Der umgangsberechtigteElternteilDer umgangsberechtigte Elternteil ist derjenige, der nichtdauerhaft mit dem Kind zusammenlebt. Für ihn bedeutetdie <strong>Trennung</strong>, dass er in Zukunft sein Leben ohne <strong>den</strong>gewohnten Familienalltag führen muss. Auch für diesenElternteil folgt eine Zeit der Neuorientierung <strong>und</strong> Neuorganisation.Die Auflösung einer konfliktreichen Beziehung zum Partnerbzw. zur Partnerin kann als Befreiung erlebt wer<strong>den</strong>. Ebensokann die <strong>Trennung</strong> für eine(n) Partner(in) überraschenderfolgt sein <strong>und</strong> eine Lebenskrise auslösen. Selbst wenn die<strong>Trennung</strong> als Erleichterung empfun<strong>den</strong> wurde, nehmen inder Folge häufig die Sorge um die eigene weitere Entwicklung<strong>und</strong> die Beziehung zum Kind zu. Sprachlosigkeit,bedrückende Stille oder im Gegenteil Erleichterung oderübertriebener Aktionismus können <strong>den</strong> Alltag bestimmen.Die Partnerschaft ist beendet, die Elternschaft bleibtbestehen. Was sich in der Theorie leicht anhört, ist in derLebenswirklichkeit der Betroffenen oft schwer umzusetzen.Es braucht Zeit für Eltern <strong>und</strong> Kind, um sich an die neueSituation zu gewöhnen.Andreas, 43 Jahre, Vater von Fabian,zwölf Jahre, <strong>und</strong> Nele, sechs Jahre:„Zuerst habe ich mich riesig auf die Kindergefreut. Wir hatten uns so lange nicht mehrgesehen. Aber je näher das Wochenendekam, um so unsicherer wurde ich.Was soll ich mit ihnen eigentlich machen?Kino? Schwimmbad? Zoo? Und wenn alleslangweilig ist? Vielleicht besuchen wirmeinen Bruder, der hat auch zwei Kinder.“Mit dem Wunsch, alles richtig zu machen <strong>und</strong> <strong>den</strong>Verlust zu kompensieren, können die umgangsberechtigtenElternteile sich <strong>und</strong> ihre Kinderüberfordern. Der neue Alltag ist vielfach geprägt vonVeränderungen, zum Beispiel beim Wohnraum. Möglicherweiseist die neue Wohnung des/der <strong>Umgang</strong>sberechtigtenkleiner, um Kosten zu sparen, <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e des Kindeswohnen nicht in unmittelbarer Nähe. Das zwangloseBeisammensein, das unterbrochen wer<strong>den</strong> kann durchKontakte des Kindes mit seinen Freun<strong>den</strong>, wird schwierigeroder fällt ganz weg. Ein eigener Rückzugsraum fürKind <strong>und</strong> Elternteil ist in vielen Fällen nicht vorhan<strong>den</strong>.Die Art <strong>und</strong> Weise, wie gemeinsame Zeit von Kind <strong>und</strong> umgangsberechtigtemElternteil miteinander verbracht wird,sollte sich langsam entwickeln können. Für viele umgangsberechtigteElternteile ist es ungewohnt, ihre Kinder über22 Die neue Lebenssituation <strong>und</strong> der <strong>Umgang</strong> mit dem Kind / <strong>Wegweiser</strong> für <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong>
mehrere Stun<strong>den</strong> oder sogar ein Wochenende allein beisich zu haben. Auch für das Kind ist die Situation neu.Viele Elternteile sorgen sich, ob sich das Kind auch bei ihnenwohlfühlt. Aus dieser Ängstlichkeit heraus bieten sie vielAbwechslung an wie Besuche in Kino, Schwimmbad oderZoo etc. Andere vermei<strong>den</strong> das Alleinsein mit dem Kind aufandere Weise <strong>und</strong> mel<strong>den</strong> sich regelmäßig zu Besuch beiGroßeltern, Verwandten oder Freun<strong>den</strong> an.Hinter diesen Aktivitäten steckt die Unsicherheit desAnfangs, die sich jeder Elternteil zugestehen sollte. UmKind <strong>und</strong> Elternteil das Miteinander zu erleichtern, könnendie beschriebenen Aktivitäten ein guter Einstieg in dieneue gemeinsame Zeit sein. Gr<strong>und</strong>sätzlich aber brauchenKinder nicht ständig besondere Ereignisse,um sich wohl zu fühlen. Sie schätzen es vielmehr, wennsie spüren, wie sich Vater oder Mutter auf sie freuen <strong>und</strong>wenn sie gemeinsam überlegen können, wie die vor ihnenliegen<strong>den</strong> Stun<strong>den</strong> oder Tage verbracht wer<strong>den</strong>.Dabei sollte sich kein umgangsberechtigter Elternteilscheuen, klar zu benennen, dass bestimmte Dinge wieHaushalt, Einkaufen, berufliche Arbeiten etc. Zeit benötigen<strong>und</strong> erledigt wer<strong>den</strong> müssen. Das Kind wird unterUmstän<strong>den</strong> nörgeln, sich deswegen aber nicht wenigergeliebt fühlen. Umgekehrt sollte das Kind auch seineeigenen Pflichten, wie z.B. Hausaufgaben, einen Briefschreiben oder auf seinem Musikinstrument üben, mitbringen<strong>und</strong> erledigen können. So erleben beide – Elternteil<strong>und</strong> Kind – ein Stück Alltag miteinander. Der Besuch imKino oder bei <strong>den</strong> Großeltern wird dann zu etwas Besonderem,das beide genießen können.Eine weitere Hürde für <strong>den</strong> umgangsberechtigtenElternteil kann der Informationsaustausch mitdem/der ehemaligen Partner(in) über das Kindsein. Die Kommunikation ist oft seit langemgestört <strong>und</strong> erfordert dann einen großen Kraftaufwand.Selbst das Gespräch mit dem Kind über die Situation vor<strong>und</strong> <strong>nach</strong> der <strong>Trennung</strong> wird vom umgangsberechtigtenElternteil dann als schwierig erlebt, wenn im Vorfeld dieEltern keine Absprachen hierzu getroffen haben. Kindernehmen die <strong>Trennung</strong> der Eltern auf ihre Weise wahr un<strong>den</strong>twickeln hierzu eigene Ansichten <strong>und</strong> Gefühle. DiesenGefühlen müssen sich die Eltern stellen, um so eine Bewältigungder <strong>Trennung</strong> für das Kind leichter zu machen.Unterschiedliche Aussagen der Eltern über ihre <strong>Trennung</strong>verwirren das Kind <strong>und</strong> verzögern seine Anpassung an dieneue Lebenssituation.Neue PartnerschaftenIn jedem Ende steckt ein neuer Anfang. Dies kann durchausauch auf die Aufnahme einer neuen Beziehung <strong>nach</strong><strong>Trennung</strong> <strong>und</strong> <strong>Scheidung</strong> übertragen wer<strong>den</strong>. Gerade wenndie vorausgegangene <strong>Trennung</strong> vom anderen Elternteil alspersönliches Scheitern erlebt wurde, kann eine neue Beziehungals Bestätigung der eigenen Person erlebt wer<strong>den</strong>.Der Gedanke daran, dass Liebe, Vertrauen, Zuneigung<strong>und</strong> Intimitäten wieder ausgetauscht <strong>und</strong> erlebt wer<strong>den</strong>können, stärken diesen Elternteil. Haben sich beide Elternneuen Partner(inne)n zugewandt, können sie in vielenFällen entspannter mit <strong>den</strong> Änderungen in der Lebensführungdes jeweils anderen umgehen.Deutlich schwieriger erleben Elternteile diese Situation,sofern nur eine(r) der ehemaligen Partner(innen) eine neueBeziehung eingegangen ist. Zusätzlich erschwert wird dieseKonstellation in der Regel dann, wenn der neue Partnerbzw. die neue Partnerin der Gr<strong>und</strong> für die Auflösung derGemeinschaft war.Stephan, 37 Jahre, Vater von Kyra, zehnJahre: „Am vergangenen Wochenendefand ich Kyra anders als sonst. Irgendwietotal aufgedreht, unruhig. Sie konnte auchnicht einschlafen <strong>und</strong> war dann morgensum 5.30 Uhr schon wieder wach. Ich hab’zwar mal gefragt, ob irgendwas ist, abersie meinte nur, sie hätte Stress mit ihrerFre<strong>und</strong>in. Mehr erzählen wollte sie nicht.Jetzt überlege ich, ob ich ihre Mutter malanrufe <strong>und</strong> <strong>nach</strong>frage. Aber wir habenschon Ewigkeiten nicht mehr vernünftigmiteinander gesprochen. Wahrscheinlichfühlt sie sich wieder angegriffen, wenn ichfrage, ob Kyra ein Problem hat ...“<strong>Wegweiser</strong> für <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong> / Die neue Lebenssituation <strong>und</strong> der <strong>Umgang</strong> mit dem Kind 23