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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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„1.) Es wird eine deutsche nachrichtendienstliche Organisation unter Benutzung des vorhandenen Potenzialsgeschaffen, die nach Osten aufklärt, bzw. die alte Arbeit im gleichen Sinne fortsetzt. Die Gr<strong>und</strong>lageist das gemeinsame Interesse an <strong>der</strong> Verteidigung gegen den Kommunismus.2.) Diese deutsche Organisation arbeitet nicht »für« o<strong>der</strong> »unter« den Amerikanern, son<strong>der</strong>n »mit denAmerikanern zusammen«.3.) Die Organisation arbeitet unter ausschließlich deutscher Führung, die ihre Aufgaben von amerikanischerSeite gestellt bekommt, solange in <strong>Deutschland</strong> noch keine neue deutsche Regierung besteht.4.) Die Organisation wird von amerikanischer Seite finanziert, wobei vereinbart wird, dass die Mitteldafür nicht aus den Besatzungskosten genommen werden. Dafür liefert die Organisation alle Aufklärungsergebnissean die Amerikaner.5.) Sobald wie<strong>der</strong> eine souveräne deutsche Regierung besteht, obliegt dieser Regierung die Entscheidungdarüber, ob die Arbeit fortgesetzt wird o<strong>der</strong> nicht. Bis dahin liegt die Betreuung dieser Organisation(später »trusteeship« genannt) bei den Amerikanern.6.) Sollte die Organisation einmal vor einer Lage stehen, in <strong>der</strong> das amerikanische <strong>und</strong> das deutsche Interessevoneinan<strong>der</strong> abweichen, so steht es <strong>der</strong> Organisation frei, <strong>der</strong> Linie des deutschen Interesses zufolgen.“Das hat dieser General Sibert im vollsten Ernst unterschrieben. Für seine Landsleute zwischen demsonnigen California <strong>und</strong> New York wurde die Unterschrift unter das Stück Papier verdammt teuer. SollHerr <strong>Gehlen</strong> seinen Erfolg selbst kommentieren: „Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> letzte Punkt mag verw<strong>und</strong>ern, da hierdoch zur Diskussion stehen könnte, ob <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> Amerikaner dem Deutschen nicht zuviel zugestandenhabe. Gerade dieser Punkt zeugt jedoch von <strong>der</strong> Weitsichtigkeit des Generals Sibert. Er übersahklar, dass die Interessen zwischen den Vereinigten Staaten <strong>und</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik auf lange Zeit identischsein würden.“ Ein Arzt wird einem Patienten mit Weitsichtigkeit eine Brille empfehlen. An Stellenwie dieser frage ich mich, ob jemand bei <strong>der</strong> CIA <strong>Gehlen</strong>s Memoiren gelesen hat, <strong>und</strong> wenn, ob <strong>der</strong> Zynismusin seiner Sprache auffiel. Schon die Stelle Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> letzte Punkt macht klar, dass er wusste,dass er dem Amerikaner ein unverschämtes Stück Papier zur Unterschrift vorgelegt hatte.Genau so schön ist auch dies. Nach dramatischen Wendungen auf <strong>der</strong> Bühne <strong>der</strong> großen Politik gab esüberraschen<strong>der</strong>weise schon im Jahre 1949 die deutsche Regierung, von <strong>der</strong> das Gentlemen’s Agreementnoch nebulös orakelt hatte. Hören Sie auch dazu <strong>Gehlen</strong> persönlich: „Die deutsche Regierung begann,sich für uns zu interessieren. Zunächst verbot mir zwar, am 21. 12. 1949, Mr. M., wohl auf Weisung vonWashington, weitere Verhandlungen mit deutschen Regierungsstellen zu führen, die Zukunft <strong>der</strong> Organisationsei ausschließlich US-Angelegenheit. Es wurde befürchtet, dass wir die Interessen <strong>der</strong> späterenVerbündeten stören könnten. Dieses Verbot stand nicht im Einklang mit unseren Abmachungen. Eswurde von mir stillschweigend nicht akzeptiert.“ Ich mache nämlich, was ich will. Was wollt Ihr mirdenn?Als Jahrzehnte ins Land gegangen waren, versuchte sich <strong>der</strong> Journalist <strong>der</strong> New York Times <strong>und</strong> zweifachePulitzer-Preisträger Tim Weiner an einer Gesamtdarstellung <strong>der</strong> nicht beson<strong>der</strong>s glorreichen Geschichtedes Auslandsgeheimdienstes <strong>der</strong> Vereinigten Staaten. Sie erschien erst nach <strong>der</strong> Jahrh<strong>und</strong>ertwendeunter dem Titel CIA – Die ganze Geschichte. Das Vorwort zur deutschen Ausgabe macht klar,wie begierig die bis dahin so siegreichen Amerikaner die „Informationen“ aufsaugten, die <strong>Gehlen</strong> ihnenanbot: „Im Sommer 1945 erblühte in den Trümmern von Berlin eine seltsame Romanze – amerikanische<strong>und</strong> deutsche Geheimdienstler umwarben einan<strong>der</strong>. Männern wie Captain John R. Boker jr., indessen Familienstammbaum deutsche Vorfahren zu finden waren, leuchtete das Argument dafür unmittelbarein. »Damals war <strong>der</strong> ideale Augenblick, um Informationen über die Sowjetunion zu gewinnen– wenn wir je welche bekommen wollten«, sagte er. Als erster Amerikaner rekrutierte Captain BokerGeneral <strong>Reinhard</strong> <strong>Gehlen</strong>, den Leiter <strong>der</strong> Abteilung Fremde Heere Ost in Hitlers Generalstab, <strong>der</strong> an<strong>der</strong> Ostfront gegen die Rote Armee eingesetzt war. Die neue Beziehung beruhte auf einem Gedanken,<strong>der</strong> so alt ist wie <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> selbst: Der Feind meines Feindes ist mein Fre<strong>und</strong>.“ Ach so. Diese Logik bleibtmir gerade etwas rätselhaft. Warum sollte <strong>der</strong> Feind meines Feindes mein Fre<strong>und</strong> sein?Was auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enSeite die Trümmer von Berlin angeht – in <strong>Gehlen</strong>s Memoiren geht es um eine ganze Reihe vonOrten im Süden <strong>und</strong> Südwesten <strong>Deutschland</strong>s; von Berlin ist darin ganz bestimmt keine Rede. Wie kamdieser anonyme Autor überhaupt auf die umkämpfte Reichshauptstadt? Die ersten Amerikaner tauchtendort erst im Juli auf.Doch bleiben wir im Vorwort: „<strong>Gehlen</strong> war ganz versessen darauf, für die Amerikaner zu arbeiten. »VonAnfang an«, sagte er später, »haben mich folgende Überzeugungen geleitet: Die entscheidende Kraftprobezwischen Ost <strong>und</strong> West ist unvermeidlich. Je<strong>der</strong> Deutsche ist verpflichtet, sein Teil dazu beizutra-

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