SEKTION ST. GALLEN«Unsere KMU brauchen Praktiker»«Mit dem neuen Ausbildungszentrumkann sich die SWISSME-CHANIC-Sektion St. Gallen-Appenzellgut präsentieren», istPräsident Hanspeter Scheuüberzeugt. Vor allem der Erhaltdes Praxisbezugs liegt ihm amHerzen, betont er im Interview.Die Sektion wolle sich darüberhinausvermehrt auf politischerEbene für weniger Bürokratieund für die Interessen derexportorientierten KMU ein -setzen.SWISSMECHANIC: Wie präsentiert sich diewirtschaftliche Situation ihrer Mitgliederunternehmenim laufenden Geschäftsjahr?Hanspeter Scheu: Sehr viele unserer Mitgliedersind im Formenbau tätig. Sie haben nach denSommerferien einen massiven Einbruch erlitten.Wir sprechen von mindestens 50 Prozentweniger Aufträgen. Gesamthaft kann man sagen,dass die Auftragslage für die Hälfte derVerbandsmitglieder schlecht ist, für 30 Prozentgut und für die restlichen 20 Prozent durchzogen.Dies ist eine herausfordernde Situation,die in vielen Betrieben an die Substanz gehtund die Liquidität arg in Mitleidenschaft zieht.Wie ist die Stimmung mit Blick auf die nähereZukunft?Wir hoffen, dass sich die Situation im Laufe desnächsten Jahres ändern wird. Momentan sindviele Unternehmen zurückhaltend, was Investitionenanbelangt, und das wirkt sich auf verschiedeneLieferanten und Hersteller vonWerkzeugmaschinen aus. Unsere <strong>Swissmechanic</strong>-Mitgliederbemühen sich, möglichst wenigKnowhow zu verlieren, indem sie versuchen,mit Kurzarbeit die Flaute zu überbrücken stattMitarbeitende zu entlassen.Was für Unternehmen gehören der SektionSt. Gallen-Appenzell an?Die meisten unserer Mitgliederfirmen beschäftigenzwischen 7 bis 60 Mitarbeitende, wenigesind grösser. Die uns angeschlossenen Firmensind stark exportabhängig, viele sind direktoder indirekt für die Autoindustrie oder derenZulieferer sowie für Maschinenhersteller tätig.Rund 80 Prozent unserer Betriebe arbeiten inden Bereichen Produktion und Formenbau. DieOstschweiz gilt ja als Mekka der Formenbauer.Wie sind die Mitglieder geografisch verteilt?Die Mehrheit der Betriebe befinden sich im St.Galler Rheintal sowie im Raum Rorschach-St. Gallen-Wil. Weitere sind im Toggenburg undim Raum Uznach-Rapperswil tätig.St. Gallen-Appenzell gehört zu dengrössten SWISSMECHANIC-Sektionen derSchweiz. Was heisst das?Unser Einzugsgebiet liegt etwas am Rand derSchweiz. Darum mussten wir uns oft selber helfen,eigene Strukturen aufbauen, die nicht immerganz den Vorstellungen des Dachverbandesentsprechen. Im Vergleich zu den Sektionenvon Bern und Zürich, die auch grosseUnternehmen zu ihren Mitgliedern zählen, habenwir als kleinindustriell strukturierte Sektionandere Bedürfnisse. Dementsprechend istunser Ausbildungszentrum organisiert. Wir betreibenschon lange eines der grössten undmodernsten Bildungsstätten der Schweiz. Alserste Sektion wurde bei uns die CNC-Technikeingeführt.Welche weiteren Aktivitäten betreibt dieSektion St. Gallen-Appenzell?Im Vordergrund steht die obligatorischeGrundbildung, die wir betriebsgerecht gestalten.Hier wollen wir auf dem heutigen Standder Technik bleiben, den Anschluss an die Modernenicht verlieren. Darüberhinaus animierenwir bestehende wie neu angesiedelte Betriebe,sich in der Ausbildung zu engagieren. Im14 SWISSMECHANIC <strong>11</strong>/<strong>2009</strong>
SEKTION ST. GALLENZur PersonHanspeter Scheu ist seit 2004 Präsidentder SWISSMECHANIC-Sektion St. Gallen-Appenzell und gleichzeitig auch Bildungsobmann.Als Angestellter der Sektion verwendeter sein 80-Prozent-Pensum für strategischeFührungsaufgaben und gibt teilzeitlichauch Unterricht. Mit dem väterlichenBetrieb, einem Formenbaubetrieb inEbnat-Kappel mit 28 Mitarbeitenden, istHanspeter Scheu als Verwaltungsrat nachwie vor verbunden. In seiner Freizeit unternimmtder 57jährige mit seiner Partneringerne Ausflüge in die Natur, sei es zu Fussoder mit dem Bike. Er bereist gerne fremdeLänder und verbringt wenn immer möglichZeit mit seinen vier erwachsenen Söhnenund den zwei Enkeln.Fokus unserer Bemühungen stehen die Erhöhungder Mitgliederzahlen sowie die Pflege derKontakte zur Politik.Die zwei bisherigen Ausbildungszentrenwurden im Sommer an einem neuenStandort in St. Gallen zusammengeführt:Was hat den Ausschlag dafür gegeben?Obwohl die Wege für einige Kursteilnehmendenje nach Lehr- oder Wohnort länger werden,war eine Zusammenlegung notwendig. Unserepersonellen Ressourcen reichten nicht mehraus, um die zwei Zentren in Wattwil und St.Gallen auf die Dauer effizient zu betreiben unddie Stellvertretungen beispielsweise im Krankheitsfalle,sinnvoll zu regeln. Hinzu kam, dassuns die Räumlichkeiten in St. Gallen durch denVermieter gekündigt wurden und wir dringendeine neue Lösung finden mussten.Sinkende Schülerzahlen und ein absehbarerMangel an jungen Fachkräften werdenin wenigen Jahren erwartet: Wie habendiese Faktoren die Einrichtung des neuenAusbildungszentrums mitbestimmt?Die Zahl der Ausbildungsplätze ist gleich geblieben.Neu verfügen wir über zwei grosseTheorieräume und für die Administration kannjetzt der längst notwendige Platz zur Verfügunggestellt werden. Wir rechneten aufgrundverschiedener Prognosen für das laufende Jahrmit einem 10 bis 15 %igen Rückgang derSchulabgängerzahlen. Diese Prognose ist abernicht eingetroffen darum sind wir nach wir vorgut ausgelastet. Falls die Zahlen künftig leichtzurückgehen sollten, werden wir die freiwerdendenKapazitäten der Ausbildner vor allemdafür nutzen, neue Schulungsunterlagen undLehrmittel zu erarbeiten, um die Qualität derAusbildung zu steigern.Aber die Mitgliederbetriebe werden beimnächsten Aufschwung bestimmt wiedermehr Nachwuchs brauchen.Das glaube ich schon, doch es kann durchaussein, dass eine Verschiebung von der vier- aufdie dreijährigen Ausbildungen eintritt. DieLehrabgänger aus den vierjährigen Ausbildungenbleiben den Betrieben erfahrungsgemässweniger erhalten. In unserem Einzugsgebietkonnten wir sogar einen massiven Anstieg derzweijährigen Ausbildungen beobachten. In dieserSparte führen wir momentan drei Klassen.Wir hoffen, unsere Investitionen in dieses neueZentrum in den nächsten Jahren zu amortisierenund die neue Einrichtung so zu konsolidieren,dass wir für einen späteren Anstieg derLehrlingszahlen gerüstet sind.Wie stark haben sich Politik und Behördenbisher am neuen Ausbildungszentruminteressiert?Mit dem Besuch unseres Regierungsrates, StefanKölliker, dem Stadtpräsidenten von St. Gallen,Thomas Scheitlin, und dem Leiter Amt fürBerufsbildung, Ruedi Giezendanner, konntenwir einen Achtungserfolg verbuchen. Auch inder Presse erhielten wir durchwegs positiveKritik.Es gehört denn auch zu meiner vorrangigenAufgabe, die Kontakte zur Politik zu pflegen. Imneuen Zentrum können wir uns gut präsentierenund hatten bereits diverse Gremien zu Besuchenempfangen, etwa die Wirtschaftskommissiondes Grossen Rates des Kantons St. Gallen.Unser Ziel ist es hier noch vermehrt PR zubetreiben.Was liegt Ihnen in der Berufsbildung amHerzen?Vor allem der Praxisbezug darf nicht verlorengehen. Es ist sehr gefährlich, wenn man beginntzu theoretisieren. Unsere KMU brauchenvor allem Praktiker. Der Praxisbezug ist zwingendfür eine solide Grundbildung in unserenBerufen, dem wollen wir Sorge tragen.Mit der bestehenden Berufsbildungsorganisationist diese Gefahr ja praktisch gebannt.Auf der schweizerischen Ebene kann ich in derBildungspolitik für unseren Beruf mitreden,zum einen als Mitglied des Verbandsrates inder Dachorganisation, zum anderen als Präsidentder Bildungsobmänner der Sektionen.Darüber hinaus gehöre ich der SchweizerischenKommission für Berufsentwicklung undQualität (SKOBEQ) an, der obersten Aufsichtskommissionder MEM-Berufe, die den Bildungsplanmitbestimmt und allenfalls Ergänzungeneinbringt.Wie sehen Sie die politische Rolle IhrerSektion?Wir setzen uns gegen eine überbordende Bürokratieein. Ebenso wollen wir in der breitenÖffentlichkeit noch vermehrt hervorheben,dass die Branche der KMU gerade in rezessivenPhasen erfahrungsgemäss stabiler ist und mitihrer Mitarbeiterpolitik dazu beiträgt, die Arbeitslosenrateniedrig zu halten. Unsere Brancheist in den Parlamenten, nicht nur kantonal,auch national, leider noch sehr schwach vertreten.Die Kontakte und die Zusammenarbeit mitdem Gewerbeverband wird gepflegt und genutzt,um unsere Interessen zu vertreten. Übersolche und andere Partner holen wir Unterstützung,um für gemeinsame Anliegen zukämpfen.Interview: Martin SinzigSWISSMECHANIC <strong>11</strong>/<strong>2009</strong>15