— 60 —Einzigartig waren die Versuche und die Erfolgeder Briider Wright mit ihrem Liegegleiter (Fig. 5).Sie wollten eine moglichst groBe Labilitat ihresGleiters erreichen und gingen deshalb von vornhereindarauf aus, lidgend ihre Gleiter zu steuern. Sie konntendadurch eine graere Beweglichkeit ihrer Arme erreichenund daher mit der Hand ein vor die F15,chendes Doppeldeckers vorgebautes HOhensteuer betatigen.Das wichtigste ist aber, daB sie dem Vogeldie Verwindbarkeit des Fliigeis absahen und inauBerordentlich sinnreicher Art eine Verwindungseinrichtungfur ihren- Doppeldecker konstruierten.Diese, dutch seitliches Verschieben des auf einemSchlitten gelagerten Korpers betatigt, bewirkte eineSicherheit mad Wirksamkeit der Quersteuerung, wiesie dutch keine andere Einrichtung nachher iibertroffenwurde, die dazu dienen sollte, daB von Wrightpatentierte Verwindungssystem zu umgehen. DieErforschung der Seitensteuerung in Verbindung mitder Verwindung ist in der von mir iibersetzten Darstellungvon Wilbur Wright im „Flugsport" an derbereits angefiihrten Stelle verOffentlicht worden. Esist bemerkenswert, d'al3 bei den Versuchen der Briider'Wright sich niemals ein Unfall ereignet hat, obwohlsie Hunderte von Fliigen ausgefiihrt haben und dabeisogar im Jahre 1911 (Oktober) Orville Wright einenGleitflug von 10 Minuten Dauer vollbrachte, wobeier tiler 1 Minute an derselben Stelle in der Luft stehenblieb. Leider wurden in neuerer Zeit noch keinedahingehenden Untersuchungen gemacht, festzustellen,inwiefern beim Liegegleiter die Steuerung gegeniiberdem Hangegleiter erleichtert ist.-2. Flugzeugahnliehe Segeigleiter.Die Gruppe der flugzeugahnlichen Segeigleiter,d. h. der mit einer volikommenen Steuerung (Seiten-,HOhen- und Quersteuerung) ausgeriisteten Gleiter,die miter Umstanden auch vorithergehend, in derLage sind, dutch Ausnutzung von Men zu segebi, istauBerordentlich groB und weist die verschiedenstenBauarten auf. Wir kOnnen dabei zwei Untergruppenerkennen, namlich die sog. Sitzgleiter (ohne Rumpf)and Rumpfgleiter.Die Sitzgleiter stellen in gewisser Beziehung eineeinfachere Bauart der Rumpfgleiter dar — reinairBerlich betrachtet. Tatsachlich sind sie abet dochprinzipiell von ihnen zu unterscheiden. Wir mUssenbeim Gleit- und Segelflugzeugbau auf denkbar geringesGewicht hinarbeiten, wogegen — umgekehrtwie beim Motorflugzeugbau — die Verminderung desLuftwiderstandes keine so groBe Rolle spielt, da essich bier um verhaltnismallig geringe Geschwindigkeiten(10-15 m in der Sekunde) handelt (gegen40-65 m/sec. beim Motorflugzeug).Den ersten Sitzgleiter diirften wohl die BriiderWright 1901 oder 1902 nach den mit ihren Liegegleiterngesammelten Erfahrungen gebaut haben.Der Sitzgleiter hatte genau dieselbe Form, die, miteinem Motor ausgeriistet, das erste Motorflugzeugder Welt darstellte, indem mit ihm am 17. Dezember1903 vier Motorfliige ausgefiihrt warden. Es ist interessantfestzustellen, daB auch nach diesen MotorflUgennoch bis zum Jahre 1907 Gleitflugversuchevon den Briidern Wright ausgefiihrt wurden!
— 62 —Diese Versuche sind zweifellos von gioBem EinfluBauf die Arbeiten van E. Offermann in Seffentb. Aachen gewesen, der seit 1908 mit SitzgleiternVersuche machte. Er hat dariiber im „Flugsport"1920 Heft 22 interessante Veroffentlichimgen gemacht,auf die ndher einzugehen wir uns hier durchdiesen Hinweis ersparen konnen. Die dort abgebildetezweite Doppeldeckerbauart gleicht dem Doppeldeckerder Brilder Wright auBerordentlich, vor allemauch, was die Verwindungseinrichtung der Fliigelao-Fig. 19. Kiinstlicher Hugel von 12 m rlohe mit Fallgewicht timMittelschacht) als Startvorrichtung fiir Gleitflugzeuge. (Mach„Flugsport".)anbetrifft. Hier hat Offermann eine sehr nette LOsungausgefiihrt. Er konnte jedoch an seinem Flugzeugauch den Anstellwinkel wahrend des Fluges verandern.Besonders erwahnenswert ist aber der vonihm angelegte kfinstliche Hiigel mit Startvorrichtungen,den wir auf Fig. 19 (nach „Flugsport")wiedergeben. Man sieht, daB auch das von denBriidern Wright damals fur ihre Motorflugzeuge beider Startvorrichtung verwendete Fallgewicht hier ingut geloster Weise zur Anwendung kara. Offermanngebiihrt mit diesen Vers -uchen ein Platz in der Reihe0— 63 —der Pioniere des deutschen Gleit- and Segelflugwesens.Auch die Flugsportvereinigung Darmstadt,der von jeher eine groBe Anzahl von Studierenden derdortigen Technischen Hochschule angehorte, verdientunter die Vorkampfer dieser Bewegung gerechnet zuwerden. Wie wir spater sehen werden, sind caberhaupt die deutschen Studenten von jeher in denReihen der Flugforscher stark vertreten gewesen. 1)Ich darf mir erlauben, an dieser Stelle, um gerade diestudentische Mitarbeit moglichst liickenlos zu erwahnen,anzufiihren, daB die erste studentischeGruppe fiir Luftfahrt in Deutschland von mir imSommer 1909 an der Technischen Hochschule zuBerlin ins Leben gerufen wurde. Wir habeas damalsims nicht nur in Vortragen, Besichtigungen und Mitarbeitbei der ersten und folgenden Nationalen Flugwochein Berlin zu betatigen gesucht, sondem wirbauten auch im Winter 1909/10 einen Gleitdoppeldecker,der verschiedentlich in Bork erprobt wurde.Leider wurde nach meinem Weggang im Friihjahr 1910gerade in dieser Hinsicht von der studentischanGruppe nicht mehr weitergearbeitet, da es an dennOtigen Mittehi fehlte.Die flugsportliche Vereinigung Darmstadthatte mehr Gluck mit dem ihr zur Verfiigung stehendenGelande als wir seinerzeit in Berlin Angeregtdurch die „Ila" in Frankfurt 1909 baute sie aus1) In Erkenntnis dieser Tatsache hat Dr. K. Kotzenber g,Frankfurt a. M.,-der Vorsitzende der Siidwestgruppe des DeutschenLuftfahrt-Verbandes, einen „Kotzenberg-Hochschul-Wanderpreis"far Studierende gestiftet.