272 Pflichten <strong>und</strong> Haftung <strong>de</strong>s Anwalts BRAK-Mitt. 6/2006Rechtsprechungsleitsätzelegen wollen, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Anwalt wäre verpflichtet gewesen, diebetreffen<strong>de</strong> Frist unter Kontrolle zu nehmen <strong>und</strong> mangels Reaktion<strong>de</strong>s Mandanten nachzufragen.Hätte er damit Recht, so ergäben sich für das Verhältnis <strong>de</strong>sAnwalts zu Mandanten weit reichen<strong>de</strong> Konsequenzen: Der RAmüsste aus eigenem Interesse sämtlichen Schriftverkehr mit<strong>de</strong>m Mandanten beweisfest führen, d. h. per Übergabeeinschreibensen<strong>de</strong>n. Und er müsste Fristen für die Rückantwortsetzen. Dies hatte <strong>de</strong>r RA hier ja inzi<strong>de</strong>nt durch <strong>de</strong>n Hinweisauf die Beschwer<strong>de</strong>frist getan. Wie aber kann man in solchenFällen eine Reaktion erzwingen? Es wäre eine Untersuchunginteressant, welcher Anteil an Rückfragen an <strong>de</strong>n Mandanten in<strong>de</strong>r Praxis nicht fristgerecht beantwortet wird.Der BGH sieht die Realität wohl auch: Mit Ausnahme <strong>de</strong>r Fälle,in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Anwalt bereits konkrete Anhaltspunkte dafür hat,dass Rechtsmittel eingelegt wer<strong>de</strong>n soll, bedarf es einer weiterenRückfrage nicht. Der Anwalt darf auch gr<strong>und</strong>sätzlich davonausgehen, dass per einfachem Brief übersandte Schreiben <strong>de</strong>nMandanten erreichen. Er ist nicht verpflichtet, <strong>de</strong>n „sicherstenWeg“ zu gehen, um <strong>de</strong>n Zugang <strong>de</strong>s Schreibens sicherzustellen;auf das Verhältnis <strong>de</strong>s Anwalts zum Mandanten ist dieserGr<strong>und</strong>satz nicht anwendbar. Dem ist zuzustimmen: Das Mandatsverhältnissollte ein Verhältnis gegenseitigen Vertrauenssein, in <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>re Sicherungsmaßnahmen zu Beweiszweckenüberflüssig sein sollten.Rechtsanwältin Antje JungkBelehrungspflichten bei Klageeinreichung1. Hat eine Klage erkennbar keine Aussicht auf Erfolg, dann ist eseine Verletzung <strong>de</strong>r dienstvertraglichen Pflichten <strong>de</strong>s Rechtsanwalts,wenn er <strong>de</strong>m Mandanten mitteilt, die Klage habe überwiegen<strong>de</strong>Erfolgsaussichten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob einPräjudiz vorliegt o<strong>de</strong>r fehlt. Auch eine anhand <strong>de</strong>s Gesetzes, allgemeinerRechtssätze sowie <strong>de</strong>r allgemeinen rechtswissenschaftlichenMetho<strong>de</strong>n klar zu bewerten<strong>de</strong> Rechtslage kann dazu führen,dass <strong>de</strong>r Rechtsanwalt die Erfolgsausichten einer Prozessführungnicht positiv darstellen darf, wenn danach tatsächlich ein erheblichesProzessrisiko besteht.2. Der Vergütungsanspruch aus einem Anwaltsdienstvertrag entfälltnicht wegen einer unzureichen<strong>de</strong>n Leistung <strong>de</strong>s Rechtsanwalts.Jedoch kann <strong>de</strong>r Mandant <strong>de</strong>m Honoraranspruch im Wege<strong>de</strong>r Aufrechnung seinen Kostenscha<strong>de</strong>n entgegenhalten.OLG Koblenz, Urt. v. 12.6.2006 – 12 U 315/05, NJW-RR 2006,1358Anmerkung:Der Eigentümer einer Burg konnte umfangreiche Kredite nichtmehr zurückführen <strong>und</strong> wandte sich an einen Anwalt, als diekreditgeben<strong>de</strong> Kreissparkasse die Zwangsvollstreckung einleitete.Dieser riet zur Vollstreckungsgegenklage, weil seinerAnsicht nach die Kündigung <strong>de</strong>s gesamten Kreditengagementsunwirksam war. Der Mandant unterlag in drei Instanzen, wobeidie erkennen<strong>de</strong>n Gerichte recht <strong>de</strong>utlich darauf hinwiesen,dass die Kündigungen <strong>de</strong>r Darlehen sehr wohl gerechtfertigtwaren <strong>und</strong> die vorgebrachten Grün<strong>de</strong> nicht durchgreifen konnten.Als <strong>de</strong>r Mandant sich weigerte, das Honorar für <strong>de</strong>n Prozesszu zahlen, klagte <strong>de</strong>r Anwalt. Das OLG Koblenz hatte darüberzu befin<strong>de</strong>n, ob das Honorar zu Recht verlangt wur<strong>de</strong> <strong>und</strong>ob ggf. die Kosten <strong>de</strong>r verloren gegangenen Prozesse gegen dieHonoraransprüche aufgerechnet wer<strong>de</strong>n konnten. Im Ergebnishat das OLG <strong>de</strong>m Anwalt zwar das Honorar zugesprochen,aber die Honorarklage wegen <strong>de</strong>r entgegenstehen<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>nersatzansprücheabgewiesen. In <strong>de</strong>r Begründung stellt <strong>de</strong>rSenat die Belehrungspflichten <strong>de</strong>s Rechtsanwalts im Zusammenhangmit <strong>de</strong>r Einreichung einer Klage sehr ausführlich dar.Es wird erläutert, dass <strong>und</strong> warum die Klage von vornhereinpraktisch aussichtslos war. Dabei äußert das Gericht auchunverhohlen ein gewisses Unverständnis darüber, dass <strong>de</strong>r Klägerauch in <strong>de</strong>r inzwischen fünften Instanz (drei Instanzen <strong>de</strong>sVorprozesses <strong>und</strong> eine Vorinstanz im laufen<strong>de</strong>n Verfahren) von<strong>de</strong>r Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausging. Daher war es für<strong>de</strong>n Beklagten verhältnismäßig einfach darzulegen, dass erüber die Prozessaussichten unrichtig beraten wur<strong>de</strong>. Zwarmöge für <strong>de</strong>n konkreten Fall kein genau passen<strong>de</strong>s höchstrichterlichesUrteil vorgelegen haben – darauf berief sich <strong>de</strong>r klagen<strong>de</strong>Anwalt insbeson<strong>de</strong>re –, aber <strong>de</strong>nnoch habe auf Gr<strong>und</strong><strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Vertragstexte <strong>und</strong> allgemeiner Rechtssätze<strong>und</strong> rechtswissenschaftlichen Metho<strong>de</strong>n eine klar zu bewerten<strong>de</strong><strong>de</strong>m Mandanten ungünstige Rechtslage bestan<strong>de</strong>n. Indieser Situation dürfe <strong>de</strong>r beauftragte Anwalt die Prozessaussichtennicht positiv darstellen, son<strong>de</strong>rn habe von <strong>de</strong>r Klageerhebungabzuraten. Bei <strong>de</strong>r Belehrung könne aber nicht mathematischeGenauigkeit verlangt wer<strong>de</strong>n. Der Senat weist korrektdarauf hin, dass <strong>de</strong>r Mandant im Regressprozess auch dafürdarlegungs- <strong>und</strong> beweisbelastet ist, dass er nur <strong>de</strong>shalb dasProzessrisiko eingegangen ist, weil <strong>de</strong>r Anwalt ihm zu günstigeProzessaussichten prognostiziert hatte. In <strong>de</strong>r Praxis wird diesletztlich umso leichter gelingen, je größer das Risiko war <strong>und</strong> jepositiver die Prognosen <strong>de</strong>s Anwalts ausfielen.Trotz <strong>de</strong>r damit feststehen<strong>de</strong>n Pflichtverletzung <strong>und</strong> haftungsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>rKausalität wür<strong>de</strong>n aber – so <strong>de</strong>r Senat weiter –die Vergütungsansprüche we<strong>de</strong>r komplett wegfallen nochgekürzt wer<strong>de</strong>n. An dieser Stelle ist das Urteil etwas ungenau.Richtig ist, dass ein einmal entstan<strong>de</strong>ner Honorar-Anspruchnicht per se wegen einer Pflichtverletzung im Mandat wegfällt.Der Mandant kann aber <strong>de</strong>njenigen Honoraransprüchen, diebei unterstellt richtiger Sachbehandlung gar nicht erst entstan<strong>de</strong>nwären, <strong>de</strong>n dolo-petit-Einwand entgegenhalten. Das hättevorliegend be<strong>de</strong>utet, dass von vornherein nur Vergütungsansprüchehätten verlangt wer<strong>de</strong>n können, die durch ein Abratenvom Prozess ebenso angefallen wären.Rechtsanwalt Bertin ChabProzess- <strong>und</strong> Verkehrsanwalt; eingeschränktes MandatBei Unklarheiten <strong>de</strong>s ihm erteilten Auftrags hat <strong>de</strong>r Prozessanwalt<strong>de</strong>n Verkehrsanwalt um Klarstellung zu ersuchen; dagegen ist ergr<strong>und</strong>sätzlich nicht verpflichtet, unter Umgehung <strong>de</strong>s Verkehrsanwalts<strong>de</strong>n Mandanten selbst um Auskunft zu bitten. (amtl. Leitsatz)Das eingeschränkte Mandat stellt keine Ausnahme zum Regelfall<strong>de</strong>s unbeschränkten Mandats dar. Es gibt keinen Erfahrungssatzdahingehend, dass <strong>de</strong>r Mandant regelmäßig ein umfassen<strong>de</strong>s,nach Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Höhe unbeschränktes Mandat erteilt. (eigenerLeitsatz)BGH, Urt. v. 20.7.2006 – IX ZR 47/04, AnwBl 2006, 668, WM2006, 2059Anmerkung:Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r unklaren Formulierung eines Klageantrags verjährteein Teil <strong>de</strong>r Ansprüche <strong>de</strong>s Mandanten. Es ging um einVerkehrsunfallmandat; im Feststellungsantrag für <strong>de</strong>n Zukunftsscha<strong>de</strong>nwar nur <strong>de</strong>r materielle, nicht aber <strong>de</strong>r immaterielleScha<strong>de</strong>n genannt. In <strong>de</strong>r Klagebegründung war dagegen auchvom künftigen immateriellen Scha<strong>de</strong>n die Re<strong>de</strong>. Die Klage wardurch <strong>de</strong>n Verkehrsanwalt erstellt <strong>und</strong> vom Prozessanwaltunter <strong>de</strong>ssen Briefkopf eingereicht wor<strong>de</strong>n.Der Prozessanwalt trägt grds. die (Mit-) Verantwortung für dievon ihm eingereichten Schriftsätze, auch wenn er sie gar nichtselbst erstellt hat (BGH, NJW 1988, 1079; NJW-RR 1990,1241). Er ist verpflichtet, die Schriftsätze sachlich zu prüfen
BRAK-Mitt. 6/2006 Pflichten <strong>und</strong> Haftung <strong>de</strong>s Anwalts 273Rechtsprechungsleitsätze<strong>und</strong> <strong>de</strong>n Verkehrsanwalt ggf. auf Unklarheiten <strong>und</strong> Wi<strong>de</strong>rsprüchehinzuweisen. Diese Verantwortung wird mit <strong>de</strong>m saloppenAusdruck „Stempelmandat“ nur unzureichend dargestellt. Zueiner unmittelbaren Kontaktaufnahme mit <strong>de</strong>m Mandanten ist<strong>de</strong>r Prozessanwalt jedoch nur ausnahmsweise dann verpflichtet,wenn sich ihm <strong>de</strong>r Eindruck aufdrängt, <strong>de</strong>r Verkehrsanwalterfülle seine Pflichten gegenüber <strong>de</strong>m Mandanten nicht ordnungsgemäß(BGH, NJW 1988, 1079).Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall hatte <strong>de</strong>r Prozessanwalt vorgetragen, erhabe das Problem mit <strong>de</strong>m Verkehrsanwalt besprochen; dieserhabe ihm erklärt, es solle bewusst nur <strong>de</strong>r materielle Zukunftsscha<strong>de</strong>neingeklagt wer<strong>de</strong>n. Damit hat er sich auf einbeschränktes Mandat berufen. Die Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislastfür ein unbeschränktes Mandat, das auch die Geltendmachung<strong>de</strong>s immateriellen Zukunftsscha<strong>de</strong>ns umfasst hätte, trägt <strong>de</strong>rMandant. Der BGH hat klargestellt, dass es keinen Erfahrungssatzfür ein unbeschränktes Mandat gibt, <strong>de</strong>r zu einer Beweislastumkehrführen könnte. An<strong>de</strong>rs sei dies nur bei <strong>de</strong>r Behauptungnachträglicher Einschränkungen eines zunächst unbeschränkterteilten Mandats (BGH, WM 1994, 1114). Die Sachewur<strong>de</strong> zur weiteren Verhandlung <strong>und</strong> ggf. Beweisaufnahmezurückverwiesen.Rechtsanwalt Holger GramsSicherster Weg bei MahnschreibenHat ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten einen Verzugsscha<strong>de</strong>nsersatzanspruchgeltend zu machen, stellt es eine Pflichtverletzungdar, wenn er es unterlässt, in <strong>de</strong>m Mahnschreiben eineAblehnungsandrohung auszusprechen. Er darf sich regelmäßignicht darauf verlassen, dass die Ablehnungsandrohung wegenInteressenwegfalls entbehrlich ist.BGH, Urt. v. 29.6.2006 – IX ZR 76/04, WM 2006, 2055Anmerkung:§ 326 BGB in <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>r Schuldrechtsreform gelten<strong>de</strong>n Fassunghatte häufig zu Anwaltsfehlern geführt, sei es, dass nichtkorrekt unter Fristsetzung gemahnt o<strong>de</strong>r die Ablehnungsandrohungnicht korrekt ausgesprochen wur<strong>de</strong>, sei es, dass stattScha<strong>de</strong>nersatz wegen Nichterfüllung „lediglich“ <strong>de</strong>r Rücktrittvom Vertrag gewählt wur<strong>de</strong>. In allen Fällen lief <strong>de</strong>r Mandantspäter Gefahr, bestimmte Rechte zu verlieren. Häufig wur<strong>de</strong>ihm dies erst während <strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m anschließen<strong>de</strong>n Prozessvor Augen geführt. So war es auch vorliegend. Der Anwalthatte es verabsäumt, <strong>de</strong>m Mahnschreiben eine klare Ablehnungsandrohungbeizufügen. Zwar berief sich die Klägerin imVorprozess darauf, dass eine Ablehnungsandrohung wegenInteressenwegfalls entbehrlich gewesen sei <strong>und</strong> stützte dieScha<strong>de</strong>nersatzansprüche auch auf Verschul<strong>de</strong>n bei Vertragsschluss,drang mit diesen Argumenten aber letztlich nicht volldurch <strong>und</strong> musste einen Vergleich abschließen. Weitere Scha<strong>de</strong>nersatzansprüchesollten <strong>de</strong>shalb im Regressprozess gegendie beraten<strong>de</strong>n <strong>und</strong> im Prozess agieren<strong>de</strong>n Anwälte durchgesetztwer<strong>de</strong>n. Dort unterlag die Klägerin in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n erstenInstanzen, im Berufungsurteil wur<strong>de</strong> darauf abgestellt, dass tatsächlichein Interessenwegfall vorlag <strong>und</strong> daher keine Pflichtverletzungfestgestellt wer<strong>de</strong>n könne. Der BGH hob das Urteilauf <strong>und</strong> verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.Die Formulierung einer <strong>de</strong>utlichen Ablehnungsandrohunghätte <strong>de</strong>r Mandantin absolut keine Nachteile gebracht, aberalle Rechte erhalten. Selbst wenn die Auffassung <strong>de</strong>s Gerichtsim Vorprozess im Ergebnis nicht korrekt gewesen sein sollte,hätte es überhaupt keiner Diskussion über einen Interessenwegfall,für <strong>de</strong>n die Klägerin noch dazu darlegungs- <strong>und</strong>beweisbelastet war, gegeben. Es lag also auf <strong>de</strong>r Hand, dass dasgewählte Vorgehen nicht <strong>de</strong>n sichersten Weg für die Mandantindarstellte <strong>und</strong> allein auf diesen Umstand die Pflichtverletzunggegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte.Die Rechtslage nach <strong>de</strong>r Schuldrechtsmo<strong>de</strong>rnisierung dürftedie Haftungssituation im hier dargestellten Zusammenhangleicht entschärft haben. Dennoch sollte <strong>de</strong>r gewissenhafteAnwalt bei <strong>de</strong>r Abfassung von solchen verzugsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nSchreiben o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>r Ausübung von Gestaltungsrechtensorgfältig vorgehen. Insbeson<strong>de</strong>re im Baurecht (VOB/B !) sindhäufig Weichenstellungen im Vorfeld zu beachten, die im Prozessnicht o<strong>de</strong>r nur schwer zu än<strong>de</strong>rn sind <strong>und</strong> zu Rechtsverlustenbeim Mandanten führen können.Rechtsanwalt Bertin ChabFristenSorgfaltspflichten bei FristverlängerungsanträgenBei Fristverlängerungsanträgen darf die neue Frist bis zum Eingang<strong>de</strong>r stattgeben<strong>de</strong>n gerichtlichen Verfügung noch nicht alsendgültig eingetragen wer<strong>de</strong>n. Ggf. muss bei Ausbleiben einerVerfügung Nachfrage bei Gericht gehalten wer<strong>de</strong>n. (eigener Leitsatz)BGH, Beschl. v. 20.6.2006 – VI ZB 14/06Anmerkung:Auf Antrag <strong>de</strong>s Anwalts wur<strong>de</strong> die Frist zur Berufungsbegründungvom Gericht verlängert, allerdings nur um einen kürzerenZeitraum als beantragt. Die Berufungsbegründung ging erst amTag <strong>de</strong>s vom Anwalt beantragten Zeitpunkts bei Gericht ein.Der Anwalt machte durch ei<strong>de</strong>sstattliche Versicherungenzweier Mitarbeiterinnen glaubhaft, er habe die Verfügung <strong>de</strong>sGerichts nicht erhalten; er habe im Hinblick auf die ständigePraxis <strong>de</strong>s Gerichts darauf vertrauen dürfen, dass <strong>de</strong>m Verlängerungsantragohne Einschränkungen stattgegeben wer<strong>de</strong>.Das Berufungsgericht wies <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>reinsetzungsantragzurück <strong>und</strong> verwarf die Berufung als unzulässig; <strong>de</strong>r BGH verwarfauch die dagegen gerichtete Rechtsbeschwer<strong>de</strong> als unzulässig.Zwar habe <strong>de</strong>r Anwalt zunächst auf eine antragsgemäßeFristverlängerung vertrauen dürfen; die Versäumung <strong>de</strong>r Fristberuhe jedoch auf mangelhafter <strong>Kanzlei</strong>organisation <strong>de</strong>sAnwalts <strong>und</strong> sei daher schuldhaft erfolgt.Bei Fristverlängerungsanträgen dürfe das neue, mutmaßlicheFristen<strong>de</strong> noch nicht als endgültig eingetragen wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rnmüsse bei Eingang <strong>de</strong>r gerichtlichen Verfügung nochmals überprüftwer<strong>de</strong>n. Bis dahin müsse die neue Frist als hypothetisch<strong>und</strong> damit vorläufig gekennzeichnet wer<strong>de</strong>n (BGH, NJW-RR1999, 1663; VersR 1984, 336). Bei Wie<strong>de</strong>rvorlage <strong>de</strong>r Akteaufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r ordnungsgemäß notierten Vorfrist hätte <strong>de</strong>rAnwalt, gera<strong>de</strong> weil er keine gerichtliche Verfügung erhaltenhatte, ggf. durch Nachfrage bei Gericht überprüfen müssen, ob<strong>de</strong>m Verlängerungsantrag stattgegeben wor<strong>de</strong>n war.Rechtsanwalt Holger GramsE-Mails verschwin<strong>de</strong>n nicht einfach1. Der Mandant, <strong>de</strong>r seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigteneinen Rechtsmittelauftrag mit E-Mail zuleitet, han<strong>de</strong>ltschuldhaft, wenn die E-Mail <strong>de</strong>n Rechtsanwalt wegen eines Eingabefehlersnicht erreicht (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschlussvom 4.10.2002 – 23 U 92/02)2. Legt <strong>de</strong>r Prozessbevollmächtigte in einem solchen Fall eineei<strong>de</strong>sstattliche Versicherung seiner zuständigen Mitarbeiterin vor,