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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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Rucksäcken auf den Weg zum Bürgermeisteramt, in dem <strong>der</strong> Ortskommandant sein Domizil aufgeschlagenhatte. Ich kann mich noch gut an meine damaligen Gefühle erinnern. Auf <strong>der</strong> einen Seite empfandich eine Art Galgenhumor, dass ich – immerhin Generalmajor in einer wesentlichen Stellung währenddes <strong>Krieg</strong>es – mich nunmehr einem jungen amerikanischen Oberleutnant ausliefern musste. An<strong>der</strong>erseitsgab es kein Zurück. Der Ortskommandant war verständlicherweise sehr aufgeregt, als sich beiihm ein General <strong>und</strong> vier Generalstabsoffiziere meldeten. Welchen »Fang« er gemacht hatte, konntenwir ihm nicht auseinan<strong>der</strong>setzen, da er kein Deutsch <strong>und</strong> wir damals kein Englisch sprachen. Er rief sofortbei seiner vorgesetzten Dienststelle an <strong>und</strong> erhielt die Weisung, uns einzeln nacheinan<strong>der</strong> zu <strong>der</strong>Division nach Wörgl zu bringen. Ich wurde als erster in einen Jeep <strong>der</strong> MP [Military Police] verfrachtet<strong>und</strong> bei dem G-2, dem Feindlagenbearbeiter <strong>der</strong> Division, in Wörgl abgeliefert. Dieser G-2 erfasste sofortwelche Bedeutung unsere Selbstgestellung hatte <strong>und</strong> zeigte sich an einer Befragung sehr interessiert.Ich wurde von ihm in Gegenwart einer Sekretärin vernommen, die über diese Aussagen Protokollführte. Die wichtigsten Fragen erstreckten sich zunächst allerdings weniger auf meinen früheren Fachbereichals vielmehr auf die Verhältnisse in <strong>Deutschland</strong> in <strong>der</strong> Zeit des Nationalsozialismus.“ Daskonnte nicht wirklich überraschen, verdeutlicht aber, worum es den Amerikanern nach dem Sieg ursprünglichging.Generalmajor <strong>Reinhard</strong> <strong>Gehlen</strong> träumte nicht von einer Fortsetzung des Ostkrieges mit angloamerikanischerUnterstützung. Seine Stellung erlaubte es ihm, den Amerikanern nach dem <strong>Krieg</strong> weiszumachen,er wüsste Schlimmes über das Militär <strong>und</strong> die Absichten <strong>der</strong> Sowjets; <strong>und</strong> das galt es ab 1945 denAmerikanern einzureden, die die Sowjetunion nach <strong>der</strong> Unterstützung, die ihr Amerika während des<strong>Krieg</strong>es gegen Hitler-<strong>Deutschland</strong> geleistet hatten, auf dem Weg einer Liberalisierung des kommunistischenReiches sahen. Lassen wir ihn selbst berichten: „Bis jetzt war ich, einschließlich des uns betreuendenVernehmungsoffiziers, nur amerikanischen Offizieren begegnet, die die Lage ausschließlich unterdem Eindruck <strong>der</strong> offiziellen [amerikanischen] Propaganda sahen. Fast alle, mit denen ich bisher gesprochenhatte, waren <strong>der</strong> Auffassung, dass die Sowjetunion sich vom Kommunismus hinweg zu einemliberalen Staat entwickele. Von Stalin wurde immer als von »Uncle Joe« gesprochen. Über die tatsächlichenexpansiven Ziele <strong>der</strong> Sowjets bestanden bei meinen bisherigen Gesprächspartnern keinerlei Vorstellungen.“Unter diesen Umständen wäre es nach dem <strong>Krieg</strong> gewiss möglich gewesen, eine Liberalisierung<strong>der</strong> Sowjetunion auszuhandeln, sich in <strong>der</strong> deutschen Frage zu einigen <strong>und</strong> auch die zeitnaheRückführung <strong>der</strong> deutschen <strong>Krieg</strong>sgefangenen zu erreichen. Doch daraus wurde nichts. Jetzt wurde<strong>Reinhard</strong> <strong>Gehlen</strong> erst einmal nach America überführt, wo man ihn intensiv befragte.„Schon am Tage nach meinem Eintreffen wurde ich am Vormittag in den Garten heruntergeführt, womich ein Captain mit Namen Hallstedt begrüßte <strong>und</strong> sich mit mir in die Sonne auf eine Bank setzte.Captain Hallstedt war ein adrett aussehen<strong>der</strong>, sympathisch wirken<strong>der</strong> Offizier. Er mochte etwa 35 Jahrealt sein <strong>und</strong> entsprach in seiner Haltung <strong>und</strong> seinem Auftreten unseren deutschen Vorstellungen überden Offizier schlechthin. Er war, wie ich später erfuhr, von deutscher Abstammung, Amerikaner in <strong>der</strong>zweiten Generation. In Hallstedt traf ich den ersten amerikanischen Offizier, <strong>der</strong> russlandk<strong>und</strong>ig war,<strong>der</strong> die kommende politische Entwicklung illusionslos einschätzte <strong>und</strong> sich darüber eigene Gedankenmachte. Diese Begegnung sollte die entscheidende sein für die weitere Entwicklung meiner Pläne.“ Dahatte er also sein erstes Opfer gef<strong>und</strong>en. Wer die Welt sieht, wie ich es mir wünsche, hat Ahnung von<strong>der</strong> Welt <strong>und</strong> ist ohne Illusionen. Pluspunkt: wie ein deutscher Offizier. Sigm<strong>und</strong> Freud lässt grüßen:Diese Begegnung sollte die entscheidende sein für die weitere Entwicklung meiner Pläne.„Wir führten ein langes Gespräch über die politische <strong>und</strong> militärische Lage, er erk<strong>und</strong>igte sich eingehendnach meiner früheren Tätigkeit. Nachdem er gegangen war, hatte ich nunmehr eine Nacht Zeit,um mir darüber klar zu werden, ob ich die Karten auf den Tisch legen sollte. Ich tat dies nicht sofort invollem Umfange, son<strong>der</strong>n wir tasteten uns in mehreren Gesprächen zunächst weiter aneinan<strong>der</strong> heran.Hierbei ergab sich nebenbei die Möglichkeit, allmählich meine Gedanken über die Zukunft sowie übermeine Absichten <strong>und</strong> Zielvorstellungen einfließen zu lassen. Die Reaktion des Captains war positiv. Ichnehme an, dass Hallstedt seinen Vorgesetzten, dem G-2 des Oberkommandos, General Sibert, sowiedem Chef des Stabes, General Bedell Smith, über unseren Dialog laufend vortrug <strong>und</strong> dabei angewiesenwurde, die Unterhaltungen im positiven Sinne fortzusetzen, denn Hallstedt wurde von Gespräch zu Gesprächaufgeschlossener. Wir kamen schließlich überein, eine kleine Gruppe meiner früheren Mitarbeiter,unter ihnen Wessel, in Stärke von acht Offizieren zusammenzuziehen. Sie sollten den Amerikanernzeigen, über welche beson<strong>der</strong>en Möglichkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse wir verfügten. Ich gab Hallstedt eineReihe von Briefen <strong>und</strong> die Namen <strong>der</strong> hierfür ausgewählten Offiziere, so dass er sie aus den <strong>Krieg</strong>sgefangenenlistenermitteln konnte, um sie nach Wiesbaden zu holen. Es dauerte viele Tage, bis die Gruppezusammen war. Hallstedt erzählte mir nach seiner Rückkehr mit einem amüsierten Lächeln, dass er

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