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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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Noch in seinen Memoiren, die 1971 unter dem Titel Der Dienst auf den Markt kamen, beklagte er sich,dass kaum jemand wusste, welche Rolle er selbst damals spielte: „Wie an<strong>der</strong>e meiner Fre<strong>und</strong>e wurdeauch Oberst von Roenne ein Opfer <strong>der</strong> nach dem 20. Juli 1944 ausgelösten Verfolgungen. Es ist nicht alleindas tragische Schicksal vieler, mit denen ich mich verb<strong>und</strong>en fühlte, das mich veranlasst, mein Wissenum die Zusammenhänge <strong>und</strong> Hintergründe des 20. Juli darzustellen <strong>und</strong> die mir gegebenen Möglichkeitenaufzuzeigen. Ich nehme auch deshalb Stellung, weil mir gelegentlich aus Unkenntnis <strong>der</strong> Verhältnissevorgehalten wurde, ich hätte mich stärker exponieren <strong>und</strong> aktiv an <strong>der</strong> Beseitigung Hitlers beteiligensollen.“ Woher sollte man Kenntnis von seiner Rolle haben, wenn keiner darüber sprach?Wie stand es um die Zusammenhänge <strong>und</strong> um die Hintergründe? „Im Jahre 1943 wies mich GeneralHeusinger kurz in die Wi<strong>der</strong>standsvorbereitungen ein. Nach allen Feststellungen <strong>und</strong> Überlegungen,die immer wie<strong>der</strong> auf Hitler als den Verantwortlichen für die bevorstehende Katastrophe führten, kamenmir Heusingers Hinweise nicht überraschend; gehörte doch <strong>der</strong> General, ebenso wie ich, zum Kreise<strong>der</strong>er, denen alle Nachrichten zugänglich <strong>und</strong> damit auch die Folgen für unser schwer ringendes Vaterlan<strong>der</strong>kennbar waren. In <strong>der</strong> Folgezeit habe ich mich bemüht, in manchen Unterhaltungen mit meinemRegimentskameraden Stieff, damals Chef <strong>der</strong> Organisationsabteilung, auf die zwingend notwendigeBeschränkung des Mitwisserkreises <strong>und</strong> vor allem auf allergrößte Vorsicht bei <strong>der</strong> Vorbereitung vonGewaltaktionen zur Beseitigung Hitlers hinzuweisen.“Tatsächlich sind <strong>Gehlen</strong>s Memoiren geeignet, um das Rätselraten r<strong>und</strong> um diese Vorgänge zu beenden.Anfang <strong>der</strong> siebziger Jahre war dieser <strong>Kalte</strong> <strong>Krieg</strong> dann schon so gut in Schwung gekommen, die Bedrohungdurch die Atomwaffenarsenale auch <strong>der</strong> Sowjetunion schon so enorm, dass er wohl meinte, jetztkönne er sich damit brüsten, dass ursprünglich er die Amerikaner auf diese angebliche Gefahr gestupsthatte, die von den Russen ausgegangen sein soll. Damals war es ja längst nicht absehbar, dass einmalfür die Amerikaner eine Möglichkeit bestehen würde, mit den Sowjets über ihre tatsächlichen militärtechnischenMöglichkeiten in den früheren Jahren ins Gespräch zu kommen; <strong>und</strong> immer wenn die Russenihre Unschuld beteuerten, wurde ihnen das ja, wie Sie sich erinnern, nicht geglaubt. Lassen wir unsvon ihm in die geheimsten Geheimnisse <strong>der</strong> Neuzeit einführen: „Jahrelang waren wir gezwungen, mitden Augen des Gegners zu sehen <strong>und</strong> uns in seine Denkweise <strong>und</strong> Absichten einzuleben. Schon frühzeitigkonnten wir seine wachsende Siegeszuversicht feststellen <strong>und</strong> mussten sie als berechtigt anerkennen.Damit ahnten wir aber auch unausweichlich das Herannahen <strong>der</strong> Katastrophe voraus. Es ist verständlich,dass sich dabei auch Überlegungen aufdrängten, was getan werden müsse, wenn <strong>der</strong> Zusammenbrucheinmal eingetreten sei.Selbstverständlich entstehen solche Überlegungen nicht auf einmal. Unsere Überlegungen reiften in einemlangen, durch Zwischenräume, in denen uns die Nöte des Alltages voll beschäftigten, unterbrochenen,schmerzhaften Denkprozess. An ihm war neben mir vornehmlich mein Vertreter <strong>und</strong> zweimaligerNachfolger, <strong>der</strong> jetzige Generalleutnant a. D. <strong>und</strong> Präsident des B<strong>und</strong>esnachrichtendienstes Wessel, beteiligt.Unsere Überlegungen wurden dadurch begünstigt <strong>und</strong> nach außen abgeschirmt, dass <strong>der</strong> innereZusammenhalt meiner Abteilung allen Krisen standhielt <strong>und</strong> dass wir uns vorbehaltlos aufeinan<strong>der</strong> verlassenkonnten. Selbst <strong>der</strong> »Nationalsozialistische Führungsoffizier« machte hierbei keine Ausnahme.Dies war nicht überall so. Extreme Haltungen, sowohl in <strong>der</strong> Form eines ausgeprägten Nationalsozialismuswie auch eines hemmungslosen Fatalismus in <strong>der</strong> inneren Einstellung mancher jüngerer Offiziereaußerhalb meiner Abteilung, zeigten doch zuweilen, dass die Dauer des <strong>Krieg</strong>es <strong>und</strong> die Indoktrinationsich auswirkten. [...] Wir konnten uns aber auch nicht mit dem Gedanken abfinden, dass nunmehr endgültigdas Ende <strong>Deutschland</strong>s gekommen sei. Dieses Sich-nicht-abfinden-Wollen drängte mir darüberhinaus Überlegungen darüber auf, welche Verpflichtungen sich für mich aus meiner damaligen Stellungheraus für die Zukunft nach dem <strong>Krieg</strong>e ergeben.“„Um das notwendige Schlüsselpersonal für die spätere Arbeit sicherzustellen, wurden drei Gruppen gebildet,die sich an drei vorbereiteten Punkten in den Alpen solange – etwa 3 Wochen – aufhalten sollten,bis das große Durcheinan<strong>der</strong>, das bei <strong>Krieg</strong>sende zu erwarten war, in einigermaßen überschaubareVerhältnisse übergegangen war. Dann sollten sich diese Gruppen bei <strong>der</strong> nächsten amerikanischenOrtskommandantur melden <strong>und</strong> sich in Gefangenschaft begeben. Da zu erwarten war, dass die Amerikanerversuchen würden, dieses Ic-Personal mit längerer Erfahrung in eigener Regie selbst einzusetzen,wurden die Gruppen angewiesen, sich zu keiner Mitarbeit bereitzuerklären, bevor sie einen schriftlichenBefehl von mir persönlich erhalten hätten.“Dann wurde es Ernst: „Während <strong>der</strong> beiden Pfingstfeiertage genossen wir die Gastfre<strong>und</strong>schaft <strong>der</strong> ElternErwins, mit denen wir uns viel zu erzählen hatten. Am Dienstag früh machten wir uns mit unseren

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