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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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onyme Autor, Staaten hätten keine Fre<strong>und</strong>e, nur Interessen. Das war trefflich angemerkt. In Tim WeinersBuch fand ich die traurige Bestätigung dafür, dass es den Deutschen leicht gemacht wurde, dieAmerikaner über den Tisch zu ziehen. Nach Weiners Buch darf ich mir sicher sein, dass es in Amerikavor dem Zweiten Weltkrieg ernstlich so wenig Interesse an Europa gab, dass die USA noch keinen Geheimdienstfür das Ausland hatten. Das dürften die Herren Canaris <strong>und</strong> <strong>Gehlen</strong> gewusst haben, <strong>und</strong>darauf werden sie ihre Hoffnungen gesetzt haben. Es ist kein Witz, in Tim Weiners Buch steht, dass sieihr Erfahrungsdefizit in diesem Bereich wettzumachen trachteten, indem sie sich Entwicklungshilfe imbefre<strong>und</strong>eten England <strong>und</strong> eben allen Ernstes in <strong>der</strong> Hoffnung auf Hilfe gegen eine befürchtete Gefährdungdurch die Sowjetunion beim <strong>Krieg</strong>sgegner <strong>Deutschland</strong> suchten. Als Ost-Deutscher kann ich darüberlei<strong>der</strong> nicht lachen. Ohne den Dummen <strong>Krieg</strong> <strong>der</strong> Amerikaner gegen die Sowjets hätten wir heutenicht den Zirkus mit den West-Deutschen, die sich jetzt als meine Retter aus <strong>der</strong> Not aufspielen. DerChef von <strong>Gehlen</strong>s Spionageabwehr, Heinz Felfe, hat dann bis zum Beginn <strong>der</strong> sechziger Jahre „die wesentlichenEinzelheiten aller wichtigen CIA-Aktionen gegen Moskau verraten. Dazu gehörten annäherndsiebzig größere Geheimoperationen, die Identität von mehr als h<strong>und</strong>ert CIA-Agenten <strong>und</strong> ungefährfünfzehntausend Geheiminformationen. [...] Die CIA war in <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> in ganz Osteuropa sogut wie aus dem Geschäft, <strong>und</strong> es brauchte ein Jahrzehnt, um diesen Schaden wettzumachen.“ So weit<strong>der</strong> anonyme Autor des Vorwortes. Ich gehe davon aus, dass den Fre<strong>und</strong>en in Amerika am Beginn <strong>der</strong>sechziger Jahre klar wurde, dass Felfe <strong>und</strong> auch nur Felfe einen letzten Verrat begangen haben konnte.Damit wir uns hier nicht falsch verstehen – <strong>der</strong> Autor hält an <strong>der</strong> Version fest, dass <strong>der</strong> Westen einschließlichdes BND von Felfes bösem Tun bitter enttäuscht war <strong>und</strong> „am 6. November 1961 wurdeHeinz Felfe, <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> Spionageabwehr beim BND, von seiner eigenen Sicherheitspolizei verhaftet“.Was blieb dem BND auch an<strong>der</strong>es übrig, als den Mann zu opfern, als er unhaltbar geworden war? VonMarkus Wolf ist zu erfahren, dass Felfe schließlich im Zusammenhang mit den Auseinan<strong>der</strong>setzungenum eine B<strong>und</strong>espräsidentenwahl ausgerechnet auf Wunsch Unseres Ministers für Staatssicherheit,Erich Mielke, 1969 „im Austausch gegen ein<strong>und</strong>zwanzig in <strong>der</strong> DDR inhaftierte Personen“ wie<strong>der</strong> dieSonne zu sehen bekam. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe ist auch zu finden, dass das Wettrüsten zwischenden beiden „Supermächten“ nicht nur kurz nach dem Weltkrieg son<strong>der</strong>n noch in den späten fünfzigerJahren durch falsche Informationen vom BND angeheizt wurde. Da es sich 1945 um eine absichtlicheIrreführung <strong>der</strong> Amerikaner handelte, habe ich keinen Gr<strong>und</strong>, die späteren Fehlinformationen so zudeuten wie <strong>der</strong> Autor des deutschen Vorworts zu Tim Weiners Buch über die CIA: „Der BND schlucktesowjetische Fehlinformationen – darunter in den späten fünfziger Jahren die Behauptung, Moskau besitzeTausende von Kernwaffen, die es nachweislich nicht hatte.“ In den fünfziger Jahren war NikitaSergejewitsch Chruschtschow <strong>der</strong> oberste Boss in Moskau. Gemeinsam mit Eisenhower, dem Boss inWashington, D.C., suchte er Wege zur Beendigung des <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong>es, um mit den freiwerdenden Mittelndie wirtschaftliche Überlegenheit seines Wirtschaftssystems zu demonstrieren. Welcher Teufel hättedie sowjetische Führung denn reiten sollen, zu hohe Angaben über die eigene Rüstung über den BNDnach Amerika zu lancieren? Aber dafür gab es ja Phantome wie diesen Kim. Sicher erinnern Sie sich anden erst lungenkranken <strong>und</strong> danach toten Agenten Kim, <strong>der</strong> Tag <strong>und</strong> Nacht Infos anschleppte, wie es inFelfes großartiger Sammlung <strong>der</strong> Märchen, Sagen <strong>und</strong> Legenden aus seinem Leben für die SowjetunionIm Dienst des Gegners so schön heißt.Bei Weiner fehlt mir in den drei Textpassagen, in denen es um Heinz Felfe geht, die Überlegung, dass<strong>Gehlen</strong>s Abwehrchef im Auftrag seines Bosses die CIA geleimt haben könnte. Es klingt nicht gut, wennman in den beruflichen Erinnerungen des ehemaligen BND-Kollegen Oskar Reile schon <strong>1990</strong>, <strong>und</strong> somitan<strong>der</strong>thalb Jahrzehnte vor Weiners Buch, zu lesen bekommt: „Bereits vor diesem Fall – im Winter1952/53 – hatte ich General <strong>Gehlen</strong> zwei Verdachtsmeldungen gegen den in einer Außenstelle <strong>der</strong>»Org« [<strong>der</strong> Organisation <strong>Gehlen</strong>] tätigen Heinz Felfe, einen ehemaligen SS-Obersturmführer, vorgelegt,in denen ich darauf hinwies, dass die Meldungen auf Feststellungen beruhten, die vom Verfassungsschutzin Düsseldorf getroffen waren. Mit diesen Meldungen befasste sich anschließend auftragsgemäßdie Sicherheitsabteilung <strong>der</strong> »Org«. Zu meinem <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Mitarbeiter Erstaunen wurde Felfe trotz<strong>der</strong> vorliegenden Verdachtsmeldungen in die Zentrale <strong>der</strong> »Org« geholt <strong>und</strong> ausgerechnet <strong>der</strong> AbteilungGegenspionage zugeteilt. Felfe gewann sehr bald das Vertrauen <strong>Gehlen</strong>s, während mein Stern beim hohenChef zu sinken begann. [...] In den Jahren bis zu meinem Ausscheiden aus dem B<strong>und</strong>esnachrichtendienstim Dezember 1961 erlebte ich noch so manches Mal, dass General <strong>Gehlen</strong> bei Entscheidungeneine unglückliche Hand hatte. Unter an<strong>der</strong>em schlug er mir <strong>und</strong> Mitarbeitern von mir bedeutende geheimdienstlicheUnternehmen, die wir angebahnt hatten, aus <strong>der</strong> Hand <strong>und</strong> übertrug sie an<strong>der</strong>en.“ Esklingt ebenfalls nicht gut, wenn Marion Gräfin Dönhoff mit ihrem einzigartigen Charme dem geliebtenPublikum im Juli des Jahres 1963 erläuterte: „Erst wenn man weiß, wie lange es dauert, einen verdäch-

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