Wie<strong>der</strong>vereinigung zu verzichten <strong>und</strong> statt dessen den <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong> anzuheizen, um schließlich die Konsequenzendes eigenen, verlorenen <strong>Krieg</strong>es zu annullieren. Der große politische Kampf in <strong>Deutschland</strong>wird in den nächsten vier Jahren zwischen diesen beiden Lagern stattfinden.“ Bei den nächsten vierJahren blieb es jedoch nicht, <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Kalte</strong> <strong>Krieg</strong> <strong>und</strong> das schöne Leben in West-<strong>Deutschland</strong> zogen sichbis <strong>1990</strong> hin.Bei Willy Brandt, <strong>der</strong> sich rührend, wenn auch vergeblich, um ein Ende des <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong>es bemühte,findet sich die folgende Einschätzung des ersten Kanzlers: „Adenauers Nachkriegs-Konsequenz zieltedarauf, die Verhältnisse zu stabilisieren. Er fürchtete in diesen Jahren nichts mehr, als dass sich die Siegermächteeinan<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> nähern könnten. Das sah ich an<strong>der</strong>s. Er verneinte die Chance zur deutschenEinheit <strong>und</strong> nutzte die Vorteile Westeuropas für den westdeutschen Staat. Dem ließ sich – in demMaße, in dem die Voraussetzung ohne Alternative blieb – immer weniger wi<strong>der</strong>sprechen. [...] Der»Alte« hat über weite Strecken an<strong>der</strong>s geredet als gedacht. [...] Ob sich mit einem an<strong>der</strong>en – gesamt -deutschen – Ansatz mehr hätte erreichen lassen, bleibt eine offene Frage.“Bei Strauß liest sich dieses Motiv so: „So reagierte er außerordentlich empfindlich, manchmal überempfindlich,geradezu gereizt, wo immer sich eine Verständigung o<strong>der</strong> Annäherung zwischen den USA <strong>und</strong><strong>der</strong> Sowjetunion abzeichnete. Dann herrschte bei ihm Alarmstimmung. Er hatte eine Art »Cauchemarvon Potsdam«, eine tiefeingewurzelte Angst, dass sich die Sieger <strong>und</strong> ehemaligen Alliierten über<strong>Deutschland</strong> hinweg einigen könnten.“Dass Dr. Adenauer Angst haben musste, dass die Amerikaner Moskau dabei ein Stück <strong>der</strong> freien Weltüberlassen hätten, kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Also hatte Adenauer Angst, dass Russen<strong>und</strong> Amerikaner bei einem Festessen im Kreml im Interesse ihrer Staatskassen die Vereinigung<strong>Deutschland</strong>s <strong>und</strong> Europas verfügten, weil sie doch sahen, dass sich die Deutschen längst mit <strong>der</strong> neuenGebietslage abgef<strong>und</strong>en hatten. Dann war es also ernst gemeint, als es in einem Informationstext überdas Berliner Lokal »Staev«, benannt nach <strong>der</strong> ehemaligen Ständigen Vertretung <strong>der</strong> BRD in <strong>der</strong> DDR,lächelnd hieß, man habe in den Politiker-Klausen zu Bonn „die Welträtsel gelöst“. Diese Formulierungwar in gesellige Worte eingepackt: „Dieses Milieu traf sich später in <strong>der</strong> »Schumann-Klause« in Bonn –man lebte dort, machte die Nacht zum Tag. Der Staatsschutz vom K 14 saß immer dabei. Demonstrationenwurden vorbereitet, die Welträtsel gelöst <strong>und</strong> endlos gezecht.“ Zum Zechen wird man den Staatsschutzja vielleicht nicht benötigt haben. Unter dem Jahr 1949 werden Sie mehr zu diesem „Milieu“ erfahren.Einer einvernehmlichen Lösung <strong>der</strong> deutschen Frage unter den vier Alliierten stand eine Anerkennung<strong>der</strong> Westverschiebung Polens auf Kosten ostdeutscher Gebiete auf gar keinen Fall im Wege, auch wenndie drei westlichen Mächte den Deutschen selbst die Anerkennung <strong>der</strong> neuen Ostgrenze überlassenwollten. So sollten Reaktionen wie die auf den Vertrag von Versailles (1919) vermieden werden. Damithatten die Russen den Schwarzen Peter allein in <strong>der</strong> Hand. Auf <strong>der</strong> Potsdamer Konferenz im Sommer1945 hatten sich die Alliierten nur geeinigt, eine schlussendliche Grenzregelung erst in einer Friedenskonferenzvorzunehmen. Und an diesem juristischen Haken setzten die Bonner Spitzenpolitiker an.Die Verhin<strong>der</strong>ung einer Friedenskonferenz hatte zumindest für die Einwohner <strong>der</strong> westlichen Besatzungszoneneinen recht wohltuenden „Nebeneffekt“. Der spätere Ministerpräsident von Bayern, FranzJosef Strauß, schrieb darüber in seinen unbedingt lesenswerten Memoiren: „Wenn wir einen Friedensvertragschließen, dann verlangt man von uns Reparationen. Da wir aber nicht bereit <strong>und</strong> nicht in <strong>der</strong>Lage sind, Reparationen zu zahlen, wollen wir auch keinen Friedensvertrag. Die höhere <strong>und</strong> die nie<strong>der</strong>eMathematik <strong>der</strong> Politik trafen hier zusammen – das Offenhalten <strong>der</strong> deutschen Frage <strong>und</strong> das Vermeidengigantischer Reparationszahlungen.“ Das ist einer jener von mir so liebevoll gesammelten Texte,die ohne jeden Kommentar klären, dass die DDR kein Kind <strong>der</strong> bösen Russen war, son<strong>der</strong>n vielmehr einKind <strong>der</strong> guten Deutschen. Der besseren Deutschen. Wenn man die „deutsche Frage“ offenhalten wollte,durfte sie gar nicht beantwortet werden. Die Amis erwiesen Helmut Kohl somit einen Bärendienst,als sie die Vereinigung <strong>Deutschland</strong>s an ihm vorbei <strong>und</strong> über seinen Kopf hinweg erzwangen. Wie ichhörte, gibt es in Frankreich inzwischen ein Buch, dass genau das publik machen möchte. Helmut Kohlwollte alles an<strong>der</strong>e als eine Vereinigung unseres Landes. Sonst wäre er nämlich auch nicht länger als einWilly Brandt <strong>der</strong> Kanzler in Bonn am Rhein geblieben.Diese Überlegung zu den Reparationen für die <strong>Krieg</strong>sschäden wurde durch den Aufstand des Jahres1989 ganz plötzlich brandaktuell. In den Erinnerungen des Bonner Außenamtschefs Genscher findetsich dieses Motiv dann so: „Eine Friedenskonferenz konnte ebensowenig in Frage kommen wie ein Frie-
densvertrag. [...] Die Verhandlungen hätten sich an <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Reparationen festgefahren.“ Im Jahr<strong>1990</strong> ist es dem Diplomatenduo Hans-Dietrich Genscher <strong>und</strong> Helmut Kohl tatsächlich endgültig gelungen,eine reguläre Friedenskonferenz zu verhin<strong>der</strong>n. Aber große Sprüche über das Leid des <strong>Krieg</strong>esklopfen. Sie erinnern sich – 727 Milliarden DM haben die Leute in Ostdeutschland in den Entschädigungstopfeingezahlt. Die haben übrigens für Investitionen in die Wirtschaft dann auch nicht zur Verfügunggestanden. Das war doppelt verheerend, weil sie gerade in den Aufbaujahren nach dem <strong>Krieg</strong> gefehlthaben. Die Menschen im Osten hätten auch mit <strong>der</strong> Planwirtschaft besser leben können; man erinneresich, dass man in den späten sechziger Jahren in West-<strong>Deutschland</strong> vom zweiten deutschen Wirtschaftsw<strong>und</strong>er– in <strong>der</strong> DDR – sprach, die damals freilich noch als SBZ bezeichnet wurde. Erst danachwirkte sich allmählich die neue „Wirtschaftspolitik“ des diktatorischen Dachdeckerlehrlings aus.Aus <strong>der</strong> heutigen Perspektive lässt es sich einfach erklären, wie es den Bonnern gelungen ist, die großenStaaten gegeneinan<strong>der</strong> in Stellung zu bringen <strong>und</strong> ihnen ihre angstgeladene Außenpolitik vorzugeben.Während Murat Williams überzeugt war, dass „die <strong>Gehlen</strong>-Leute sich immer schon dem <strong>Krieg</strong> gegen dieSowjetunion verschrieben hatten“, verriet <strong>der</strong> aus Funk <strong>und</strong> Fernsehen bekannte GeheimdienstexperteErich Schmidt-Eenboom, wenn auch erst 2004: „<strong>Gehlen</strong> hat zwar im vertrauten Kreis häufig eine gewisseNähe zum Wi<strong>der</strong>stand des 20. Juli 1944 betont, beson<strong>der</strong>s, wenn es ihm als Appell an gemeinsameGr<strong>und</strong>anschauungen nützlich erschien, die Rolle Wessels jedoch nie öffentlich gemacht.“ Gerhard Wesselwar damals <strong>Gehlen</strong>s Stellvertreter <strong>und</strong> wurde später dann auch sein Nachfolger an <strong>der</strong> Spitze desBND, was vom Chef des DDR-Auslandsgeheimdienstes, Markus Wolf, als Beleg für eine vermeintlichefaschistische Kontinuität <strong>der</strong> BRD gedeutet wurde. Schmidt-Eenboom setzte fort: „Auch im frühenNachkriegsdeutschland führte <strong>Gehlen</strong> dieses Doppelspiel zwischen stiller Sympathie für die Gegner Hitlersin <strong>der</strong> Wehrmacht <strong>und</strong> taktischer Distanz zu ihrem gescheiterten Anschlag auf Hitler weiter.“Der Politologe Ferdinand Kroh vermerkte bezogen auf die achtziger Jahre: „Hier lag aber keine Verschwörung[<strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> <strong>der</strong> USA] vor, son<strong>der</strong>n ein langwieriger <strong>und</strong> komplizierter Politikprozess,dessen Ziel von beiden Seiten unter völlig unterschiedlichen Interessenlagen öffentlich formuliertwar: die Beendigung des <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong>s. Während die Amerikaner das Sowjetimperium damit zu Fallbringen wollten, war es das Ziel <strong>der</strong> Sowjets, ihr Reich mit <strong>der</strong>selben Strategie zu retten.“ Und GräfinDönhoff äußerte über General <strong>Gehlen</strong>, <strong>der</strong> den Ärger nach dem <strong>Krieg</strong> überhaupt erst ausgelöst hatte,ihre schlecht gespielte Überraschung darüber, „dass ein Mann, dessen Metier es mit sich brachte, dasser seit Jahrzehnten den Osten als den potenziellen Gegner betrachten mußte, sich so freigehalten hatvon antikommunistischen Komplexen“. Und da war er, wie Sie sich gewiss erinnern, auch beileibe nicht<strong>der</strong> einzige Schönfärber des Sozialismus, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik auf den Plan trat.