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11_2009 - Swissmechanic

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SOZIALESArbeitsorganisatorische GefährdungenDr. Peter Meier, Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitsbedingungen, 8090 ZürichArbeitsorganisatorische Gefährdungenexistieren in allen Branchen,sind jedoch besonders aktuellin Dienstleistungsbetrieben.Die Anzahl dieser Betriebeist im Zunehmen begriffen, wieallgemein bekannt ist. Die nachfolgendeAufzählung ist nichtabschliessend, aber die ausgewähltenarbeitsorganisatorischenGefährdungen stehen zuoberstauf der Hitliste. Es sindim Wesentlichen die Folgenden:«Flexibilisierung» der Arbeitszeiten,neue physische Risiken,Muskel- und Skeletterkrankungen,Mobbing, Stress, Burnout,falsche Ernährung und Gewaltam Arbeitsplatz.1. Spannungsfeld modernerArbeitszeitgestaltungBetriebsbesuche der Kantonalen Arbeitsinspektoratezeigen klar eine Tendenz: Die gesetzlichenArbeitszeitvorschriften sind bei Kaderund Mitarbeitenden vielfach unbekannt.Obwohl die Arbeitszeitaufzeichnung gesetzlichvorgeschrieben ist, verschwinden Stempeluhrenund Stempelkarten immer mehr, Arbeitszeitenwerden «flexibilisiert». Eine Vermutungaber bleibt: Übermüdete Mitarbeitende «produzieren»mehr Arbeitsunfälle als erholte. Deshalbist die Einhaltung der für die Betriebe minimalvorgeschriebenen gesetzlichen Arbeitszeitvorschriftennicht nur Pflicht, sondern präventivesElement eines Betriebskonzepts füreffiziente Arbeitssicherheit sowie nachhaltigenGesundheitsschutz und bedeutet auch Präventiongegen Stress und Burnout. Dazu spätermehr.Auch die steigende Zahl atypischer Arbeitsverhältnisseist beeindruckend. Sie weichen in eineroder mehreren Eigenschaften vom herkömmlichenArbeitsverhältnis ab. Viele dieserBeschäftigungsformen sind nicht neu, sondernexistieren als atypische Erwerbsformen schonseit längerem. Neu ist jedoch die zahlenmässigeZunahme und neu ist vermutlich auch, dassverschiedene atypische Erwerbsformen immerhäufiger miteinander kombiniert oder nebeneinanderausgeübt werden.Trotzdem haben Öffentlichkeit, Politik und Arbeitsrechtnoch immer hauptsächlich das Normalarbeitsverhältnisim Auge, wenn es um Erwerbsarbeitgeht. Das ist sachlich nicht mehrgerechtfertigt angesichts der neuen Arbeitswelten,in der teilzeitlich, befristet, nur gelegentlich,mobil, flexibel, auf Abruf, dezentral,temporär, international, in der Nacht und amSonntag, an immer wieder neuen Arbeitsplätzenzu immer wieder anderen Arbeitszeiten,mit variablem und zunehmend leistungsorientiertemLohn, als free lancer oder in Scheinselbständigkeitgearbeitet wird.Flexibilisierung durch Auslagerungaus dem ArbeitsrechtDort wo den Vertragsparteien, insbesonderenatürlich den Arbeitgebenden, die arbeitsrechtlichenEinengungen der Gestaltungsfreiheitzu stark sind, wird zum Teil versucht, diesemZwang zu entgehen, indem die Leistungvon abhängiger Arbeit nicht mit einem Arbeitsvertrag,sondern im Rahmen eines fürSelbständigerwerbende typischen Dienstleistungsvertrags(insbesondere dem Auftrag,Werkvertrag und den Innominatkontrakten)vereinbart wird. Das ist dann problematisch,wenn die dienstleistende Person zum Dienstleistungsempfängerin ähnlicher oder gargleich starker Abhängigkeit steht wie Arbeitnehmende(so genannte Scheinselbständigkeit).Damit kann allein durch Wahl des Vertragstypusder gesetzliche Sozialschutz unterlaufenwerden, den der Gesetzgeber mit demErlass des Arbeitsrechts für Arbeitnehmendegarantieren wollte. Die Flexibilisierung abhängigerErwerbsarbeit durch Auslagerung ausdem Arbeitsvertrag in die selbständige Erwerbstätigkeitkann also einer Flucht aus demArbeitsrecht gleichkommen. Diese flexibilisiertenArbeitsformen sind auch anfälliger für vermehrteBerufsunfälle und vernachlässigten Gesundheitsschutz.2. Neue physische RisikenAufgrund des Einflusses von neuen Technologienund des Wandels der wirtschaftlichen, sozialenund demografischen Bedingungen istdie Arbeitsumgebung ständigen Veränderungenunterworfen. Mit diesem Wandel tretenneue Risiken auf, die im Folgenden kurz beleuchtetwerden und viel mit Arbeitsorganisationzu tun haben. Die zehn wichtigsten in einerErhebung herausgestellten neu auftretendenphysischen Risiken sind: Mangelnde körperlicheTätigkeit, Zusammentreffen vonVibrationen und ungünstigen Arbeitshaltungen,mangelndes Gefahrenbewusstsein bei Arbeitnehmendengruppenmit niedrigem sozialemStatus, die ungünstigen thermischen Arbeitsbedingungenausgesetzt sind, multifaktorielleRisiken, Zusammentreffen von Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychosozialen Risikofaktoren,thermisches Unbehagen am Arbeitsplatz,Zusammentreffen von manuellerArbeit mit Vibrationen, Komplexität der neuenTechnologien, der Arbeitsprozesse und derMensch-Maschine-Schnittstellen, ungenügenderSchutz von Hochrisikogruppen gegen langandauernde Risiken und die allgemeine Zunahmeder Gefährdung durch ultravioletteStrahlen.Mangelnde körperliche TätigkeitAls Ursachen wurden erkannt: die zunehmendeVerwendung von Bildschirmgerätenund automatisierten Systemen, was ein langesSitzen am Arbeitsplatz zur Folge hat sowie dieZunahme der Zeit, die auf Dienstreisen sitzendverbracht wird. Arbeitsplätze, die ein langesStehen erforderlich machen, sind jedoch auchproblematisch. Die gesundheitlichen Auswirkungenumfassen Muskel-Skelett-Erkrankun g-en der oberen Gliedmassen und des Rückens,Krampfadern und Thrombosen der tief liegendenVenen, Fettleibigkeit und verschiedene Artenvon Krebs.Zusammentreffen vonMuskel-Skelett-Erkrankungen undpsychosozialen RisikofaktorenWie sich gezeigt hat, werden die Auswirkungenvon physischen Risikofaktoren durch ungünstigepsychosoziale Aspekte verstärkt, waszu einem Zunehmen der Inzidenz von Muskel-Skelett-Erkrankungen beiträgt. Die Fachliteraturbetont vor allem die Rolle von Bildschirmarbeit,Tätigkeit in Callcentern und im Gesundheitssektor.Die psychosozialen Faktoren, dieerwähnt wurden, sind zu hohe oder zu niedrigeAnforderungen am Arbeitsplatz, komplexe Aufgabenstellungen,starker Zeitdruck, geringerEntscheidungsspielraum, geringe Kontrolleüber die eigene Arbeit und unzureichendeUnterstützung durch die Kollegen, Arbeits platzunsicherheit und Mobbing.Komplexität der neuen Technologienund der Mensch-Maschine-SchnittstellenDie unangemessene Gestaltung von Arbeitsplätzen,wie z. B. eine schlechte ergonomischeKonzeption der Mensch-Maschine-Schnitt s-telle, erhöht den psychischen und emotionalenStress der Arbeitnehmenden und damit das Unfallrisikound das Auftreten von Fehlleistungen.SWISSMECHANIC <strong>11</strong>/<strong>2009</strong>45

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