12.07.2015 Aufrufe

3. Kapitel

3. Kapitel

3. Kapitel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Kapitel</strong> IIIGrößenverzerrung und Bäume mit Rückgrat:Ein probabilistischer Zugang zu GWPDie vorhergehenden zwei <strong>Kapitel</strong> haben uns einen guten Einblick in die klassische Theorievon Galton-Watson-Prozessen vermittelt und gezeigt, daß diese trotz häufiger Verwendung vonMartingalargumenten vornehmlich durch das Studium der auftretenden erzeugenden Funktionenund damit analytisch geprägt ist. Die Unabhängigkeitseigenschaften und die rekursiveStruktur von GWP und GWPI lassen sich in brauchbare Eigenschaften dieser analytischenTransformierten übersetzen, und durch Taylor-Entwicklungen 1. oder 2. Ordnung gelangt manrelativ schnell zu relevanten Aussagen, wobei sich der technische Anspruch in akzeptablenGrenzen hält. Zudem gestattet der Zugang, wie wir noch sehen werden, die Behandlung vielerVerallgemeinerungen von GWP, etwa solchen in variierenden Umgebungen (☞ <strong>Kapitel</strong> IV).Andererseits verhindert die Reduktion auf analytische und wenig intuitive Argumente ein tieferesVerständnis der betrachteten Prozesse: Man erkennt zwar, wie sich GWP asymptotischverhalten, aber nicht unbedingt warum, da die geführten Beweise kaum eine probabilistische,auf das Pfadverhalten der Prozesse gerichtete Interpretation zulassen.In diesem <strong>Kapitel</strong> wollen wir unseren Blickwinkel erweitern und einen eher genealogischorientierten Standpunkt einnehmen. Dies bedeutet, daß wir unsere nachfolgenden Untersuchungenvon GWP zu einem wesentlichen Teil auf die Betrachtung des assoziierten Stammbaums,also des Galton-Watson-Baums (GWB), stützen. GWB hatten wir zwar schon in <strong>Kapitel</strong> Ivorgestellt, spielten aber dort mit Ausnahme von Abschnitt I.7 keine besondere Rolle. ZweiZugänge sollen hiernach vorgestellt werden. Der erste stammt von Lyons, Pemantle und Peres[5] und basiert massiv auf dem Zusammenhang der Verteilung eines GWB’s GW mit der Verteilungeiner bestimmten assoziierten Größenverzerrung ĜW mit einem ausgezeichneten Pfad,genannt Rückgrat. Der zweite, etwas weniger bekannte Zugang geht auf Geiger [3] zurück, istvor allem im subkritischen und kritischen Fall von Nutzen und basiert darauf, rekursiv eine Folgeendlicher Bäume zu konstruieren, die zum einen eine geeignete Abhängigkeitsstruktur besitzenund deren Verteilungen zum anderen den bedingten Verteilungen P(GW ∈·|z n ◦GW > 0),n ≥ 0, entsprechen, wobei z n ◦ GW die Anzahl der Knoten in der n-ten Generation (auf Höhen) angibt. Die Abschnitte 3–7 widmen sich dem ersten, die verbleibenden Abschnitte 8–?dem zweiten Zugang. Wir beginnen allerdings mit einigen notwendigen formalen Grundlagenzur Definition von (lokal endlichen) Bäumen sowie zur Metrisierung der Menge aller solchenBäume, die es dann erlaubt, einen GWB als Zufallselement in dieser Menge aufzufassen.


98 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP1. BäumeIm folgenden werden wir Bäume in kanonischer Weise als Teilmengen des Ulam-Harris-Baums V = ⋃ n≥0 Nn definieren, wobei an die im Anschluß von Lemma I.1.2 eingeführtenBezeichnungen erinnert sei.1.1. Definition. Eine Teilmenge τ ⊂ V heißt Baum, falls sie den folgenden Bedingungengenügt:(1) ∅ ∈ τ,(2) v 1 ...v n ∈ τ ⇒ v 1 ...v k ∈ τ für jedes 1 ≤ k 0} ∈ N 0z n (τ) =0 ⇒ z n+k (τ) =0für alle k ≥ 0hinweisen.Für τ ∈ T und n ≥ 0 setzen wir hiernach abkürzendτ nτ |n[τ] ndef= τ ∩ N n = {v ∈ τ : |v| = n},n⋃def= = {v ∈ τ : |v| ≤n},k=0τ kdef= {τ ′ ∈ T : τ ′ |n = τ |n}.Die Menge T wird uns in den nachfolgenden Abschnitten als Wertebereich verschiedenerAbbildungen begegnen. Um aus diesen Abbildungen Zufallsvariablen, d.h. meßbare Abildungenzu machen, verschaffen wir uns zunächst eine geeignete σ-Algebra auf T, indem wir auf dieserMenge eine Metrik definieren, die eine Topologie vermittelt.


1. Bäume 991.2. Lemma. (a) Die Abbildung d : T × T → [0, 1], gegeben durch( )d(τ,τ ′ ) def= exp − sup{n ≥ 0: τ |n = τ |n ′ } , τ,τ ′ ∈ T,−∞ defist eine Metrik auf T, wobei natürlich e =0vereinbart wird.(b) Der Raum (T,d) ist separabel. Genauer gilt:T edef= {τ ∈ T : H(τ) < ∞} = {τ ∈ T : τ ist endlich}ist abzählbar und liegt dicht in T.Beweis: (a) Es reicht offenbar der Nachweis der Dreiecksungleichung.τ,τ ′ ,τ ′′ ∈ T gilt aberFür beliebigesup{n : τ |n = τ ′′|n } ≥ sup{n : τ |n = τ ′ |n }∧sup{n : τ ′ |n = τ ′′|n }und folglichd(τ,τ ′′ ) ≤ d(τ,τ ′ ) ∨ d(τ ′ ,τ ′′ ) ≤ d(τ,τ ′ )+d(τ ′ ,τ ′′ ).Eine Metrik, welche die erste obige Ungleichung erfüllt, heißt übrigens Ultrametrik.def(b) Mit T n = {τ ∈ T : H(τ) =n} = {τ ∈ T : z n (τ) > 0,z n+1 (τ) =0} giltT e = ⋃ n≥0T n ,und da jedes T n offenbar abzählbar ist, gilt dasselbe für T e . Sei nun τ ∈ T. Für n ≥ 0 folgtdannd(τ,τ |n ) = e −n ,und da τ |n ∈ T e für jedes n ≥ 0, zeigt dies die Dichtheit von T e in T.♦1.<strong>3.</strong> Bemerkungen. (a) Der metrische Raum (T,d) ist vollständig. Da wir diesesErgebnis jedoch nicht benötigen, verzichten wir auf den Beweis (☞ Übung 1.1).(b) Für τ ∈ T und ε>0bezeichne B(τ,ε) def= {τ ′ ∈ T : d(τ,τ ′ ) 0}={B(τ,e −n ):τ ∈ T,n≥ 1 } = { [τ] n : τ ∈ T,n≥ 1 } ,wobei sich die zweite Gleichung vermöge der Äquivalenzketteergibt.τ ′ ∈ B(τ,e −k ) ⇔ sup{n : τ |n = τ ′ |n } >n ⇔ τ |n = τ ′ |n ⇔ τ ′ ∈ [τ] n


100 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP(c) Es seien τ,τ ′ ∈ T und j ≥ k ≥ 1. Dann gilt[τ] j ∩ [τ ′ ] k = {χ ∈ T : χ |j = τ |j ,χ |k = τ ′ |k } = { [τ]j , falls τ |k = τ ′ |k ,∅, falls τ |k ≠ τ ′ |k . (1.1)Folglich bildetE def= { ∅, T } ∪ { [τ] k : τ ∈ T,k ≥ 1 } (1.2)ein ∩-stabiles System von Teilmengen von T.Wir definieren nunund notieren:B(T) def= σ(E) = σ( {[τ]k: τ ∈ T,k ≥ 1 }) (1.3)1.4. Lemma. Die gemäß (1.3) definierte σ-Algebra B(T) über T entspricht der Borelschenσ-Algebra, also der von den (bzgl. der Metrik d) offenen Teilmengen erzeugten σ-Algebra.Beweis: Es genügt der Hinweis, daß sich jede nichtleere offene Teilmenge eines separablenRaums als abzählbare Vereinigung von ε-Kugeln schreiben läßt.♦Zum Ende dieses Abschnitts wollen wir noch kurz eine Ordnung auf V einführen, welchedie Verwandtschaftsstruktur der als Individuen interpretierten Elemente von V widerspiegelt.1.5. Definition. Es seien v = v 1 ...v m und w = w 1 ...w n Elemente von V.(a) Besitzt w die Darstellung vu für ein u ∈ V, soheißt v Vorfahre von w sowie umgekehrt wein Nachkomme oder Nachfahre von v, symbolisch durch v ≼ w bzw. w ≽ v ausgedrückt.(b) Gilt in (a) speziell u ∈ N, soheißt v Mutter von w sowie umgekehrt w Kind von v.(c) Falls φ(v, w) def= inf{k ≥ 1:v k ≠ w k },soheißtv ∧ w def= v 1 ...v φ(u,v)−1der erste gemeinsame Vorfahre von v und w.(d) Wir definieren im Fall v ≠ wv


2. Der Galton-Watson-Baum: Formalitäten und Eigenschaften 101Die in (d) eingeführte Relation ”≤” bildet offenkundig eine Ordnung auf V, die beiEinschränkung auf N ⊂ V mit der geöhnlichen Ordnung übereinstimmt. Je zwei Elementev, w ∈ V sind demnach stets vergleichbar, und jede endliche Teilmenge von V besitzt einMinimum und ein Maximum. Für zweielementige Teilmengen {v, w} entspricht das Minimumgenau dem in (c) definierte ersten gemeinsamen Vorfahren v∧w, was die gewählte Notation ”∧”erklärt. Abschließend erwähnen wir noch, daß man anschaulich ”v ≤ w” als ”v ist älter als w”interpretieren kann, sofern man eine gewisse Festlegung der Geburtsreihenfolge der Individuenvon V unterstellt, die sich der Leser selbst überlegen mag (☞ hierzu auch Übung 1.3).Übungen zu Abschnitt 1Übung 1.1.Übung 1.2.Zeigen Sie, daß der metrische Raum (T,d)vollständig ist.Zeigen Sie, daß neben d auch durchd 2 (τ,τ ′ ) def=11+sup{n ≥ 0:τ |n = τ ′ |n }eine Metrik auf T definiert wird, welche dieselbe Topologie und damit dieselbe Borelsche σ-Algebra induziert.Übung 1.<strong>3.</strong> Es seien v, w ∈ V und τ ∈ T e ein endlicher Baum.(a) Es bezeichne v ∨w das Maximum von v, w bezüglich der in Definition 1.5(d) eingeführtenOrdnung. Geben Sie eine anschauliche Charakterisierung von v ∨ w.(b) Geben Sie eine anschauliche Charakterisierung des minimalen und maximalen Elementsvon τ.2. Der Galton-Watson-Baum: Formalitäten und EigenschaftenNach den Vorbereitungen im letzten Abschnitt sind wir nun in der Lage, den bereits inAbschnitt I.1.1 vorgestellten GWB GW zu einer gegebenen Reproduktionsverteilung (p j ) j≥0als Zufallselement in (T, B(T)) zu definieren. Dies läßt sich in naheliegender Weise vermögedes folgenden Standardmodells realisieren (vgl. die Ausführungen nach Lemma I.1.2):Sei {X v : v ∈ V} eine Familie unabhängiger, identisch nach (p j ) j≥0 verteilter Zufallsgrößenauf einem W-Raum (Ω, A, P) und dann GW def= ⋃ n≥0 GW defn mit GW 0 = {∅} sowieGW ndef= { v 1 ...v n ∈ N n }: v 1 ...v n−1 ∈ GW n−1 und 1 ≤ v n ≤ X v1 ...v n−1deffür n ≥ 1(beachte die übliche Konvention v 1 ...v n−1 = ∅ im Fall n = 1). Dann ist GWoffensichtlich eine T-wertige Abbildung. Wir setzen ferner (mit z n : T → N 0 gemäß Definition1.1)def= |GW n | = z n ◦ GW (2.2)Z n(2.1)


102 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPfür n ≥ 0.2.1. Lemma. Für die zuvor definierten Abbildungen gilt:(a) GW :Ω→ T ist A-B(T)-meßbar und folglich ein Zufallselement auf (Ω, A, P).(b) Für jedes n ≥ 0 ist z n : T → N 0 B(T)-meßbar und somit Z n = z n ◦ GW eine Zufallgrößeauf (Ω, A, P).aberBeweis: Es ist lediglich GW −1 (E) ⊂ A zu zeigen. Für A =[τ] k , τ ∈ T und k ≥ 1, gilt(b) Hier ergibt sich für k ≥ 1GW −1 (A) = {ω ∈ Ω:GW |k (ω) =τ |k }k⋂= {ω ∈ Ω:GW j (ω) =τ j }j=1∈ σ ( {X v : |v| ≤k − 1} ) ⊂ A.z −1n ({k}) = {τ ∈ T : z n (τ) =k} =⋃τ∈T n :τ n =k[τ] n∈ B(T)weil die auftretende Vereinigung abzählbar ist. Dies zeigt die Meßbarkeit von z n .♦Nach diesen Vorbereitungen ist folgende Definition sinnvoll:2.2. Definition. Wir setzen Q def= P(GW ∈·) und bezeichnen dieses Bildmaß als dasGalton-Watson-Maß auf (T, B(T)).Es gilt nun für alle n ≥ 0sowie allgemeinerP(Z n ∈·) = P(z n ◦ GW ∈·) = Q(z n ∈·) (2.3)P((Z n ) n≥0 ∈·) = P((z n ◦ GW ) n≥0 ∈·) = Q((z n ) n≥0 ∈·). (2.4)Die letzte Beziehung zeigt, daß wir einen GWP nunmehr auch als stochastische Folge auf demW-Raum (T, B(T), Q) realisieren können.Als nächstes wollen wir das intuitiv auf der Hand liegende Resultat präzisieren und beweisen,daß Individuen derselben Generation einer Galton-Watson-Population vermöge ihresunabhängigen und identischen Reproduktionsverhaltens Teilbäume erzeugen, die unabhängigund wiederum nach Q verteilt sind. Hierfür bedarf es aber zunächst einiger weiterer Definitionen:Gegeben τ ∈ T und u ∈ τ, heißtτ udef= {v ∈ τ : v ≽ u}


<strong>3.</strong> Größenverzerrte Galton-Watson-Bäume mit Rückgrat 105Ferner notieren wir, daß ̂X fast sicher positiv ist.(c) Besitzt ν eine λ-Dichte g, sogilt natürlich dasselbe für ̂ν, und wir erhalten mit derProduktregel für Radon-Nikodym-Ableitungenĝ(x) def= d̂ν d̂ν dν(x) = (x)d λ dν d λ (x) = γ−1 xg(x), x ≥ 0. (<strong>3.</strong>5)2. Konstruktion und Eigenschaften größenverzerrter GWB. Das Konzept derGrößenverzerrung nichtnegativer Zufallsgrößen soll nun in geeigneter Weise auf einen GWBGW übertragen und eine Größenverzerrung ĜW von GW konstruiert werden. Später werdenwir im Zusammenhang mit einem neuen Beweis des Satzes von Kesten und Stigum (Satz I.6.2)der Frage nachgehen, ob bzw. unter welchen Bedingungen – in Analogie zu (<strong>3.</strong>3) – die mit ̂Qbezeichnete Verteilung von ĜW durch das assoziierte Galton-Watson-Maß Q dominiert wird.Ist dies nicht der Fall, sind die beiden Maße notwendig zueinander singulär (☞ Lemma 5.1und Satz 5.2).Zunächst schreiten wir jedoch zur angekündigten Konstruktion, wobei wir von einer Reproduktionverteilung(p j ) j≥0 mit Reproduktionmittel µ ∈ (0, ∞) ausgehen.<strong>3.</strong><strong>3.</strong> Konstruktion von ĜW . Wir erinnern daran, daß die Familie {X v : v ∈ V} denGWB GW bestimmt, wobei X v die Anzahl der Kinder des (potentiellen) Individuums v angibt.Auf (Ω, A, P) sei nun darüber hinaus eine Familie {( ̂X n ,C n ) : n ≥ 0} von unabhängigenZufallsvektoren gegeben, die von {X v : v ∈ V} unabhängig ist. Für n ≥ 0 geltesowie im Fall p k > 0für k ≥ m ≥ 1P( ̂X n ∈·) = (̂p j ) j≥0 = (µ −1 jp j ) j≥0P(C n = m| ̂X n = k) = 1 k ,d.h. gegeben ̂X n = k sei C n Laplace-verteilt auf {1, ..., k}, und ̂X n besitze die größenverzerrteReproduktionsverteilung (̂p j ) j≥0 .Der größenverzerrte GWB ĜW = ⋃ n≥0 ĜW n mit Rückgrat V =(V n ) n≥0 wird damit wiedeffolgt definiert: Wir setzen ĜW 0 = {∅}, V 0 def= ∅ sowie induktiv für n ≥ 1ĜW ndef= A n ∪ B nmitA ndef={vi ∈ N n : v ∈ ĜW n−1 \{V n−1 },i≤ X v}undB ndef={V n−1 k :1≤ k ≤ ̂X n−1}sowieV ndef= V n−1 C n−1 .


106 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPBeachte hierbei die Konvention, daß V n−1 k ebenso wie V n−1 C n−1 als Konkatenationen (undnicht als Produkte) zu lesen sind, also als (V n−1 ,k) bzw. (V n−1 ,C n−1 ).In Worten läßt sich die Konstruktion wie folgt beschreiben: Wir starten wieder mit ∅ alseinzigem Individuum (Urahnen) in der 0-ten Generation, das zugleich die 0-te Komponente V 0des Rückgrats bildet. Dieses Individuum bekommt eine zufällige Anzahl ̂X0 ≥ 1von Kindern.Aus diesen wird zufällig gemäß einer entsprechenden Laplace-Verteilung (vermöge C 0 ) die ersteKomponente V 1 des Rückgrats ausgewählt. Dieses Individuum V 1 reproduziert sich gemäß dergrößenverzerrten Reproduktionsverteilung (̂p j ) j≥0 und generiert ̂X 1 Nachfahren, während dierestlichen Individuen der ersten Generation ĜW 1 voneinander unabhängig Kinder gemäß derReproduktionsverteilung (p j ) j≥0 hervorbringen. So fortfahrend, wird V n zufällig aus den ̂X n−1Kindern von V n−1 ausgewählt und produziert Nachfahren gemäß (̂p j ) j≥0 ; alle Individuen, dienicht zu V gehören, erzeugen Kinder wie im gewöhnlichen GWB. Insgesamt erhalten wir somiteinen zufälligen Baum ĜW ,indem eine aufsteigende Folge von Knoten (V n ) n≥0 , das Rückgrat,besonders ausgezeichnet ist. Der Terminus ”aufsteigend” bedeutet hier, daß in jeder Generationgenau ein Individuum ausgewählt wird. Die untere Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einemgrößenverzerrten GWB, in dem die Rückgratkomponenten (Wirbel), nämlich V 0 = ∅,V 1 =3,V 2 =31und V 3 = 312, als schwarze Kästchen () und die übrigen Knoten als graue Kreisemit anhängenden gewöhnlichen GWB dargestellt sind.∅GWGWGWGWGWBild <strong>3.</strong>1. Ausschnitt aus einem größenverzerrten GWBWegen P( ̂X n =0)=0für n ≥ 0 gilt offenbar |ĜW | = ∞ f.s., die durch ĜW beschriebenePopulation kann also im Gegensatz zu der eines gewöhnlichen GWB’s niemals aussterben.Die obige Konstruktion liefert uns eine Abbildung(ĜW ,V ):Ω → T × ∂Vmit∂V def= { (v j ) j≥0 : v j ∈ N j und v j+1 ≽ v j für j ≥ 0 } .


<strong>3.</strong> Größenverzerrte Galton-Watson-Bäume mit Rückgrat 107Offenbar können wir die Menge ∂V der unendlichen Pfade (v j ) j≥0 in V mit der Menge N ∞identifizieren vermöge der Zuordnung(v j ) j≥0 ←→ (v j ) j≥0 ,wobei v j def= v 1 ...v j für jedes j ≥ 1. Dies werden wir im folgenden, wann immer hilfreich, tun.Wie schon für GWB bedarf es als nächstes der Angabe einer geeigneten σ-Algebra überT × ∂V, sodaß(ĜW ,V )zueiner meßbaren Abbildung wird. Zu diesem Zweck betrachten wirden erweiterten Raum V def= V ∪ ∂V = ⋃ n∈N 0N n und geben zuerst das folgende Lemma, dassehr ähnlich zu Lemma 1.2 bewiesen werden kann. Wir weisen darauf hin, daß die in Definition1.5 eingeführte Ordnung auf V und die resultierende Minimumsrelation ∧ in offensichtlicherWeise auf V ausgedehnt werden können.<strong>3.</strong>4. Lemma. Die Abbildung d ′ : V × V → [0, 1], gegeben durchd ′ (v, w) def= e −|v∧w| , (<strong>3.</strong>6)ist eine Metrik auf V, bezüglich der V eine abzählbar dichte und zugleich offene Teilmengebildet. Der Raum (V,d ′ ) ist ferner kompakt und ∂V der topologische Rand von V 1)Beweis:Übung <strong>3.</strong><strong>3.</strong>♦In Analogie zur Konstruktion von B(T) setzen wir nun B ′ (v, ε) def= {w ∈ V : d ′ (v, w) 0 und dannB(V) def= σ( {B ′ (v, ε) :v ∈ V,ε>0 }) .Wegen der Separabilität von (V,d ′ ) ist dies wiederum die Borelsche σ-Algebra über V mit demabzählbaren Erzeuger (☞ Übung <strong>3.</strong>4)E ′def= { B ′ (v, ε) :v ∈ V,ε>0 } .Die gute Nachricht lautet dann:<strong>3.</strong>5. Lemma. Die Abbildung(ĜW ,V ) ist A-B(T) ⊗ B(V)-meßbar.Beweis: Unter Rückgriff auf Satz 19.3 in [1] reicht es zu zeigen, daß(i) ĜW A-B(T)-meßbar und(ii) V A-B(V)-meßbarist, wobei der Nachweis von (i) wie der Beweis von Lemma 2.1(a) erfolgt: Gegeben τ ∈ T undk ≥ 1, erhalten wirĜW −1 }([τ] k ) ={ω ∈ Ω:ĜW |k (ω) =τ |k ∈ σ(( ̂X)n ,C n ) 0≤n


108 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPund damit die behauptete Meßbarkeit von ĜW .Zum Nachweis von (ii) gehen wir ähnlich vor: Seien v = v 1 v 2 ... ∈ N ∞ , v 0 def= ∅, v n def=v 1 ...v n für n ≥ 1 und 0


(c) Für alle τ ∈ T und n ≥ 0 gilt<strong>3.</strong> Größenverzerrte Galton-Watson-Bäume mit Rückgrat 109̂Q ( [τ] n)= wn (τ)Q ( [τ] n). (<strong>3.</strong>9)(d) Sei Ẑnfür alle k ≥ 0.def= z n ◦ ĜW für n ≥ 0. Dann ist Ẑn eine Größenverzerrung von Z n , d.h. es giltP(Ẑn = k) = k P(Z n = k)µ n = k P(Z n = k)EZ n(<strong>3.</strong>10)Beweis: (a) Sei τ ∈ T, n ≥ 0 und k = z 1 (τ). O.E. werde k ≥ 1 und p k > 0vorausgesetzt,denn im Fall k =0ist (<strong>3.</strong>7) wegen [τ] n+1 = { {∅} } ebenso wie im Fall p k =0trivial. Danngilt unter Verwendung von Satz 2.3Q ( ) ([τ] n+1 = P Z1 = k, Θ i GW i ∈ [Θ i τ i ] n , 1 ≤ i ≤ k )= p k P ( Θ i GW i ∈ [Θ i τ i ] n , 1 ≤ i ≤ k ∣ Z1 = k )∏k= p k Q ( [Θ i τ i )] ni=1und somit das Gewünschte.(b) Hier zeigen wir die Behauptung per Induktion über n. Falls n =0,erhalten wir wegenV 0 = ϱ = ∅, [τ; ∅] 0 = {(τ ′ , (v j ) j≥0 ):τ ∈ T,v j ∈ τ j f.a. j ≥ 0} und [τ] 0 = T für alle τ ∈ Toffenkundig( ) ( ) ( )̂Q ∗ [τ; ϱ]0 = ̂Q∗ [τ; ∅]0 = 1 = Q [τ]0für alle τ ∈ T.Für den Induktionsschritt nehmen wir an, die Behauptung sei bewiesen für ein n ≥ 0, alleτ ′ ∈ T und ϱ ′ ∈ τ n. ′ Wir benötigen zunächst die folgende Zwischenrechnung: Gegeben τ ∈ Tmit z 1 (τ) =k ≥ 1 und ϱ ∈ τ n+1 , existiert offenkundig ein eindeutiges i ∈{1, ..., k} derart, daßϱ ∈ τ i . Daher gilt mit A def= {Θ j ĜW j ∈ [Θ j τ j ] n , 1 ≤ j ≤ k, j ≠ i}{(ĜW,V)∈ [τ; ϱ]n+1}={ ̂X0 = k, C 0 = i, (Θ i ĜW i , Θ i V ) ∈ [Θ i τ i ;Θ i ϱ] n}∩ A.Sofern p k > 0, was P( ̂X 0 = k, C 0 = i) =µ −1 kp k k −1 = µ −1 p k > 0 impliziert, ergibt sich unterVerwendung von Satz <strong>3.</strong>6( ) ((ĜW ) )̂Q ∗ [τ; ϱ]n+1 = P ,V ∈ [τ; ϱ]n+1= µ −1 p k P ({ (Θ i ĜW i , Θ i V ) ∈ [Θ i τ i } ∣;Θ i ϱ] n ∩ A ̂X0 = k, C 0 = i )= µ −1 (p k ̂Q∗ [Θi τ i ) ∏;Θ i ϱ] n Q ( [Θ j τ j )] n .j≠i


110 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPAuf dieses Ergebnis wenden wir nun erst die Induktionsvoraussetzung und dann Teil (a) anund erhalten( )̂Q ∗ [τ; ϱ]n+1 = µ −1 p k µ −n Q ( [Θ i τ i ) ∏] n Q ( [Θ j τ j )] n= µ −(n+1) Q ( )[τ] n+1 ,was den Beweis von (<strong>3.</strong>8) beschließt.(c) Hier ergibt sich mittels Teil (b) für alle τ ∈ T und n ≥ 0̂Q ( ) (ĜW )[τ] n = P ∈ [τ]n= ∑ P(ĜW ∈ [τ] n ,V n = ϱ )ϱ∈τ n= ∑ ( )̂Q∗ [τ; ϱ]nϱ∈τ n= ∑ µ −n Q ( )[τ] nϱ∈τ n= w n (τ) Q ( )[τ] n .j≠i(d) Mit (c) folgt schließlich für k ≥ 1P(Ẑn = k) ===∑τ∈T n :z n (τ)=k∑τ∈T n :z n (τ)=k∑τ∈T n :z n (τ)=k̂Q ( [τ] n)w n (τ) Q ( [τ] n)kµ n Q( )[τ] n= k P(Z n = k)µ n . ♦<strong>3.</strong>8. Bemerkungen. (a) Unter Verwendung der Teile (b) und (c) des Vergleichslemmas<strong>3.</strong>7 läßt sich das anschaulich evidente Ergebnis zeigen, daß, gegeben ĜW n = {ϱ 1 , ..., ϱ p } fürein p ≥ 1, die Rückgratkomponente V n eine Laplace-Verteilung auf dieser Menge besitzt (☞Übung <strong>3.</strong>6), was aber im weiteren Verlauf nicht ausdrücklich benötigt wird.(b) Hinsichtlich der am Anfang dieses Unterabschnitts angesprochenen Frage, wann ̂Qdurch das Galton-Watson-Maß Q dominiert wird, gibt das Vergleichslemma noch keine vollständigeAuskunft, zeigt aber immerhin, daß für alle τ ∈ T und n ≥ 0̂Q ( [τ] n)= wn (τ) Q ( [τ] n)=∫[τ] nw n (χ) Q(dχ)gilt, weil w n auf [τ] n konstant ist. Wir belassen es hier bei dieser Feststellung und kehren imneuen Beweis des Satzes von Kesten, Stigum (☞ Satz 5.2) auf diesen Sachverhalt zurück.


4. Zum Grenzverhalten nichtkritischer GWPI: Ein probabilistischer Zugang 111Übungen zu Abschnitt 3Übung <strong>3.</strong>1. Sei ν =(ν k ) k≥0 eine Verteilung auf N 0 mit e.F. f und 0 < ∑ k≥1 kν k < ∞.Bestimmen Sie die e.F. ihrer Größenverzerrung ̂ν.Übung <strong>3.</strong>2. Sei ν eine Verteilung auf [0, ∞) mit 0 < ∫ xν(dx) < ∞. Zeigen Sie, daß̂ν stets stochastisch größer als ν ist, d.h. ̂ν(x, ∞) ≥ ν(x, ∞) für alle x ≥ 0.Übung <strong>3.</strong><strong>3.</strong> Beweisen Sie Lemma <strong>3.</strong>4.Übung <strong>3.</strong>4. Zeigen Sie, daß E ′ = {B ′ (v, ε) :v ∈ V,ε>0} abzählbar ist und die Borelscheσ-Algebra B(V) erzeugt.Übung <strong>3.</strong>5. Beweisen Sie Satz <strong>3.</strong>6.Übung <strong>3.</strong>6. Seien n, p ≥ 1 und ϱ 1 , ..., ϱ p ∈ N n derart, daß P(ĜW n = {ϱ 1 , ..., ϱ p }) > 0.Zeigen SieP(V n = ξ k |ĜW n = {ϱ 1 , ..., ϱ p }) = 1 pfür k =1, ..., p, d.h. V n ist bedingt unter ĜW n = {ϱ 1 , ..., ϱ p } Laplace-verteilt auf dieser Menge.4. Zum Grenzverhalten nichtkritischer GWPI:Ein probabilistischer ZugangIn diesem Abschnitt wenden wir uns nochmals den in <strong>Kapitel</strong> II behandelten GWPIzu und beweisen zwei Ergebnisse im nichtkritischen Fall, die im wesentlichen schon bekanntsind (☞ Korollar II.<strong>3.</strong>2 und Satz II.4.1), aber hier auf andere Weise bewiesen werden (ohneVerwendung e.F.). Der Grund für diese Rückkehr besteht aber vielmehr in der für uns wichtigenTatsache, daß der Generationsgrößenprozeß eines größenverzerrten GWB’s, nennen wir ihngrößenverzerrten GWP, auch als GWPI aufgefaßt werden kann, wie wir als erstes zeigen wollen(☞ Satz 4.1 weiter unten).Aus Zweckmäßigkeitsgründen variieren wir unsere in II.1.1 gegebene Definition einesdefGWPI (Y n ) n≥0 dahingehend, daß wir Y 0 =0annehmen und (Y n+1 ) n≥0 als GWPI im Sinnedieser Definition voraussetzen. Dies bedeutet, daß die betrachtete Population zum Zeitpunkt0keine Individuen besitzt und erst ab der ersten Generation eine zufällige Anzahl von Immigrantenζ 1 ,ζ 2 , ... aufnimmt, die dann jeweils u.i.v. GWP starten. Die Reproduktionsverteilungwerde wie immer mit (p j ) j≥0 , die Immigrationsverteilung, also die Verteilung der unabhängigenVariablen ζ n , wieder mit (c j ) j≥0 bezeichnet. Es gilt demnach für n ≥ 1Y n = ζ n +Y∑n−1k=1ξ nk (4.1)


112 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPmit unabhängigen, jeweils gemäß (p j ) j≥0 verteilten Zufallsgrößen ξ nk ,welche die Anzahl derNachkommen der Individuen angeben. Wir sprechen im folgenden dann auch von einem GWPI(Y n ) n≥0 mit Immigrationsfolge (ζ n ) n≥1 . Eine alternative Darstellung lautet (vgl. (II.1.1))Y n =n∑ζ k∑k=1 j=1Z n−k (k, j), n ≥ 1, (4.2)in der die (Z n (k, j)) n≥0 , k, j ≥ 1, u.i.v. GWP mit einem Urahnen und Reproduktionsverteilung(p j ) j≥0 bilden und auch unabhängig von (ζ n ) n≥1 sind. Wir interpretieren hierbei (Z n (k, j)) n≥0als den vom j-ten Immigranten der k-ten Generation initiierten Prozeß.1. Verbindung zwischen GWPI und größenverzerrten GWB. Wir wollen nunzeigen, daß in einem größenverzerrten GWB mit Rückgrat die Nachkommen der Individuendes Rückgrats als Immigranten aufgefaßt werden können und so eine Verbindung zu GWPIentsteht. Die präzise Formulierung dieser Aussage gibt der folgende Satz, wobei wieder dieBezeichnungen aus Unterabschnitt <strong>3.</strong>2 gelten:def4.1. Satz. Es sei (Y n ) n≥0 ein GWPI mit Immigrationsfolge ζ n = ̂X n − 1 für n ≥ 1.Dann giltP ( (Y n ) n≥0 ∈·) = ̂Q ( (z n − 1) n≥0 ∈ ) = P ( (Ẑn − 1) n≥0 ∈·)Beweis: Offenbar gilt ̂Q(z 0 − 1 ∈·)=δ 0 = P(Y 0 ∈·). Für n ≥ 0 und (k 1 , ..., k n+1 ) ∈N n+1 ergibt sich unter Beachtung der Unabhängigkeit von ζ n+1 , (ξ n+1,j ) j≥1 und (Y 1 , ..., Y n )P(Y 1 = k 1 , ..., Y n = k n ,Y n+1 = k n+1 )(= P Y 1 = k 1 , ..., Y n = k n ,ζ n+1 +k n∑j=1(= P(Y 1 = k 1 , ..., Y n = k n ) P ζ n+1 +k∑n+1= P(Y 1 = k 1 , ..., Y n = k n )l=0k∑n+1= P(Y 1 = k 1 , ..., Y n = k n )l=0ξ n+1,j = k n+1)k n∑j=1(P ̂X n+1 = l +1,(l +1)p l+1µξ n+1,j = k n+1)k n∑j=1p ∗(k n)k n+1 −lξ n+1,j = k n+1 − lsowie andererseits mit Π(k 1 , ..., k n ) def= {τ ∈ T n : z j (τ) − 1=k j , 1 ≤ j ≤ n}̂Q(z 1 − 1=k 1 , ..., z n − 1=k n ,z n+1 − 1=k n+1 )(∑ ∑=ĜW ∈ [τ] n ,V n = ϱ, ̂X n+1 +Pτ∈Π(k 1 ,...,k n ) ϱ∈τ n∑v∈τ n \{ϱ})X v = k n+1 +1)


4. Zum Grenzverhalten nichtkritischer GWPI: Ein probabilistischer Zugang 113(∑ ∑ ( )=̂Q∗ [τ; ϱ]n P ̂X n+1 +∑)X v = k n+1 +1τ∈Π(k 1 ,...,k n ) ϱ∈τ n v∈τ n \{ϱ}(∑=̂Q ( ) )( k n+1)∑ (l +1)p l+1[τ] n p ∗(k n)kµn+1 −lτ∈Π(k 1 ,...,k n )l=0= ̂Q(z 1 − 1=k 1 , ..., z n − 1=k n )( kn+1∑l=0(l +1)p l+1µp ∗(k n)k n+1 −lHierbei ging für die zweite Gleichheit die Unabhängigkeit von ( ĜW |n ,V n) und ( )̂Xn , (X v ) v∈N nein.Aus den beiden obigen Rechnungen folgt induktiv die Identität).P(Y 1 = k 1 , ..., Y n = k n ) = ̂Q(z 1 − 1=k 1 , ..., z n − 1=k n )für alle n ≥ 1 und (k 1 , ..., k n ) ∈ N n und damit die Behauptung.♦4.2. Bemerkung. Man kann sich das gerade gezeigte Ergebnis auch ohne formale Argumenterecht gut klarmachen: Entfernt man aus dem zufälligen Baum ĜW das Rückgrat V,so zerfällt jede Generation n ≥ 1indie Teilmenge der Nachkommen des Rückgratelements V n−1der vorherigen Generation, die nicht als Wirbel gewählt wurden, d.h. B n \{V n } (☞ <strong>3.</strong>3), sowieder Menge aller anderen Nachkommen, deren Mutter irgendein Individuum in ĜW n−1 \{V n−1 }ist, also A n . Die Elemente von B n \{V n } interpretieren wir als Immigranten, sie reproduzierendefgemäß (˜p j ) j≥0 mit ˜p j = ̂p j+1 ,während (p j ) j≥0 die Reproduktionsverteilung aller anderenIndividuen bildet.Für den Rest dieses Abschnitts beschäftigen wir uns mit der bereits angekündigten Herleitungvon zwei Sätzen für nichtkritische GWPI, die uns später von Nutzen sein werden.Daß diese nur relativ geringfügige Erweiterungen von bekannten Resultaten aus <strong>Kapitel</strong> IIdarstellen, ist hier weniger von Belang als die Tatsache, daß hier keine e.F., sondern probabilistischeArgumente verwendet werden.2. Zum asymptotischen Wachstum superkritischer GWPI. Wir benötigen als ersteszwei Hilfsresultate, von denen das erste auf dem Borel-Cantelli-Lemma basiert.4.<strong>3.</strong> Lemma. Gegeben eine unabhängige Folge (X n ) n≥0 identisch verteilter, nichtnegativerZufallsgrößen, gelten die folgenden Aussagen:X n(a) limn→∞ n =0f.s., falls EX 0 < ∞.X n(b) lim supn→∞ n = ∞ f.s., falls EX 0 = ∞.(c) ∑ c n e X n< ∞ f.s. für alle c ∈ (0, 1), falls EX 0 < ∞.n≥1


114 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP(d) ∑ n≥1c n e X n= ∞ f.s. für alle c ∈ (0, 1), falls EX 0 = ∞.Beweis: Eine Anwendung von Ungleichung (A.12) auf S. 115 in [1] liefert∑n≥1( )XnPn >ε= ∑ ( )X0Pε >n n≥1≤ EX 0ε≤ ∑ n≥0P(X0ε >ε )= ∑ ( )XnPn >ε n≥0für alle ε>0. Das Lemma von Borel-Cantelli impliziert daher P( X nn>εu.o.) = 0 bzw. = 1für alle ε>0, falls EX 0 < ∞ bzw. = ∞ gilt. Es folgen die Teile (a) und (b).(c) Seien EX 0 < ∞, c ∈ (0, 1), 0


4. Zum Grenzverhalten nichtkritischer GWPI: Ein probabilistischer Zugang 115für alle n ≥ 0. Daraufhin führt uns eine Kopie des Beweises der Überquerungs-Uungleichung21.1 in [2] für beliebige b>azu der Ungleichung(b − a) E(U n (a, b)|F 0 ) ≤ E((M n − a) + |F 0 ) − E((M 0 − a) + |F 0 ) P-f.s., (4.3)wobei U n (a, b) die Anzahl der aufsteigenden Überquerungen des Intervalls (a, b) vonM biszum Zeitpunkt n angibt. Setzen wir U ∞ (a, b) def= lim n→∞ U n (a, b), so ergibt sich vermögesup n≥0 E(U n (a, b)|F 0 )=E(U ∞ (a, b)|F 0 ) f.s., der Abschätzung (4.3) sowie Bedingung (2) desLemmas(b − a)E(U ∞ (a, b)|F 0 ) ≤ sup E((M n − a) + |F 0 ) ≤ |a| + sup E(M n |G 0 ) < ∞n≥0n≥0P-f.s.und somit U ∞ (a, b) < ∞ f.s. Wie im Beweis des Martingal-Konvergenzsatzes (☞ Satz 21.2 in[2]) gelangt man schließlich zu der Schlußfolgerung()P lim inf M n < lim sup M n = 0,n→∞n→∞also zur f.s. Konvergenz von M n gegen ein M ∞ mitE(M ∞ |F 0 ) ≤ sup E(M n |G 0 )n≥0P-f.s.unter Hinweis auf das Lemma für Fatou für bedingte Erwartungen.endliche Zufallsgröße gewählt werden.Folglich kann M ∞ als♦Unser angestrebtes Resultat in diesem Unterabschnitt lautet nun (vgl. Satz II.4.1):4.5. Satz (Seneta). Sei (Y n ) n≥0 ein superkritischer GWPI mit endlichem Reproduktionsmittelµ und Immigrationsfolge (ζ n ) n≥1 . Dann gilt:(a) Ist E log + ζ 1 < ∞, sokonvergiert µ −n Y n f.s. gegen eine endliche Zufallsgröße Y ∞ .(b) Ist dagegen E log + ζ 0 = ∞, sogiltfür jedes c ∈ (0, ∞).lim supn→∞Y nc n = ∞ P-f.s.Beweis: (a) Setzen wir F 0def= σ ( (ζ n ) n≥1),soergibt sich vermöge (4.1)E(Y n |F 0 ) = ζ n + ∑ k≥0E(1 {Yn−1 =k}j=1= ζ n + ∑ k≥1kµ P(Y n−1 = k|F 0 )= ζ n + µ E(Y n−1 |F 0 ) P-f.s.,∣ )k∑ ∣∣∣ξ nj F 0


4. Zum Grenzverhalten nichtkritischer GWPI: Ein probabilistischer Zugang 117Beweis: Wäre die auftretende Reihe divergent, so folgte aus der Unabhängigkeit derA nk der Widerspruch( )1 = P lim infn→∞ Bc n( ⋂k j)= lim P ⋂A c jkn→∞= lim∏j≥n k=1k j∏n→∞j≥n k=1(= lim expn→∞≤(lim expn→∞(1 − P(Ajk ) )k j− ∑ ∑log ( 1 − P(A jk ) ))j≥n k=1− ∑ k j)∑P(A jk ) = 0. ♦j≥nk=1Mithilfe dieses Lemmas zeigen wir nun (vgl. Korollar II.<strong>3.</strong>3)4.7. Satz (Heathcote). Für einen subkritischen GWPI (Y n ) n≥0 mit Immigrationsfolge(ζ n ) n≥1 und p 0 < 1 gelten die folgenden Aussagen:(a) Ist E log + ζ 1 < ∞, sokonvergiert Y n in Verteilung gegen eine Zufallsgröße Y ∞ .(b) Gilt dagegen E log + ζ 1 = ∞, sokonvergiert Y n nach Wahrscheinlichkeit gegen ∞, d.h.für alle t>0.lim P(Y n >t) = 1n→∞Beweis: Wir überlassen es dem Leser nachzuweisen, daß aus (4.2) die VerteilungsidentitätY nd= Ŷ ndef=n∑ζ k∑k=1 j=1Z k−1 (k, j), n ≥ 1, (4.5)folgt, wobei die (Z n (k, j)) n≥0 , k, j ≥ 1, u.i.v. GWP mit einem Urahnen und Reproduktionsverteilung(p j ) j≥0 bilden und auch unabhängig von (ζ n ) n≥1 sind (☞ Übung 4.2). Im Unterschiedzu Y n hat Ŷndefnichtnegative Zuwächse Λ k = ∑ ζ kj=1Z k−1 (k, j) und konvergiert folglichf.s. gegendef= ∑ Λ k .k≥1Ŷ ∞Da die Λ k offenbar stochastisch unabhängig sind, erhalten wir mit dem Lemma von Borel-Cantelli unter Beachtung von P(Λ k ∈ N 0 )=1für jedes k die Implikationen∑{ { < ∞=0P(Λ k ≥ 1)= ∞ ⇒ P(Λ k ≥ 1 u.o.)=1k≥1{ =1⇒ P(Ŷ∞ < ∞)=0


118 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPund folglichP(Ŷ∞ < ∞) ∈ {0, 1}. (4.6)(a) Es sei nun E log + ζ 1 < ∞ vorausgesetzt und weiterhin F 0 = σ ( (ζ n ) n≥1). Dann giltunter Beachtung der Unabhängigkeit der Z k−1 (k, j) vonF 0E(Ŷ∞|F 0 ) = ∑ E(Λ k |F 0 ) = ∑ (ζk )∑E Z k−1 (k, j)∣ F 0k≥1k≥1 j=1= ∑ k≥1µ k−1 ζ k P-f.s.An dieser Stelle kommt erneut Lemma 4.3 ins Spiel, welches auf (log + ζ n ) n≥1 und c = µ ∈ (0, 1)angewandt wegen E log + ζ 1 < ∞ die f.s. Konvergenz der Reihe ∑ k≥1 µk e log+ ζ kgarantiert, also∑µ k−1 ζ k = E(Ŷ∞|F 0 ) < ∞ P-f.s.k≥1Daher gilt Ŷ∞ < ∞ f.s., und wir erhalten vermöge (4.5) das gewünschte ErgebnisdY n → Ŷ ∞ , n →∞.(b) Sei nun E log + ζ 1 = ∞ vorausgesetzt und P(Ŷ∞ = ∞) < 1 angenommen, was imfolgenden zum Widerspruch geführt wird. Gemäß (4.6) bedeutet die Annahme, daß( )∑P(Ŷ∞ = ∞) = P Λ k = ∞ = 0,k≥1so daß für D kdef= {Λ k ≥ 1} = { ∑ ζ kj=1Z k−1 (k, j) ≥ 1 }( )P lim sup D kk→∞( ∣ ) ∣∣F0= P lim sup D kk→∞= 0 P-f.s.gilt. Wegen der Unabhängigkeit von F 0 und ( (Z n (k, j)) n≥0)j,k≥1(0 = P(= P∣ )∣∣ζklim sup D k = y k ,k ≥ 1k→∞{∑ yk})Z k−1 (k, j) ≥ 1lim supk→∞j=1erhalten wir weiter( )= P lim sup B kk→∞deffür P((ζ k ) k≥1 ∈·)-fast alle (y k ) k≥1 ,wobei wir abkürzend B k = ⋃ y kj=1 {Z k−1(k, j) ≥ 1} gesetztdefhaben. Die Familie (A nk ) n,k≥1 mit A kj = {Z k−1 (k, j) ≥ 1} erfüllt offenbar die Voraussetzungenvon Lemma 4.6 (mit k n = y n für n ≥ 1), woraus wir mit diesem∑k≥1y k∑y k∑P(A kj ) = ∑ P(Z k−1 (k, j) ≥ 1) = ∑j=1 k≥1 j=1 k≥1y k P(Z k−1 (1, 1) ≥ 1) < ∞


5. Superkritische GWP: Nochmals der Satz von Kesten, Stigum 119für P((ζ k ) k≥1 ∈·)-fast alle (y k ) k≥1 , also∑ζ k P(Z k−1 (1, 1) ≥ 1) < ∞k≥1P-f.s.schließen können. Beachten wir für k ≥ 1noch die einfache Ungleichung e log+ ζ kP(Z k−1 (1, 1) ≥ 1) ≤ (1 − p 0 ) k−1 ,soergibt sich wegen 0 t) =n→∞limn→∞ P(Ŷn >t) = P(Ŷ∞ >t) = 1für alle t>0.♦Übungen zu Abschnitt 4Übung 4.1. Führen Sie die Details im Beweis von Lemma 4.3 (Erweiterung des Martingal-Konvergenzsatzes)genauer aus.Übung 4.2.Geben Sie einen Beweis von (4.5) (etwa mithilfe e.F.)5. Superkritische GWP: Nochmals der Satz von Kesten, StigumEndlich sind wir in der Lage, ein erstes klassisches Resultat für GWP, nämlich den Satzvon Kesten, Stigum, mittels der zuvor entwickelten Theorie für GWB und ihre Größenverzerrungauf alternative Weise zu beweisen. Wie schon zu Beginn des <strong>Kapitel</strong>s bemerkt, stammt dievorgestellte Methode von Lyons, Peres und Pemantle [5], und stützt sich im wesentlichen auf dasVergleichslemma <strong>3.</strong>7, die Sätze 4.1 und 4.5 sowie das nachfolgende, sehr allgemein formulierteLemma über den Zusammenhang von zwei W-Maßen auf einem filtrierten W-Raum:5.1. Lemma. Es seien P, Q W-Maße auf einem meßbaren Raum (X, A) sowie (A n ) n≥0eine Filtration über X mit σ( ⋃ n≥0 A defdefn)=A. Für P n = P |An , Q n = Q |An gelte P n


120 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP(b) Die folgenden Aussagen sind äquivalent:(b1) P


5. Superkritische GWP: Nochmals der Satz von Kesten, Stigum 121Dieselbe Argumentation wie oben liefert U n → U = dPdνund V n → V = dQdνVerbindung mit (5.2) außerdem ν(U = V =0)=0zeigt. Deshalb ist U Vund es folgt unter Hinweis auf Korollar 1<strong>3.</strong>5 in [1]ν-f.s., was inν-f.s. wohldefiniert,UV = lim U n dP n /dν n dP n= lim= lim = limn→∞ V n n→∞ dQ n /dν n n→∞ dQ X n = X ν-f.s.,n n→∞insbesondere {V =0} = {X = ∞} ν-f.s. Schließlich erhalten wirP(A) =∫AUdν ===∫∫∫A∩{V>0}AAXV dν +Udν +∫∫A∩{V =0}A∩{X=∞}UdνXdQ + P(A ∩{X = ∞}),Udνalso (5.1).♦Hier ist noch einmal der aus I.6 bekannte Satz von Kesten, Stigum in der auf dieäquivalenten Kernaussagen reduzierten Form (vgl. Satz I.6.2):5.2. Satz (Kesten, Stigum). Es seien (Z n ) n≥0 ein superkritischer GWP mit einemdefUrahnen, endlichem Reproduktionsmittel µ ∈ (1, ∞), Aussterbewahrscheinlichkeit q und W n =µ −n Z n für n ≥ 0. Für W def= lim n→∞ W n sind dann folgende Aussagen äquivalent:P(W =0)=q, (5.3)EW =1, (5.4)EZ 1 log Z 1 = ∑ k≥1p k k log k < ∞. (ZlogZ)defdefBeweis: Für n ≥ 0 setzen wir E n = {∅, T} ∪{[τ] n : τ ∈ T} und A n = σ(E n ). ZumBeweis des Satzes wenden wir Lemma 5.1 auf X = T, A = B(T), P = ̂Q und Q an. Wirweisen darauf hin, daß offenbar E = ⋃ n≥0 E n für E gemäß (1.2) gilt und somit die im Lemmageforderte Eigenschaft A = σ ( ⋃ n≥0 A n)= σ(E) gemäß (1.3) wirklich erfüllt ist.Betrachten wir nun für n ≥ 1 das durchΓ n (B) def=definierte W-Maß auf (T, B(T)), das wegenΓ n (T) =∫T∫Bw n (τ) Q(dτ),B ∈ B(T)w n (τ) Q(dτ) = E(w n ◦ GW ) = EW n = 1


122 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPtatsächlich normiert ist. Teil (c) des Vergleichslemmas <strong>3.</strong>7 liefert für A =[τ] n ∈E n∫∫̂Q(A) = w n (τ)Q([τ] n ) = w n (τ) Q(dχ) = w n (χ) Q(dχ) = Γ n (A),[τ] n Adenn für χ ∈ [τ] n gilt offenbar w n (χ) =w n (τ). Somit stimmen die W-Maße Γ n und ̂Q auf E nüberein. Da jedoch E n ein T enthaltendes, ∩-stabiles Mengensystem bildet, wie man mit (1.1)sofort überprüft, gilt bereits Γ n = ̂Q auf ganz A n = σ(E n )(☞ Satz <strong>3.</strong>8 in [1]).Insgesamt erhalten wir̂Q |An


6. Zum Grenzverhalten subkritischer GWP 123was uns mittels (5.5) schließlich zu∫1 = wdQ =T∫Ωw ◦ GW dP = EWund somit (5.4) bringt.”(5.4) ⇒ (5.3)” Im Fall EW = 1 folgt notwendigerweise P(W = 0) < 1, also unterRückgriff auf Lemma I.5.2 wie behauptet P(W =0)=q.”(5.3) ⇒ (ZlogZ)” Dies zeigen wir durch Kontraposition, nehmen also EZ 1 log + Z 1 = ∞an. Eine analoge Argumentation wie im Beweisteil ”(ZlogZ) ⇒ (5.4)” liefert dann unter Benutzungder Sätze 4.1 und 4.5()̂Q(w = ∞) = P lim sup µ −n Y n = ∞ = 1,n→∞also unter Berücksichtigung von (5.6) die gewünschte Aussage Q(w =0)=1.♦Übungen zu Abschnitt 5Übung 5.1. Beweisen Sie die Teile (b) und (c) von Lemma 5.1 [natürlich unter Benutzungvon Teil (a)].6. Zum Grenzverhalten subkritischer GWPIm subkritischen Fall (µ 0) ≤ EZ n = µ n → 0, n →∞einen ersten Anhaltspunkt für die Konvergenzgeschwindigkeit der ÜberlebenswahrscheinlichkeitP(Z n > 0) gegen 0. Wie schon in I.8, aber mit anderen Methoden, gehen wir nun der Fragenach, unter welchen Bedingungen µ n die richtige Konvergenzrate von P(Z n > 0) bildet. Dieslegt nahe, die Folgendef= µ −n P(Z n > 0), n ≥ 0c nundµ + defn = E(Z n |Z n > 0) = c −1n , n ≥ 0zu untersuchen. Die bereits bekannte Antwort, Inhalt des Satzes I.8.1 (von Kolmogorov), gebenwir in Satz 6.2 nach dem folgenden einfachen Lemma über größenverzerrte Verteilungen.6.1. Lemma. Sei (X n ) n≥0 eine Folge von integrierbaren N-wertigen Zufallsgrößen und( ̂Xdefn ) n≥0 eine assoziierte Folge von Größenverzerrungen. Dann gilt mit P n = P(X n ∈·), folglicĥP n = P( ̂X n ∈·):(a) Ist die Folge (̂P n ) n≥0 straff, folgt sup n≥0 EX n < ∞.


124 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP(b) Gilt dagegen ̂X nP→∞, also limn→∞ P( ̂X n ≤ t) =0für alle t>0, soist limn→∞ EX n = ∞.Beweis: (a) Die Straffheit der ̂P n garantiert die Existenz eines N ∈ N, sodaßinf P( ̂X n ∈{1, ..., N}) =n≥0infn≥01EX nn ∑k=1kP n ({k}) ≥ 1 2und damit1N sup EX nn≥0( / N)∑≤ sup EX n kP n ({k})n≥0k=1≤ 2.(b) Nehmen wir an, daß lim inf n→∞ EX n < ∞, also o.B.d.A. (nachTeilfolge) M def= sup n≥0 EX n < ∞. Dadann für jedes N ≥ 1Übergang zu einerlimn→∞k=1N∑kP n ({k}) ≤limn→∞MEX nN∑k=1kP n ({k}) = M limn→∞ P( ̂X n ≤ N) = 0gilt, erhalten wir 1)lim P(X n ≤ N) ≤n→∞limN→∞k=1N∑kP n ({k}) = 0.Folglich existiert zu jedem N ≥ 1 ein k N ≥ 1 derart, daß P(X kN >N) ≥ 1 2und somit auchEX kN ≥ N/2 gilt, was unserer Annahme M 0), n ≥ 0, monoton fallend und folglich konvergent. Im subkritischen Fallµ 0, (6.1)n→∞sup µ + n < ∞. (6.2)n≥0Beweis: Die Äquivalenz von (6.1) und (6.2) ist wegen µ+ n = E(Z n |Z n > 0) = cn−1 klar,sobald wir die Monotonie der c n (oder der µ + n ) nachgewiesen haben.Wir nehmen wieder an, daß Z n in der Form z n ◦ GW mit einem GWB GW vorliegt,defund schreiben abkürzend P n = P(Z n ∈·|Z n > 0) und Z n (v) def= z n ◦ Θ v ◦ GW v für n ≥ 0 undv ∈ GW . Z n (v) gibt demnach die Größe der n-ten Generation des in v ∈ GW verwurzelten(geshifteten) Teilbaums Θ v ◦ GW v (eine Kopie von GW ) an. Auf {Z n > 0} setzen wir fürn ≥ 1weiterdefϱ n = inf {v ∈ GW 1 : Z n−1 (v) > 0}} {{ }≠∅ auf {Z n >0}1) Dies läßt sich übrigens auch direkt aus Übung <strong>3.</strong>2 folgern.


6. Zum Grenzverhalten subkritischer GWP 127Da das Ereignis {H n ≠ Z n } = ∑ i≥1 {ϱ n = i, H n ≠ Z n } in der Form{∑ ∑ ∑i−1Z 1 = j, Z n−1 (u) =0,Z n−1 (i) > 0,i≥1 j≥iu=1j∑u=i+1geschrieben werden kann, zeigt eine erneute Anwendung von Satz 2.3Z n−1 (u) > 0‖P n − P n−1 ‖ ≤ P(H n ≠ Z n |Z n > 0)= P(Z n−1 > 0) ∑ ∑p j P(Z n−1 =0) i−1( 1 − P(Z n−1 =0) j−i) .P(Z n > 0)i≥1 j≥i}Setzen wirα(k) def= min{n ≥ 1:P(Z n > 0) < 1/k}, k ≥ 1,und beachten, daß δ def= sup n≥1P(Z n−1 >0)P(Z n >0)< ∞ wegenP(Z n > 0)P(Z n−1 > 0) = E(1 − pZ n−10 |Z n−1 > 0) ≥ 1 − p 0für alle n ≥ 1 gilt, so gelangen wir durch geeignete Umordnung zu der Abschätzungwobei∑‖P n − P n−1 ‖ ≤ δ ∑ ∑ ∑p j P(Z n =0) i−1( 1 − P(Z n =0) j−i) = δ(I 1 + I 2 ),n≥1 n≥0 i≥1 j≥iI 1I 2def= ∑ j≥1def= ∑ p jj≥1α(j)−1∑p jn=0∑j∑P(Z n =0) i−1( 1 − P(Z n =0) j−i)i=1n≥α(j) i=1j∑P(Z n =0) i−1( 1 − P(Z n =0) j−i) .undDie Terme I 1 und I 2 werden nun getrennt abgeschätzt. Unter Benutzung der aus der Monotonieder c n resultierenden UngleichungP(Z α(k)−1 > 0) ≤ µ α(k)−1−n P(Z n > 0)für 0 ≤ n 0)


128 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP≤ ∑ j≥1α(j)−1∑p jn=1≤ ∑ ∑jp j µ nj≥1 n≥0µ=1 − µ < ∞.Eine ähnliche Rechnung unter Benutzung vonµ α(j)−1−n 1P(Z α(j)−1 > 0)} {{ }≤jP(Z n > 0) ≤ µ n−α(k) P(Z α(k) > 0)für n ≥ α(k), die sich natürlich erneut aus der Monotonie der c n ergibt, sowie der für x ∈ [0, 1]und j ≥ 0gültigen Abschätzung 1 − (1 − x) j ≤ jx liefertI 2≤ ∑ ∑ j∑ (p j1 − P(Zn =0) j−i)j≥1 n≥α(j) i=1≤ ∑ ∑j∑p j P(Z n > 0) (j − i)j≥1 n≥α(j)i=1≤ ∑ ∑j 2 p j µ n P(Z α(j) > 0)} {{ }j≥1 n≥0≤1/jµ≤1 − µ < ∞.Insgesamt haben wir also∑‖P n − P n−1 ‖ ≤ δ(I 1 + I 2 ) < ∞,n≥1also (6.6) verifiziert. Insbesondere bildet (P n ) n≥0 damit eine Cauchy-Folge bezüglich ‖·‖ undkonvergiert folglich gegen in Totalvariation einen Limes π (☞ Satz A.4).♦Für Aussagen zur Konvergenzgeschwindigigkeit von P n gegen π verweisen wir auf Übung6.4., während die Eigenschaft der Quasi-Invarianz von π in Übung 6.5 behandelt wird.Übungen zu Abschnitt 6Übung 6.1. Beweisen Sie die folgende Verschärfung von Lemma 6.1(a): Genau dannist die Familie (̂P n ) n≥0 straff, wenn die Folge (X n ) n≥0 gleichgradig integrierbar ist. [Hinweis:Zeigen Sie zuerst, daß die Straffheit von (̂P n ) n≥0 äquivalent ist zur Existenz einer monotonwachsenden, unbeschränkten Funktion ϕ :[0, ∞) → [0, ∞) mitsup Eϕ( ̂X n ) < ∞.n≥0


Benutzen sie anschließend (<strong>3.</strong>4) und Satz 50.2 in [1].]Übungen zu Abschnitt 6 129Übung 6.2. Sei X eine nichtnegative, integrierbare Zufallsgröße mit Verteilung P undQ def= P(X ∈·|X>0). Zeigen Sie, daß die zugehörigen Größenverzerrungen übereinstimmen,also ̂P = ̂Q gilt.Übung 6.<strong>3.</strong> Gegeben sei die Situation und Notation von Satz 6.2 und dessen Beweis.Sei ferner ˜Z 1 eine Zufallsgröße mit P( ˜Z 1 = i) =µ −1 P(Z 1 ≥ i) für i ∈ N. Zeigen Sie mittels(6.3), daß()c n − c n+1 = c n 1 − E(1 − µ n c )˜Z 1−1n ≤ µ n E( ˜Z 1 − 1) 2gilt (was insbesondere die Monotonie der c n zeigt) und folgern Sie daraus weiterc n = c + O(µ n ), n →∞,falls (Z n ) n≥0 endliche Reproduktionsvarianz besitzt.Übung 6.4. Gegeben sei die Situation und Notation von Satz 6.3 und dessen Beweis.Zeigen Sie:(a) Aus (ZlogZ) folgt α(k) ≃ log 1/µ k = log k/| log µ| für k →∞.(b) Für jedes p ≥ 1 gilt∑j log p jp j < ∞ ⇒ ∑ n p ‖P n − P n−1 ‖ < ∞ ⇒ limn→∞ np ‖P n − π‖ =0.j≥1 n≥1(c) Für jedes 1


130 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP— quasi-stationär, falls P λ (Z n ∈·|Z n > 0) w → π für eine Anfangsverteilung λ gilt, d.h.für alle j ∈ N gilt.lim P λ(Z n = j|Z n > 0) = π j (6.7)n→∞Zeigen Sie für die Limesverteilung π aus Satz 6.3, die offensichtlich quasi-stationär ist (mitλ = δ 1 ):(a) π ist µ-invariant.(b) π ist quasi-invariant.(c) π erfüllt (6.7) unter jeder Anfangsverteilung λ mit λ 0 =0. [Hinweis: Zeigen Sie dieBehauptung für jedes λ = δ k , k ∈ N, per Induktion über k.](d) π ist die einzige quasi-invariante Verteilung für (Z n ) n≥0 .7. Und schließlich kritische GWPWir kommen schließlich zur Untersuchung kritischer GWP unter Benutzung größenverzerrterBäume mit Rückgrat, wobei die folgende Zerlegung von Ẑn = z n ◦ ĜW grundlegendist: Unter Beibehaltung der bisherigen Notation seifür v ∈ ĜW und dann für (j, n) ∈ N 2 ≤S n,jdef=Ẑ n (v) def= z n ◦ Θ v ◦ ĜW v , n ≥ 0∑def= {(k, l) ∈ N 2 : k ≤ l}ϱ∈ĜW j :V j−1 ≼ϱ≠V j Ẑ n−j (ϱ) = Ẑn−j+1(V j−1 ) − Ẑn−j(V j )sowieR n,jdef=∑Ẑ n−j (ϱ).ϱ∈ĜW j :V j−1 ≼ϱ,V j


7. Und schließlich kritische GWP 131für (j, n) ∈ N 2 ≤ ,sohält das folgende Lemma weitere wichtige Eigenschaften der zuvor eingeführtenZufallsgrößen fest.7.1. Lemma. Sei (Z n ) n≥0 ein kritischer GWP mit Reproduktionsvarianz σ 2 > 0. Danngilt in den zuvor eingeführten Bezeichnungen:(a) Für jedes n ≥ 1 sind die Zufallsvektoren (R n,1 ,S n,1 ), ..., (R n,n ,S n,n ) und damit ebenso dieEreignisse A n,1 , ..., A n,n stochastisch unabhängig.(b) Für jedes (j, n) ∈ N 2 ≤ ist ER n,j = σ 2 /2.(c) Für jedes (j, n) ∈ N 2 ≤ ist P(A n,j) = P(Z n−j+1>0)P(Z n−j >0)und konvergiert gegen 1, falls n−j →∞.(d) Für jedes j ≥ 1 giltund im Fall σ 2 < ∞ außerdemlim ER n,j1 An,j = σ2n→∞ 2lim ER n,j1 Acn→∞ n,j= 0.Beweis: (a) Für 1 ≤ j ≤ n seien (r j ,s j ) ∈ N 2 ≤ ,undM jN jdef= {ϱ ∈ ĜW j : ϱ ≽ V j−1 ,ϱV j }.Folglich enthält M j bzw. N j alle Kinder des Rückgratknotens V j−1 , die kleiner bzw. größerals V j sind, sich also links bzw. rechts von V j in ĜW befinden.defAuf dem Ereignis D n = ⋂ n−1i=0 { ̂X i = k i ,C i = v i } gilt einerseitsV j = v 0 ...v j−1 ∈ N j ,andererseits sind im Fall P(D n )= ∏ n−1i=0 p k i> 0 die ZufallsgrößenẐ n−j (v),1 ≤ j ≤ n, v ∈ M j ∪ N jdefbedingt unter D n stochastisch unabhängig und für festes j identisch nach Γ n−j = P(Z n−j ∈·)verteilt, wie sich aus der Konstruktion <strong>3.</strong>3 größenverzerrter GWB in Analogie zu Satz 2.3ergibt. Da für jedes j offenbar{R n,j = r j ,S n,j = s j } ={ ∑v∈M jẐ n−j (v) =s j − r j , ∑v∈N jẐ n−j (v) =r j}


132 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPgilt, folgt()P R n,j = r j ,S n,j = s j , 1 ≤ j ≤ n= ∑ ∗n∏=j=1n−1∏i=0p ki∑n ∏j=1Γ ∗(v j−1−1)n−j ({s j − r j })Γ ∗(k j−1−v j−1 )n−j ({r j })1≤v j−1 ≤k j−1p kj−1 Γ ∗(v j−1−1)n−j ({s j − r j })Γ ∗(k j−1−v j−1 )n−j ({r j }),wobei sich die Summation ∑ ∗ über alle Tupel ( (v 0 ,k 0 ), ..., (v n−1 ,k n−1 ) ) ∈ (N 2 ≤ )n erstrecktund die letzte Zeile nach Umordnung dieser Summe ergibt. Dies zeigt die behauptete Unabhängigkeitder (R n,j ,S n,j ) mitP(R n,j = r, S n,j = s) =∑1≤m≤kp k Γ ∗(m−1)n−j ({s − r})Γ ∗(k−m)n−j ({r}) (7.2)für (r, s) ∈ N 2 ≤ und 1 ≤ j ≤ n.(b) Vermöge (7.2) erhalten wirER n,j = ∑ r≥1r P(R n,j = r)= ∑ r ∑ k∑p k Γ ∗(k−m)n−j ({r})r≥1 k≥1 m=1= ∑ k∑ ∑p k rΓ ∗(k−m)n−j ({r})k≥1 m=1 r≥1= ∑ k∑p k (k − m) EZ n−j} {{ }k≥1 m=1=1= ∑ k(k − 1)p k2k≥1= σ22 .(c) Auch hier benutzen wir (7.2) und erhaltenP(A n,j ) = P(R n,j = S n,j )= ∑ k∑p k Γ ∗(m−1)n−j ({0})k≥1 m=1= ∑ k∑p k P(Z n−j =0) m−1k≥1 m=1


==7. Und schließlich kritische GWP 1331P(Z n−j > 0)1P(Z n−j > 0)∑ (p k 1 − P(Zn−j =0) k)k≥1∑p k P(Z n−j+1 > 0|Z 1 = k)k≥1= P(Z n−j+1 > 0)P(Z n−j > 0) .Die Behauptung P(A n,j ) → 1, falls n − j →∞, ergibt sich wegen P(Z n−j =0)↑ 1 aufgrundmonotoner Konvergenz des dritten Ausdrucks der obigen Gleichungskette gegen ∑ k≥1 kp k =1.(d) Der besagte Erwartungswert besitzt gemäß (7.2) die DarstellungER n,j 1 An,j = ∑ r≥1r P(R n,j = r, R n,j = S n,j )k∑= ∑ r ∑r≥1 k≥1 m=1= ∑ k∑p k P(Z n−j =0) ∑ m−1 rΓ ∗(k−m)n−j ({r})k≥1 m=1 r≥1= ∑ k∑p k P(Z n−j =0) m−1 (k − m).k≥1 m=1p k Γ ∗(m−1)n−j({0})Γ ∗(k−m)n−j ({r})Eine erneute Anwendung des Satzes von der monotonen Konvergenz in Verbindung mit derRechnung in Teil (b)limn→∞ ER n,j1 An,j= ∑ k≥1k∑m=1p k (k − m) = σ22 .Im Fall σ 2 < ∞ folgt nun mit (b) außerdem sofortER n,j 1 Acn,jwas den Beweis komplettiert.= σ22 − ER n,j1 An,j → 0, n →∞,♦7.2. Bemerkungen. (a) Ein ähnliches Vorgehen wie im Beweis von Lemma 7.1(b)liefert ES n,j = σ 2 , ein Ergebnis, das wir allerdings nicht benötigen und dehalb auch nichtherleiten, sondern dem Leser als Übung ans Herz legen (☞ Übung 7.1).(b) Der obige Beweis hat gezeigt, daß die Ausdrücke ER n,j 1 An,j , ER n,j 1 Acn,jund P(A n,j )von (j, n) nurüber n − j abhängen. Deshalb verwenden wir im folgenden die Schreibweisenα n−jdef= ER n,j 1 An,j , β n−jdef= ER n,j 1 Acn,jund γ n−jdef= P(A n,j ),und Lemma 7.1 sichert dannlimn→∞ α n = σ 2 /2, limn→∞ γ n = 1


134 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPsowie im Fall σ 2 < ∞lim β n = 0.n→∞Wir sind nun in der Lage, einen probabilistischen Beweis des folgenden, bereits in SatzI.9.1 enthaltenen Resultats zu geben, welches erstmals von Kolmogorov unter der VoraussetzungEZ1 3 < ∞ gezeigt wurde, in dieser Allgemeinheit aber von Kesten, Ney und Spitzerstammt:gilt7.<strong>3.</strong> Satz. Für einen kritischen GWP (Z n ) n≥0 mit Reproduktionsvarianz σ 2 ∈ (0, ∞]lim n P(Z n > 0) =n→∞mit der üblichen Vereinbarung 1 ∞def=0.(lim E ( Z n /n|Z n > 0 )) −1 2 =n→∞σ 2Beweis: Für n ≥ 1 setzen wirR ndef= 1+n∑R n,j .j=1Da R n,j die Anzahl der Individuen in ĜW n angibt, die größer als V n sind und von V j−1 , nichtaber von V j abstammen, bezeichnet R n gerade die Anzahl der Individuen in ĜW n , die größeroder gleich V n sind. 1)Zum besseren Verständnis des weiteren Vorgehens, das wiederum auf einer Kopplungbasiert, seien folgende Hinweise gegeben: Mittels Lemma 7.1(b) sieht man schnell, daß ER n /ndenselben Limes σ 2 /2besitzt wie im Satz für E(Z n /n|Z n > 0) behauptet. Deshalb werden wirim Anschluß Zufallsgrößen Rn, ∗ n ≥ 1, konstruieren, die einerseits(i) Rn∗ d= P n = P(Z n ∈·|Z n > 0) für alle n ≥ 1 (☞ (7.9))und andererseits (im Fall σ 2 < ∞)(ii) n −1 E|R n − R ∗ n|→0für n →∞ (☞ (7.10))erfüllen. Dies liefert dann wie gewünscht E(Z n /n|Z n > 0) → σ 2 /2.Die Konstruktion der Rn ∗ ist allerdings keineswegs offensichtlich und erfordert als erstesdie Einsicht, daß Ẑn bedingt unter dem EreignisA ndef= {V n = min ĜW n },(alle Individuen in ĜW n \{V n } befinden sich rechts von V n )ebenfalls nach P n verteilt ist (☞(7.5)): Wegen R n,j ≤ S n,j für jedes j ≤ n folgt offenkundigA n = {R n = Ẑn} =n⋂{R n,j = S n,j } =j=1n⋂A n,j (7.3)j=11) R n − 1 gibt also die Anzahl der Individuen in ĜW n an, die sich rechts von V n befinden.


7. Und schließlich kritische GWP 135und via Lemma 7.1P(A n ) =n∏P(A n,j ) =j=1n∏j=1P(Z n−j+1 > 0)P(Z n−j > 0)= P(Z n > 0)P(Z 0 > 0)= P(Z n > 0). (7.4)Die für k ≥ 1gültige RechnungP({Ẑn = k}∩A n ) = P(Ẑn = k, V n = min ĜW n )∑ ( )=̂Q ∗ [τ; min τn ] n=τ∈T n :z n (τ)=k∑τ∈T n :z n (τ)=kQ ( [τ] n)= P(Z n = k),in die für die vorletzte Gleichheit einmal mehr das Vergleichslemma <strong>3.</strong>7 eingeflossen ist, impliziertsomit die angekündigte VerteilungsidentitätP(Ẑn ∈·|A n ) = P(Z n ∈·|Z n > 0) = P n . (7.5)Damit können wir uns der Konstruktion der Zufallsgrößen Rn ∗ mit Verteilung P n in Angriffnehmen: Bei festem n ≥ 1 seien hierzu R n,1, ′ ..., R n,n ′ stochastisch unabhängige Zufallsgrößenauf (Ω, A, P) mitP(R ′ n,j ∈·) = P(R n,j ∈·|A n,j ) = P(S n,j ∈·|A n,j ) (7.6)für 1 ≤ j ≤ n, wobei auf P(A n,j )=γ n−j > 0 hingewiesen sei. Der Vektor (R n,1, ′ ..., R n,n) ′ seiaußerdem unabhängig von (R n,1 ,S n,1 ), ..., (R n,n ,S n,n ). Definieren wir nunR ∗ n,jdef= R n,j 1 An,j + R ′ n,j1 Acn,j(7.7)sowieR ∗ ndef= 1+n∑Rn,j, ∗ (7.8)j=1so sind vermöge Lemma 7.1 auch die Zufallsgrößen Rn,1, ∗ ..., Rn,n ∗ stochastisch unabhängig, undes gilt für k ≥ 1 und j ≤ n aufgrund der getroffenen UnabhängigskeitsannahmenP(R ∗ n,j = k) = P({R n,j = k}∩A n,j ) + P({R ′ n,j = k}∩A c n,j)= P({S n,j = k}∩A n,j ) + P(R n,j ′ = k) P(A c n,j)= P(S n,j = k|A n,j ) ( P(A n,j )+P(A c n,j) )= P(S n,j = k|A n,j )


136 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPund damit im Hinblick auf (7.1) und (7.3)P(R ∗ n = k) ====∑k 1 ,...,kn≥0,k 1 +...+kn=k−1∑k 1 ,...,kn≥0,k 1 +...+kn=k−1∑k 1 ,...,kn≥0,k 1 +...+kn=k−11P(A n )P(R ∗ n,j = k j , 1 ≤ j ≤ n)n∏P(Rn,j ∗ = k j )j=1n∏P(S n,j = k j |A n,j )j=1∑k 1 ,...,kn≥0,k 1 +...+kn=k−11=P(A n ) P({Ẑn = k}∩A n )= P(Ẑn = k|A n ).P({S n,j = k j , 1 ≤ j ≤ n}∩A n )Dies garantiert mit Blick auf (7.5) wie angekündigtP(R ∗ n ∈·) = P n = P(Z n ∈·|Z n > 0). (7.9)Sei nun zunächst σ 2 < ∞ vorausgesetzt. Dann gilt nach Definition der Rn,j ∗Hinweis auf Lemma 7.11n |ER n − ERn| ∗ ≤ 1 n E|R n − Rn|∗≤1 n∑E|R n,j − R ∗nn,j|≤1 n= 1 n= 1 n= 1 n= 1 nj=1n∑∫j=1n∑∫j=1A c n,jA c n,j(R n,j + R ∗ n,j) dP(R n,j + R ′ n,j) dPn∑ (βn−j + P(A c n,j) ER n,j)′j=1n∑j=1n∑j=1(β n−j + 1 − γ )n−jER n,jγ n−j(β j + 1 − γ j σ 2γ j 2).sowie unter(7.10)Der letzte Ausdruck ist jedoch das n-te Césaro-Mittel der Nullfolge (β j + 1−γ jγ jσ 22 ) j≥1 (☞ Be-


7. Und schließlich kritische GWP 137merkung 7.2(b)) und konvergiert folglich ebenfalls gegen 0. Damit erhalten wirERn∗∣ n− σ22 ∣ ≤ |ER∗ n − ER n |+ER nn ∣ n− σ22 ∣1= o(1) +∣n + 1 n∑ER n,j − σ2n2 ∣ = o(1).j=1} {{ }=σ 2 /2Daraus folgt schließlich vermöge (7.9)1n P(Z n > 0) = E(Z n|Z n > 0)n= ER∗ nn→ σ22 , n →∞.Für den noch unerledigten Fall σ 2 = ∞ notieren wir unter Hinweis auf (7.7) und (7.8)R ∗ n≥n∑R n,j 1 An,jj=1und folgern1n P(Z n > 0) = ER∗ nn≥1 n∑ER n,j 1 An,j = 1 n−1∑nnj=1j=0α j→ σ22= ∞, n →∞,denn der Satz von Césaro bleibt richtig, wenn das Césaro-Mittel über eine Folge mit Limes ∞(hier (α j ) j≥0 ) gebildet wird.♦7.4. Bemerkung. Die im obigen Beweis als (ii) formulierte und mit (7.10) bewieseneAussage im Fall σ 2 < ∞ besagt gerade die L 1 -Konvergenz von n −1 (R n − Rn) ∗ gegen 0, wasinsbesondereR nn − R∗ n P→ 0, n →∞ngarantiert. Diese Tatsache werden wir im Beweis von Satz 7.8 verwenden, denn mit dem Satzvon Slutsky (☞ Satz 36.12 in [1]) garantiert sie uns, daß die Verteilungskonvergenz von R n /nund die von Rn/n ∗ äquivalente Bedingungen sind (bei notwendig gleichen Grenzverteilungen).Wir kommen nun zur Konvergenz der bedingten Verteilung von Z n /n gegeben Z n > 0gegen eine Exponentialverteilung mit Parameter 2/σ 2 (die dritte Aussage in Satz I.9.1). Diedrei nachfolgenden Lemmata bilden die notwendige Vorarbeit, wobei das erste Lemma dieVerträglichkeit von Verteilungskonvergenz und Größenverzerrung beleuchtet. Den einfachenBeweis überlassen wir dem Leser zur Übung (☞ Übung 7.2).7.5. Lemma. Es sei (X n ) n≥0 eine Folge nichtnegativer Zufallsgrößen mit endlichen,positiven Erwartungswerten sowie ( ̂X n ) n≥0 eine Folge assoziierter Größenverzerrungen. Es gelteX n → X0 . Dann folgt aus der Verteilungskonvergenz der ̂X n bereits ̂Xd dn → ̂X0 .


138 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPUnser zweites Lemma stellt einen Zusammenhang zwischen R n und Ẑn her: Lax gesprochen,erhält man R n durch Stauchung von Ẑn mit einem auf (0, 1) gleichverteilten Faktor.7.6. Lemma. Sei U eine von (Ẑn) n≥0 unabhängige, R(0, 1)-verteilte Zufallsgröße. Danngilt für jedes n ≥ 1 die VerteilungsidentitätR nd= ⌈U Ẑ n ⌉,wobei für x ∈ R wie üblich ⌈x⌉ def= min{n ∈ Z : n ≥ x} gesetzt sei.Beweis: Wie im Beweis von Satz 7.3 gesehen, gibt R n − 1 die Anzahl der Individuen inĜW n an, die sich rechts von V n befinden; insbesondere gilt R n ≤ Ẑn. Ordnen wir für τ ∈ Tmit z n (τ) =m, m ≥ 1, die Individuen in τ n in der Formϱ (1)n(τ) < ... < ϱ (m)n (τ)und ziehen erneut das Vergleichslemma <strong>3.</strong>7 zu Rate, so folgt für k ≥ 1P(R n = k) = ∑ l≥kP(Ẑn = l, R n = k)= ∑ l≥k= ∑ l≥k∑τ∈T n :z n (τ)=l∑τ∈T n :z n (τ)=l= ∑ l≥kP(Z n = l)̂Q ∗([τ; ϱ(l−k+1)n (τ)] n)Q ( [τ] n)= ∑ ( k − 1P(Ẑn = l) P(


7. Und schließlich kritische GWP 139vorherigen Variablen unabhängige Zufallsgröße. Dann sind äquivalent:X = d Exp(1/ν), (7.11)X = d U ̂X, (7.12)X = d U(X 1 + X 2 ). (7.13)Beweis: Wir zeigen als erstes ”(7.11)⇔(7.12)”. Bezeichnet ϕ die L.T. von X, sobedeutet(7.12) vermöge des Eindeutigkeitssatzes für L.T. (benutze (<strong>3.</strong>4) und den Satz von Fubini)ϕ(t) = Ee −tU ̂X == 1 ν∫ 10= 1 − ϕ(t)νt∫ 10Ee −tu ̂X duEXe −tuX du = 1 ν E (X∫ 10)e −tuX dufür alle t>0 und somitϕ(t) = 1/νt +1/ν , t > 0,was, wiederum mit dem Eindeutigkeitssatz für L.T., zu (7.11) äquivalent ist.Zur Einsicht von ”(7.11),(7.12)⇒(7.13)” genügt der Hinweis, daß ein Dichtevergleich (☞(<strong>3.</strong>5) für die Dichte von ̂X) sofort ̂X = d dX 1 + X 2 = Γ(2, 1/ν) und damit auch (7.13) liefert. Esbleibt also nur noch ”(7.13)⇒(7.11)” zu zeigen. Da X 1 + X 2 die L.T. ϕ 2 besitzt, ergibt sichdie Äquivalenz von (7.13) mitwas nach Differentiationϕ(t) =∫ 10ϕ ′ (t) = − 1 t 2 ∫ tϕ(ut) 2 du = 1 t0∫ t0ϕ(u) 2 du, t > 0, (7.14)ϕ(u) 2 du + ϕ(t)2 , t > 0 (7.15)tliefert und per Kombination von (7.14) und (7.15) zu der Differentialgleichungtϕ ′ (t)+ϕ(t) = ϕ(t) 2 , t > 0 (7.16)führt. Betrachten wir nun die auf (0, ∞) positive Funktion Ψ def= 1−ϕϕ mit Ableitung Ψ′ = − ϕ′ϕ 2und Ψ(0) = 0, so folgt aus (7.16) weiterΨ ′ (t)Ψ(t)=ϕ ′ (t)ϕ(t) 2 − ϕ(t) = 1 t , t > 0und dann bei Integration über beliebige (s, t) ⊂ (0, ∞)( )log Ψ(t)/Ψ(s)=∫ tsΨ ′ ∫(u)tΨ(u) du =s1udu = log(t/s),


140 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPwas schließlichΨ(t) = Ψ(s) t, t>ssfür alle s>0 ergibt. Damit gilt Ψ(t) =at für ein a>0 auf ganz [0, ∞), alsoϕ(t) =11+Ψ(t) = 11+at= 1/at +1/a , t > 0und somit X d = Exp(1/a), wobei dann nach Voraussetzung a = EX = ν gelten muß.♦Nach diesen Vorbereitungen sind wir in der Lage, das auf Yaglom zurückgehende Konvergenzresultat(I.9.4) probabilistisch zu beweisen.7.8. Satz (Yaglom). Gegeben einen kritischen GWP (Z n ) n≥0 mit Reproduktionsvarianzσ 2 ∈ (0, ∞), gilt für t ≥ 0P(Z n /n ≤ t|Z n > 0) = 1− exp(−2t/σ 2 ),d.h. die bedingte Verteilung P(Z n /n ∈·|Z n > 0) konvergiert schwach gegen die Exponentialverteilungmit Parameter 2/σ 2 .Beweis: Die Bezeichnungen von Satz 7.3 und dessen Beweis seien weiter gültig. DaRn∗ d= P(Z n ∈·|Z n > 0) für alle n ≥ 1 gemäß (7.9), müssen wir Rn/n ∗ → d Exp(2/σ 2 ) zeigen.Die Voraussetzung σ 2 < ∞ sichert wegen ERn/n ∗ → σ 2 /2(☞ Beweis von Satz 7.3) undEẐn = EZn/EZ 2 n = VarZ n +1=nσ 2 +1(☞ Satz I.2.2)κ def ERn∗ = supn≥1 nER n< ∞, supn≥1 n= σ22EẐn+1 < ∞ und supn≥1 n= σ 2 +1 < ∞und damit die Straffheit der Folgen(P(R∗n /n) ∈·) ) n≥1 , (P(Rn /n) ∈·) ) und ( P(Ẑn/n) ∈·) ) n≥1 n≥1 ,wie sich leicht mit der Markov-Ungleichung zeigen läßt. Nach dem Auswahlsatz von Helly-Bray(☞ Satz 44.1 in [1]) und unter Beachtung von (R n −Rn)/n ∗ → P 0(☞ Bemerkung 7.4) existierendeshalb (o.B.d.A. auf (Ω, A, P) definierte) Zufallsgrößen S, T mitR ∗ n k/n kd→ S, Rnk /n kd→ S und Ẑnk /n kd→ T (7.17)für eine geeignete aufsteigende Teilfolge (n k ) k≥1 in N. Ferner liefert (7.9) für t>0 und n ≥ 1P(Ẑn/n ≤ t) = EZ n1 {Zn /n≤t}EZ n= E(Z n1 {Zn /n≤t}|Z n > 0)E(Z n |Z n > 0)= E( 1 {R ∗n/n≤t}Rn/n ) ∗E(Rn/n)∗ ,


7. Und schließlich kritische GWP 141so daß Ẑn/n eine Größenverzerrung von Rn/n ∗ bildet. Dies liefert für t > 0 und n ≥ 1insbesondereE ( 1 {R ∗ n/n>t}Rn/n ∗ ) ≤ κ P(Ẑn/n > t),also im Hinblick auf die Straffheit von (P(Ẑn/n ∈·)) n≥1 die gleichgradige Integrierbarkeit derFolge (Rn ∗ k/n k ) k≥1 ,welche vermöge Satz 50.5 in [1]ES =ERn ∗ limkk→∞ n k= σ22∈ (0, ∞) (7.18)impliziert. Eine Anwendung von Lemma 7.5 (mit X 0 = S, X k = Rn ∗ k/n k und ̂X k = Ẑn k/n kfür k ≥ 1) liefert nun T = d Ŝ für jede auf (Ω, A, P) definierte Größenverzerrung Ŝ von S undsomitdẐ nk /n k → Ŝ, k →∞.Bezeichnet im folgenden U eine von Ŝ und (Ẑn) n≥1 unabhängige, R(0, 1)-verteilte Zufallsgröße,so folgt unter Hinweis auf Satz 36.11 in [1]dUẐn k/n k → U Ŝ, k →∞.Wegendef0 ≤ ∆ n = ⌈UẐn⌉ − UẐn ≤ 1 n n nzeigt Satz 36.12 in [1] in Verbindung mit Lemma 7.6→ n, n →∞R nkn kd=⌈UẐn k⌉n k= UẐn kn k+∆ nkd→ U Ŝ, k →∞.Folglich sind im Hinblick auf die erste Aussage in (7.17) die Zufallsgrößen S und UŜ identischverteilt, was S = d Exp(2/σ 2 )vermöge Lemma 7.7 (und ES = σ 2 /2 gemäß (7.18)) beweist.Ist nun (n ′ k ) k≥1 irgendeine andere aufsteigende Teilfolge derart, daß Rn ∗ k/n ′ ′ kin Verteilungkonvergiert und o.E. gleiches auch für R n′ /n′ k k und Ẑn ′ /n′ k k gilt (sonst dünne (n′ k ) k≥1 nochmalsgeeignet aus), so liefert dieselbe Argumentation wie zuvor, daß auch Rn ∗ k/n ′ ′ kdie GrenzverteilungExp(2/σ 2 )besitzt. Jede verteilungskonvergente Teilfolge von (Rn/n) ∗ n≥1 hat demnach denselbenLimes, was gemäß Korollar 44.4 in [1] schließlichRn/n ∗ → d Exp(2/σ 2 ), n →∞und so die Behauptung impliziert.♦7.9. Bemerkung. Zur probabilistischen Interpretation des obigen Beweises läßt sichfolgendes anmerken: Die mit S bezeichnete Grenzvariable genügt gemäß Lemma 7.7 der VerteilungsidentitätS = d UŜ = d U(S 1 + S 2 ),


142 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPwobei S 1 ,S 2 voneinander und von U unabhängige Kopien von S bilden. Schreiben wir Ẑn inder FormẐ n = 1+L n + R n ,wobei L n die links von V n befindlichen Individuen in ĜW n angibt, so lassen sich S 1 und S 2als (Verteilungs-)Grenzwerte von L n /n bzw. R n /n auffassen.Übungen zu Abschnitt 7Übung 7.1. Beweisen Sie die in Bemerkung 7.2(a) aufgestellte Behauptung ES n,j = σ 2für alle (j, n) ∈ N 2 ≤ .Übung 7.2. Beweisen Sie Lemma 7.5. [Hinweis: Überlegen Sie sich, daß es reicht, dievage Konvergenz der P( ̂X n ∈·) gegen P( ̂X 0 ∈·)zuzeigen, und benutzen Sie Übung 6.1.]Übung 7.<strong>3.</strong> Betrachten Sie die Situation von Lemma 7.7, und sei {U v : v ∈ V 2,∞ }eine unabhängige Familie identisch R(0, 1)-verteilter Zufallsgrößen, wobei V 2,∞ = ⋃ n≥0{1, 2}nwieder den homogenen Baum der Ordnung 2 und Höhe ∞ bezeichnet (☞ Abschnitt I.12). Fürv = v 1 ...v n ∈ V 2,∞ setzen wirund dannT (v) = (T 1 (v),T 2 (v)) def= (U v ,U v )L(v) def= T v1 (∅)T v2 (v 1 ) · ... · T vn (v 1 ...v n−1 ) = U ∅ U v1 · ... · U v1 ...v n−1.Dies läßt sich so interpretieren, daß wir zunächst jeder Kante (v, vi) ∈ V 2 2,∞ das Gewicht T i (v)zuordnen. Anschließend erhält jeder Pfad ∅ → v das Gewicht, welches sich durch Multiplikationder Kantengewichte entlang dieses Pfades ergibt. Sei schließlich {X v : v ∈ V 2,∞ } eineweitere unabhängige Familie identisch verteilter, nichtnegativer Zufallsgrößen mit positivemund endlichem Erwartungswert ν, die auch unabhängig von {U v : v ∈ V 2,∞ } ist. Die Verteilungder X v werde mit F bezeichnet. Zeigen Sie:(a) Aus F = Exp(1/ν) folgt∑dX ∅ = L(v)X vv∈V 2,∞ ,|v|=nfür alle n ≥ 1.(b) Für allgemeines F mit Erwartungswert ν und endlicher Varianz gilt∑dL(v)X v → Exp(1/ν), n →∞.v∈V 2,∞ ,|v|=ndef[Hinweis: Betrachten Sie hierzu ∆ n = ∑ v∈V 2,∞ ,|v|=n L(v)(X v−Y v )für eine von allen vorhereingeführten Zufallsgrößen unabhängige Familie {Y v : v ∈ V 2,∞ } u.i.v. Zufallsgrößen


Anhang: Der Variationsabstand 143mit Verteilung Exp(1/ν). Zeigen Sie ∆ nSie (a).](c) Im Fall F = δ 1 definiertP→ 0 durch Berechnung von Var∆n und benutzenW ndef=∑L(v)X v =∑L(v)v∈V 2,∞ ,|v|=nv∈V 2,∞ ,|v|=nein Martingal und konvergiert f.s. gegen ein W d = Exp(1).Übung 7.4. Gegeben sei die Situation von Lemma 7.7, jedoch mit zwei unabhängigenR(0, 1)-verteilten Zufallsgrößen U 1 ,U 2 , die auch von X, X 1 ,X 2 unabhängig sind. Zeigen Siedie Äquivalenz von X d = Γ(2, 1/ν),undX d = U 1 X 1 + U 2 X 2 .Anhang: Der VariationsabstandIm folgenden geben wir eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Fakten über denVariationsabstand. Beginnen wir mit der Definition:A.1. Definition.(X, A). Dann definiertSei P = P(X, A) die Menge der W-Maße auf einem meßbaren Raumd V (P, Q) def= sup |P (A) − Q(A)|, P,Q ∈ P (A.1)A∈Aeine Metrik auf P, genannt Variations- oder Supremumsabstand. Anstelle von d V (P, Q) schreibenwir auch ‖P −Q‖. Konvergenz bezüglich d V wird als Konvergenz in Totalvariation bezeichnet.Die Schreibweise ‖P − Q‖ deutet darauf hin, daß d Vder Tat bildet‖Λ‖ def= sup |Λ(A)|A∈Adurch eine Norm induziert wird. Ineine Norm auf dem Vektorraum der endlichen signierten Maße auf (X, A), gegeben durchS = S(X, A) def= {Λ =λP − µQ : λ, µ ∈ [0, ∞),P,Q∈ P}.Dies spielt für unsere Zwecke aber keine weitere Rolle.Das anschließende Lemma zeigt, daß das Supremum in (A.1) stets angenommen wird.


144 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWPA.2. Lemma. Gegeben P, Q ∈ P mit Dichten f P und f Q bezüglich eines σ-endlichenMaßes µ (z.B. µ = P + Q), gilt mit A + def= {f P >f Q } und A − def= {f P f Q }{f Q >f P }(f Q − f P ) dµ (A.3)folgt, und dies dann weiter∫|f P − f Q | dµ =∫∫= 2∫= 2{f P >f Q }{f P >f Q }{f Q >f P }(f P − f Q ) dµ +(f P − f Q ) dµ(f Q − f P ) dµ.∫{f Q >f P }(f Q − f P ) dµ(A.4)liefert. Nun gilt für alle A ∈Aunter Verwendung von (A.3) und (A.4)∫|P (A) − Q(A)| =∣ (f P − f Q ) dµ∣A∫∫=∣(f P − f Q ) dµ −(f Q − f P ) dµ∣A∩{f P >f Q }A∩{f Q >f P }{∫∫}≤ max (f P − f Q ) dµ, (f Q − f P ) dµ{f P >f Q }{f Q >f P }= 1 ∫|f P − f Q | dµ,2und es ergibt sich die Behauptung, da diese Ungleichung bei Wahl von A = A + oder = A −eine Gleichung wird.♦Ist X abzählbar und µ das Zählmaß auf X, soliefert (A.2) offenbar‖P − Q‖ = 1 ∑|p i − q i |, (A.5)2defdefwobei p i = P ({i}) und q i = Q({i}).Gegeben P, Q ∈ P, nennt man ein Paar (X, Y )vonX-wertigen Zufallsvariablen auf einemW-Raum (Ω, A, P) eine Kopplung von (P, Q), wenn X = d P und Y = d Q. Eine häufig effizienteMethode zur Abschätzung des Variationsabstandes besteht in der Verwendung solcher Kopplungen.Grundlage hierfür bildet die folgende Kopplungsungleichung.i∈X


Literaturangaben 145A.<strong>3.</strong> Lemma (Kopplungsungleichung). Zu W-Maßen P, Q ∈ P sei eine Kopplung(X, Y ) gegeben. Dann gilt die Kopplungsungleichung‖P − Q‖ ≤ P(X ≠ Y ).Beweis: Die Behauptung ergibt sich leicht vermöge|P (A) − Q(A)| = |P(X ∈ A) − P(Y ∈ A)|= |P(X ∈ A, X ≠ Y ) − P(Y ∈ A, X ≠ Y )|≤ P(X ≠ Y )für alle A ∈A.♦Als letztes notieren wir noch:A.4. Satz.Der Raum (P,d V ) ist vollständig.Beweis: Sei (P n ) n≥1 eine Cauchyfolge bezüglich d V . Sei weiter µ ein σ-endliches dominierendesMaß für diese Folge (z.B. µ = ∑ n≥1 2−n defP n ∈ P) und f n = dP ndµ. Vermöge (A.2)gilt dann‖P n − P m ‖ = 1 ∫|f n − f m | dµ = ‖f n − f m ‖ 12für alle m, n ≥ 1, wobei ‖·‖ 1 die übliche Norm auf L 1 (µ) bezeichnet. Da (L 1 (µ), ‖·‖ 1 ) (moduloGleichheit f.ü.) bekanntlich einen Banachraum bildet, folgt die Existenz eines f ∈ L 1 (µ) mit‖f n − f‖ 1 → 0 und ‖f‖ 1 =1. Mit P def= fµ ∈ P erhält man schließlich‖P n − P ‖ = 1 2 ‖f n − f‖ 1 → 0, n →∞und damit die Behauptung.♦Literatur[1] ALSMEYER, G. Wahrscheinlichkeitstheorie (5. Auflage). Skripten zur MathematischenStatistik, Nr. 30, Universität Münster (2007).[2] ALSMEYER, G. Stochastische Prozesse, Teil I (<strong>3.</strong> Auflage). Skripten zur MathematischenStatistik, Nr. 33, Universität Münster (2005).[3] GEIGER, J. Elementary new proofs of classical limit theorems for Galton-Watson processes.J. Appl. Probab. 36, 301-309 (1999).GEIGER, J. A new proof of Yaglom’s exponential limit law. Mathematics and computerscience (Versailles, 2000), 245-249, Trends Math., Birkhäuser, Basel (2000).KESTEN, H. und STIGUM, B. A limit theorem for multidimensional Galton-Watson processes.Ann. Math. Stat. 37, 1211-1223 (1966).KESTEN, H., NEY, P. und SPITZER, F. The Galton-Watson process with mean one andfinite variance. Theory Probab. Appl. 11, 513-540 (1966).


146 <strong>Kapitel</strong> III. Größenverzerrung und Bäume mit Rückgrat: Ein probab. Zugang zu GWP[4] KOTZ, S. und STEUTEL, F.W. Note on a characterization of exponential distributions.Statist. Probab. Letters 6, 201-203 (1988)[5] LYONS, R., PEMANTLE, R. und PERES, Y. Conceptual proofs of L log L criteria for meanbehavior of branching processes. Ann. Probab. 23, 1125-1138 (1995).[6] PAKES, A.G. und KHATTREE, R. Length-biasing, characterization of laws and the momentproblem. Austral. J. Statist. 34, 307-322 (1992).SENETA, E. On recent theorems concerning the supercritical Galton-Watson process. Ann.Math. Stat. 39, 2098-2102 (1968).YAGLOM, A.M. Certain limit theorems of the theory of branching processes. Dokl. Acad.Nauk. SSSR 56, 795-798 (1947).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!