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BRAK-Mitt. 6/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 277Europäischer Gerichtshof(vgl. Rdnr. 48). Zur Unabhängigkeit – so <strong>de</strong>r EuGH – gehörtes, dass die betreffen<strong>de</strong> Stelle gegenüber <strong>de</strong>r Einheit, die diemit einem Rechtsbehelf angefochtene Entscheidung erlassenhat, die Eigenschaft eines Dritten hat (vgl. Rdnr. 49). Darüberhinaus muss die Institution vor Interventionen o<strong>de</strong>rDruck von außen geschützt sein (vgl. Rdnr. 51). Unparteilichkeitist gewährleistet, wenn hinsichtlich <strong>de</strong>r Parteien <strong>und</strong><strong>de</strong>ren Interessen ein gleicher Abstand gewährleistet ist.Sachlichkeit muss obwalten <strong>und</strong> neben <strong>de</strong>r strikten Anwendung<strong>de</strong>r Rechtsnormen darf keinerlei Interesse am Ausgang<strong>de</strong>s Rechtsstreits bestehen (vgl. Rdnr. 52). Die Garantien <strong>de</strong>rUnabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit setzen voraus, dass esRegeln für die Zusammensetzung <strong>de</strong>r Einrichtung, dieErnennung, die Amtsdauer <strong>und</strong> die Grün<strong>de</strong> für Enthaltung,Ablehnung <strong>und</strong> Abberufung ihrer Mitglie<strong>de</strong>r gibt, die esermöglichen, bei <strong>de</strong>n Rechtsunterworfenen je<strong>de</strong>n berechtigtenZweifel an <strong>de</strong>r Unempfänglichkeit <strong>de</strong>r genannten Stellefür Einflussnahmen von außen <strong>und</strong> an ihrer Neutralität inBezug auf die einan<strong>de</strong>r gegenüberstehen<strong>de</strong>n Interessen auszuräumen(vgl. Rdnr. 53).Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall sieht <strong>de</strong>r EuGH die Voraussetzungen<strong>de</strong>s Gerichtsbegriffs, insbeson<strong>de</strong>re die Unparteilichkeit imluxemburgischen anwaltlichen Disziplinarverfahren alsnicht erfüllt an. Die Zusammensetzung <strong>de</strong>s erstinstanzlichenDisziplinar- <strong>und</strong> Verwaltungsrats ausschließlich mit RAenluxemburgischer Staatsangehörigkeit <strong>und</strong> die Besetzung <strong>de</strong>szweitinstanzlichen Disziplinar- <strong>und</strong> Verwaltungsrats fürBerufungen (Conseil disciplinaire et administratif d’appel)mit überwiegend luxemburgischen RAen seien nicht geeignet,eine hinreichen<strong>de</strong> Gewähr für die Unparteilichkeit zubieten. Auch sei die Möglichkeit <strong>de</strong>r Kassationsbeschwer<strong>de</strong>vor <strong>de</strong>m Cour <strong>de</strong> cassation nach <strong>de</strong>r vorherigen Anrufung –so <strong>de</strong>r EuGH – „zweier außergerichtlicher Organe“ nichtausreichend, da dieses Gericht sich auf die Überprüfungvon Rechtsfragen beschränkt, also keine Überprüfung <strong>de</strong>rTatsachenfeststellungen vornimmt. Nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGHschließt Art. 9 <strong>de</strong>r RL 98/5 zwar nicht aus, dass zunächst einRechtsbehelf bei einem außergerichtlichen Organ eingelegtwer<strong>de</strong>n muss, doch sieht er auch nicht vor, dass <strong>de</strong>r gerichtlicheRechtsweg <strong>de</strong>m Betreffen<strong>de</strong>n erst dann eröffnet wer<strong>de</strong>nkann, nach<strong>de</strong>m er Rechtsbehelfe an<strong>de</strong>rer Art eventuellerschöpft hat. Auf je<strong>de</strong>n Fall – so <strong>de</strong>r EuGH – verlangt Art. 9für <strong>de</strong>n Fall, dass das nationale Recht einen Rechtsbehelf beieinem außergerichtlichen Organ vorsieht, dass <strong>de</strong>r effektiveZugang zu einem für eine Entscheidung über die Sach- <strong>und</strong>Rechtslage zuständigen Gericht im Sinne <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechtsbinnen einer angemessenen Frist gegeben ist(vgl. Rdnr. 60). Das in Luxemburg bestehen<strong>de</strong> Rechtsbehelfsverfahrenim anwaltlichen Disziplinarverfahren istdaher aus Sicht <strong>de</strong>s EuGH europarechtswidrig.In Deutschland stellt sich die Rechtslage insgesamt an<strong>de</strong>rsdar, da die <strong>de</strong>utsche Anwaltsgerichtsbarkeit nicht „außergerichtliches“Organ, son<strong>de</strong>rn Bestandteil <strong>de</strong>r staatlichenGerichte ist. Bei <strong>de</strong>m gerichtlichen Zulassungsverfahrennach <strong>de</strong>r BRAO han<strong>de</strong>lt es sich um ein öffentlich-rechtlichesStreitverfahren, das durch die vielfältigen Son<strong>de</strong>rzuweisungeninsgesamt <strong>de</strong>r or<strong>de</strong>ntlichen Gerichtsbarkeit unterstelltwor<strong>de</strong>n ist. Innerhalb <strong>de</strong>r or<strong>de</strong>ntlichen Gerichtsbarkeit han<strong>de</strong>ltes sich um ein Verfahren <strong>de</strong>r Freiwilligen Gerichtsbarkeit(vgl. §§ 40 Abs. 4, 42 Abs. 6 BRAO). Das Zulassungsverfahrenist also Teil <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlichen Streitverfahren<strong>de</strong>r Freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Henssler/Prütting,BRAO-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 37 Rdnr. 6) Zum vorliegen<strong>de</strong>nFall: Für einen europäischen RA, <strong>de</strong>r nach § 2EuRAG seine Zulassung (unter Beibehaltung <strong>de</strong>r Berufsbezeichnungseines Herkunftsstaates) bei einer <strong>de</strong>utschen RAKbeantragt, gelten über § 4 EuRAG die Vorschriften <strong>de</strong>s ZweitenTeils <strong>de</strong>r BRAO mit Ausnahme <strong>de</strong>r §§ 4, 5, 6 Abs. 1 <strong>und</strong>§ 12 Abs. 3. Bei einer ablehnen<strong>de</strong>n Entscheidung über <strong>de</strong>nZulassungsantrag sind die Vorschriften über das Verfahrenbei Anträgen auf gerichtliche Entscheidung in Zulassungssachennach §§ 37 ff. BRAO einschlägig. Zuständig dafür ist<strong>de</strong>r AGH nach § 37 BRAO. An<strong>de</strong>rs als in Luxemburg isterstinstanzlich also ein staatliches Gericht zuständig, dasnicht nur ausschließlich mit RAen, son<strong>de</strong>rn nach § 104BRAO mit drei anwaltlichen Richtern <strong>und</strong> zwei Berufsrichternbesetzt ist. Nach § 42 Abs. 1 BRAO besteht für <strong>de</strong>n Ast.die Möglichkeit <strong>de</strong>r sofortigen Beschwer<strong>de</strong>, über die <strong>de</strong>rBGH entschei<strong>de</strong>t (vgl. § 42 Abs. 5 BRAO). Der Senat fürAnwaltssachen beim BGH besteht aus <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>sBGH sowie drei Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s BGH <strong>und</strong> drei Anwälten alsBeisitzer (vgl. § 106 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 BRAO). Nach § 110BRAO sind die RAe ehrenamtliche Richter <strong>und</strong> haben in <strong>de</strong>rSitzung, zu <strong>de</strong>r sie als Beisitzer herangezogen wer<strong>de</strong>n, dieStellung eines Berufsrichters.Zur Thematik <strong>de</strong>r unabhängigen staatlichen Anwaltsgerichtsbarkeitin Deutschland hat das BVerfG erst jüngst zuentschei<strong>de</strong>n gehabt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2006 – 2BvG 609/06, BRAK-Mitt. 2006, 221 f.). Die Anwaltsgerichtsbarkeitin Deutschland – so das BVerfG – gewährleistet eineunabhängige Überprüfung von Kammerentscheidungen(vgl. hierzu auch Feuerich/Weyland, BRAO-Kommentar,6. Aufl. 2003, § 100 Rdnr. 1; BVerfGE 26, 186, 195 ff.; 48,300, 315 ff. zu <strong>de</strong>n Ehrengerichtshöfen). Die Anwaltsgerichtshöfe(vgl. § 100 ff. BRAO) sind unabhängig <strong>und</strong> verfolgenkeine eigenen berufspolitischen Interessen. Sie unterliegen<strong>de</strong>r Aufsicht durch die Lan<strong>de</strong>sjustizverwaltungen (vgl.§§ 100 Abs. 1 Satz 2, 92 Abs. 3 BRAO), die über die Besetzungentschei<strong>de</strong>n (vgl. §§ 101 Abs. 3, 102 Abs. 1, 103Abs. 1 BRAO). Weitere Belege für die Unabhängigkeit – sodas BVerfG – ist die Besetzung <strong>de</strong>r Senate mit drei anwaltlichenRichtern einschließlich <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>und</strong> zweiBerufsrichtern (vgl. § 104 BRAO) sowie die Unvereinbarkeit<strong>de</strong>r ehrenamtlichen Richtertätigkeit mit einer Funktion imVorstand o<strong>de</strong>r im Haupt- o<strong>de</strong>r Nebenberuf einer RAK (vgl.§§ 103 Abs. 2 Satz 1, 94 Abs. 3 Satz 2 BRAO). Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r<strong>de</strong>utschen höchstrichterlichen Entscheidung wird sehr <strong>de</strong>utlichgemacht, dass in Deutschland – an<strong>de</strong>rs als in Luxemburg– die Anwaltsgerichtsbarkeit nicht aus „außergerichtlichenOrganen“ besteht, son<strong>de</strong>rn zur unabhängigen, unparteiischenstaatlichen Gerichtsbarkeit gehört. Mit <strong>de</strong>n Worten<strong>de</strong>s EuGH: Das nationale Recht sieht im <strong>de</strong>utschen Berufsrecht<strong>de</strong>r Anwaltschaft einen Rechtsbehelf vor, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>neffektiven Zugang zu einem für eine Entscheidung über dieSach- <strong>und</strong> Rechtslage zuständigen Gericht im Sinne <strong>de</strong>sGemeinschaftsrechts binnen einer angemessenen Fristgewährleistet. Die <strong>de</strong>utsche Anwaltsgerichtsbarkeit erfülltdaher die europarechtlichen Vorgaben <strong>de</strong>s Gerichtsbergriffsnach Art. 9 <strong>de</strong>r RL 98/5.3. SprachprüfungMit seinen Vorlagefragen zum zweiten Themenkomplexmöchte das vorlegen<strong>de</strong> Gericht wissen, ob vor Erteilung <strong>de</strong>rZulassung europarechtskonform von einem nie<strong>de</strong>rgelasseneneuropäischen RA (unter Beibehaltung <strong>de</strong>r Berufsbezeichnungseines Herkunftsstaates) die Beherrschung <strong>de</strong>rSprache <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats verlangt wer<strong>de</strong>nkann. Der EuGH legt die RL 98/5 dahingehend aus, dass <strong>de</strong>rGemeinschaftsgesetzgeber in Art. 3 <strong>de</strong>r RL 98/5 eine vollständigeHarmonisierung <strong>de</strong>r Voraussetzungen für die Ausübung<strong>de</strong>r Tätigkeit im Aufnahmestaat vorgenommen hat.

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