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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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Frage, was er <strong>und</strong> seine Leute während des <strong>Krieg</strong>es getan hatten.“ Genau wie Markus Wolf gingen siedavon aus, dass sie alles über Herrn <strong>Gehlen</strong> wussten, <strong>und</strong> haben großzügig verziehen, „was er <strong>und</strong> seineLeute während des <strong>Krieg</strong>es getan hatten“. Sie wussten aber gar nicht, was er <strong>und</strong> seine Leute währenddes <strong>Krieg</strong>es getan hatten <strong>und</strong> was sie ihnen verzeihen sollten; es gab nämlich auch damals schon mehrereDeutsche, <strong>und</strong> die haben in dieser Diktatur auch nicht alle das gleiche getan. Vorurteile sind einfachmal schädlich.In einer Zusammenstellung von Interviews mit amerikanischen Zeitzeugen, erschienen 1991 unter demTitel Die Rattenlinie – Fluchtwege <strong>der</strong> Nazis, kann man nachlesen, wie die Amerikaner geleimt wordenwaren. Victor Marchetti, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Rattenlinie als früherer Chefaufklärer <strong>der</strong> CIA über die Sowjetunionbezeichnet wird, erinnerte sich in einem <strong>der</strong> Interviews an „Informationen über die chemische <strong>und</strong> biologischeBewaffnung <strong>der</strong> Russen“ <strong>und</strong> beklagte, dass sie „von einer gefährlichen Ungenauigkeit“ gewesenseien. Er bemerkte, einige Jahrzehnte zu spät, die Mitarbeiter von Generalmajor <strong>Reinhard</strong> <strong>Gehlen</strong>„stützten sich auf unzusammenhängende Indizien, die sie durch eigene Interpretationen miteinan<strong>der</strong> inVerbindung brachten. Auf diese Weise kamen sie zu dem Schluss, dass die Sowjets weit höhere Kapazi -täten auf diesem Gebiet hätten, als es tatsächlich <strong>der</strong> Fall war.“Marchetti war felsenfest davon überzeugt, dass „diese Informationen sehr schlecht waren“, äußerte jedochnicht die Vermutung, dass er den Deutschen auf den Leim gegangen war. Nachdem die Informationenin die entscheidenden Köpfe eingedrungen waren, war die Führung in Washington also <strong>der</strong> Meinung,<strong>der</strong> Diktator in Moskau verfüge über Massenvernichtungswaffen. Haben sie wenige Monate späterauch aus diesem Gr<strong>und</strong> zwei Atombomben auf Japan abgeworfen? Wollten sie so verhin<strong>der</strong>n, dassStalin vielleicht auf die Idee kommt, biologische o<strong>der</strong> eventuell auch chemische Massenvernichtungswaffengegen Städte in Westeuropa einzusetzen? Sie wissen ja: beim Russen weiß man nie. Es gibt daübrigens eine Parallele zum zweiten Irak-<strong>Krieg</strong>. Auch da waren es BND-Infos, die den Amis Massenvernichtungswaffenvorgaukelten, nachzulesen 2004 bei Erich Schmidt-Eenboom <strong>und</strong> 2006 im Spiegel.2007 stand es dann auch in Legacy of Ashes in Amerika.Sie dürfen aber nicht annehmen, dass bei dem Amerikaner auch nur ein böses Wort über die Deutschensteht. Im Gegenteil. Nach dem <strong>Krieg</strong> waren die <strong>Krieg</strong>sgefangenenlager von den Sowjets unterwan<strong>der</strong>tworden <strong>und</strong> die falschen Infos, die den Irakkrieg auslösten, kamen von treuen Partnerdiensten: „DieGeschichte, die größte Aufmerksamkeit erregte, war die über die mobilen Laboratorien für biologischeWaffen. Der Informant war ein Iraker, <strong>der</strong> sich in die Obhut des deutschen Nachrichtendienstes begebenhatte. Sein Deckname war »Curveball«.“ Als die Amis ihn mal sehen wollten, war das lei<strong>der</strong> nichtmöglich. Schönen Dank für solche Partner. Man muss Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Feind schon unterscheiden können.Unter dem Jahr 1951 werde ich von einem Kim berichten, von dem <strong>der</strong> BND Tag <strong>und</strong> Nacht Berichtebekam. Die waren für die Amerikaner gedacht, aber dieser Kim wollte sie dem BND geben, damit <strong>der</strong>sie an die Amerikaner weitergab. Das haben die Amerikaner dem BND im wahrsten Sinne des Wortesabgekauft. Als sie bemerkten, dass diese Informationen nicht zutrafen, sollte eine Untersuchung desFalles stattfinden, da stellte ein Kollege beim BND fest, dass dieser Kim an einer unbehandelten Lungenerkrankungverstorben war. Es ist davon auszugehen, dass die Amerikaner ein Beileidsschreiben anden Partnerdienst hinter dem Atlantik geschickt haben. Einen solchen Kim gab es ganz bestimmtnicht, seine Informationen aber schürten die Angst <strong>der</strong> Amerikaner vor den Sowjets.Die beson<strong>der</strong>e Bedeutung <strong>der</strong> militärtechnischen Informationen von General <strong>Gehlen</strong> dürfte in ihrer Exklusivitätgelegen haben. Marchetti bestätigt, dass die Amerikaner in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> vierzigerJahre noch „nichts Nennenswertes hinter dem Eisernen Vorhang“ hatten. Und danach haben sich dieRussen abgeschottet <strong>und</strong> niemanden mehr sehen lassen, was sie wirklich vorrätig hatten. Das war soverständlich, wie es bedauerlich war. Es wäre interessant zu erfahren, ob Washington 1945 zumindestin Moskau nachgefragt hat, ob man sich vor Ort ein Bild von den Stätten machen dürfe, die ihnen Herrn<strong>Gehlen</strong>s Spitzenleute beschrieben hatten, <strong>und</strong> ob das in Moskau vielleicht abgelehnt wurde.Auf jeden Fall bekam <strong>Gehlen</strong> nach den Worten von Murat Williams, <strong>der</strong> als US-Botschafter in Ungarnin den fünfziger Jahren vorgestellt wird, Gelegenheit, das amerikanische Bild von den militärischenMöglichkeiten <strong>der</strong> Sowjetunion zu beeinflussen. In diesem Interview heißt es: „Unsere Gefühle gegenüberdem <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong> wurden intensiviert. Das hätte man vermeiden müssen. Dieser <strong>Kalte</strong> <strong>Krieg</strong> wärenicht notwendig gewesen.“ Dieser <strong>Kalte</strong> <strong>Krieg</strong> war überflüssig wie ein Kropf, <strong>und</strong> er wi<strong>der</strong>sprach den Interessen<strong>der</strong> Vereinigten Staaten von Amerika sowohl wirtschaftlich als auch in dem Wunsch nach demokratischstrukturierten Gesellschaften weltweit <strong>und</strong> nicht nur in Bayern. Harry Rositzke, <strong>der</strong> als Geburtshelfer<strong>der</strong> militärischen Aufklärung gegen die Sowjetunion bezeichnet wird, sagte lei<strong>der</strong> erst nach

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