch unsere Sehnsüchte und unsereTräume unterliegen dem Wandel der Zeiten unddem Wandel des Klimas. Ke<strong>in</strong>er kann den Hochwaldheute so beschreiben wie ihn Adalbert Stiftererlebt hat.Fragen über Fragen tun sich auf, alte Welten,liebgewordene Gewohnheiten, herkömmlichesDenken stehen zur Disposition. Neue Welten, unbekanntePerspektiven, e<strong>in</strong>e offene Zukunft liegenvor uns. Wie können wir sie bewältigen, auf welcheKrisen müssen wir uns noch e<strong>in</strong>stellen, welcheChancen bieten die offenen Fenster der Zeit : Eswird e<strong>in</strong>e spannende Zeit !Hubert We<strong>in</strong>zierlDeutscher Naturschutzr<strong>in</strong>g (DNR)21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!