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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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tigen Spion in den eigenen Reihen zu überführen, bekommt man eine Ahnung von den Schwierigkeiten.“Huch! Ja, ist es denn die Möglichkeit?In seinen Memoiren klagte <strong>der</strong> geheimnisvolle Mr. <strong>Gehlen</strong>: „Es müsste den Rahmen meines Rückblickssprengen, wenn ich an dieser Stelle auf die zahlreichen falschen Behauptungen, Übertreibungen <strong>und</strong>Vereinfachungen eingehen würde. Ich will mich deshalb auf einige wenige Feststellungen beschränken,die nach meiner Ansicht dennoch geeignet sind, diesen schwerwiegenden Verratsfall in einem an<strong>der</strong>enLichte erscheinen zu lassen.“ Um es vorwegzunehmen: das gelang ihm nicht. Dafür ist seine Sprache zuunsachlich. Überhaupt habe ich mich nach meinem Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus gew<strong>und</strong>ert,wie ähnlich Propaganda in allen Teilen <strong>der</strong> Heimat eines Dr. Josef Goebbels klang. Sie könnendas in Der Dienst auf den Seiten 286 bis 289 ja selbst nachlesen. Am Ende <strong>der</strong> Darstellung kündigt<strong>Gehlen</strong> sogar beson<strong>der</strong>e seherische Qualitäten an: „Es ist damit zu rechnen, dass in Kürze unter FelfesNamen Memoiren erscheinen werden, für die das sowjetische KGB Material freigegeben hat.“ Das waretwas verfrüht. Im Dienst des Gegners erschien erst 1986. „In Kenntnis aller Zusammenhänge <strong>und</strong> Hintergründehabe ich indes Anlass zu <strong>der</strong> Ansicht, dass Felfe nicht so erfolgreich gearbeitet hat, wie seineAuftraggeber erwartet haben <strong>und</strong> wie es nach seinem geplanten Buch den Anschein haben wird.“ Wieman das eben so betrachtet. Aber vielleicht waren „annähernd siebzig größere Geheimoperationen, dieIdentität von mehr als h<strong>und</strong>ert CIA-Agenten <strong>und</strong> ungefähr fünfzehntausend Geheiminformationen“auch noch keine Katastrophe.Im Unterschied zu <strong>Reinhard</strong> <strong>Gehlen</strong> befand das Gericht: „Seine Schuld wiegt schon angesichts des außerordentlichgroßen Umfangs seiner langjährigen Verratstätigkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> hohen Bedeutung des vonihm gelieferten Materials überschwer. Auch seine persönliche Gefährlichkeit war groß, vor allem wegenseiner dienstlichen Stellung, seiner hohen Intelligenz <strong>und</strong> seiner Gewissenlosigkeit.“Clever gingen Gericht <strong>und</strong> Medien mit <strong>der</strong> „Aufarbeitung“ dieses Falles um. Dort wurde das Augenmerkdes Publikums pädagogisch wertvoll auf das eigentliche Thema <strong>der</strong> Zeit nach einem Kanzler Hitler gelenkt.„Im Juli 1963 fanden dann die Massenmedien rasch ihre Sensation: Im Prozess gegen Felfe <strong>und</strong>seine Komplicen, <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> in öffentlicher Verhandlung anlief, galt das Hauptinteresse nicht mehr demVerräter <strong>und</strong> seinem Tun, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> angeblich »verfehlten Personalpolitik« des Dienstes. Felfes Vergangenheit,er war während des <strong>Krieg</strong>es als Kriminalbeamter in den SD übernommen worden, was erverschwiegen hatte, stand im Mittelpunkt zahlreicher Presseartikel, in denen <strong>der</strong> Dienst mit einemebenso subjektiven wie oberflächlichen Analogieschluss als »Sammelstelle für alte Nazis« bezeichnetwurde.“ Damit leisteten die Medien ihren Beitrag zur Verschleierung <strong>der</strong> Umstände <strong>und</strong> zugleich zurantifaschistischen Umerziehung <strong>der</strong> Westdeutschen.Der lei<strong>der</strong> in öffentlicher Verhandlung anlief. <strong>Gehlen</strong> war ein Meister seines Fachs. Soll Tim Weiner berichten,wie <strong>der</strong> Fall in den USA gesehen wurde: „Da es <strong>der</strong> US-Armee nicht gelang, die Organisation<strong>Gehlen</strong> unter ihre Kontrolle zu bringen, obgleich sie <strong>der</strong>en Operationen freigiebig finanzierte, versuchtesie wie<strong>der</strong>holt, sie in die CIA abzudrängen. Viele von Richard Helms’ Mitarbeitern waren strikt dagegen.Einer gab zu Protokoll, es schüttele ihn beim Gedanken, mit einem Netz von »SS-Leuten mit bekannterNazi-Vergangenheit« zusammenzuarbeiten. Ein an<strong>der</strong>er meinte warnend: »Der amerikanische Nachrichtendienstist ein reicher Blin<strong>der</strong>, <strong>der</strong> die Abwehr als Blindenh<strong>und</strong> benutzt. Das einzige Problem: dieLeine ist viel zu lang.« Helms selbst äußerte die nur allzu berechtigte Befürchtung: »Ohne Zweifel wissendie Russen, dass wir diese Operation durchführen.« »Wir wollten da nicht ran«, sagte Peter Sichel,damals in <strong>der</strong> CIA-Zentrale verantwortlich für die deutschen Operationen. »Das hatte gar nichts mitMoral o<strong>der</strong> Ethik zu tun, son<strong>der</strong>n in erster Linie etwas mit Sicherheit.« Doch im Juli 1949 übernahmdie CIA, unter dem hartnäckigen Druck <strong>der</strong> Armee, die Organisation <strong>Gehlen</strong>. <strong>Gehlen</strong> residierte in einemaußerhalb Münchens gelegenen ehemaligen Nazi-Hauptquartier <strong>und</strong> nahm Dutzende prominenter<strong>Krieg</strong>sverbrecher mit offenen Armen in seinen Kreis auf. Ganz wie Helms <strong>und</strong> Sichel befürchtet hatte,war die Organisation <strong>Gehlen</strong> auf höchster Ebene von den Nachrichtendiensten Ostdeutschlands <strong>und</strong><strong>der</strong> Sowjetunion unterwan<strong>der</strong>t. Der schlimmste Maulwurf kam erst ans Tageslicht, als sich die Organisation<strong>Gehlen</strong> schon längst in den westdeutschen B<strong>und</strong>esnachrichtendienst verwandelt hatte. <strong>Gehlen</strong>slangjähriger Chef <strong>der</strong> Spionageabwehr hatte die ganze Zeit für Moskau gearbeitet.“ Das war Herr Felfe.Wen es interessiert, wie Felfes Verhältnis zu den Kameraden <strong>der</strong> braunen Fraktion beschaffen war,kann auch gleich <strong>Reinhard</strong> <strong>Gehlen</strong>s Autobiographie lesen. Felfe mochte die blinden Fanatiker auch keinenDeut mehr als sein Herr <strong>und</strong> Meister. Das dürfte Felfe in dem Jahrzehnt mit <strong>Gehlen</strong> aufgefallensein. Trotzdem rückt er ihn in seinem Werk in die braune Schmuddelecke <strong>und</strong> bestätigt im Osten dasbraune Image des Strategen in Pullach. Daneben räumt Heinz Felfe schon ein, dass im BND nicht nur

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