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Reinhard Gehlen und der Kalte Krieg - Deutschland 1933 – 1990

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entwickelten Land zu versuchen. Mit Unterstützung durch den Deutschen Kaiser. Die Idee einer Weltrevolutionbezog sich darüber hinaus auf Aufstände des Proletariats gegen die Bourgeoisie in den einzelnenLän<strong>der</strong>n. Von <strong>Krieg</strong>en, die eine Revolution in ein Land tragen sollten, war meines Wissens nirgendwodie Rede. Ich lasse mich aber gern berichtigen. Die zahlreichen Äußerungen über den Optimismus,dass sich Proletarier in den Län<strong>der</strong>n des Westens von <strong>der</strong> Ausbeutung bald befreien würden, dürfenihrerseits als innenpolitische Demagogie verstanden werden. Das fruchtete freilich auch in den Weiten<strong>der</strong> Sowjetunion eher als in Ungarn, in <strong>der</strong> ČSSR o<strong>der</strong> <strong>der</strong> DDR, wo sich schnell herumsprach, dasses mit <strong>der</strong> Ausbeutung <strong>der</strong> Proletarier im Westen nicht überschlimm gewesen sein kann <strong>und</strong> dass dortsogar ehemalige Proletarier mit dem Arbeitslosengeld besser lebten als ein Arzt im eigenen Land.Die rigorose Demontage von Industriegütern <strong>und</strong> die Abpressung <strong>der</strong> Reparationen für ganz <strong>Deutschland</strong>aus <strong>der</strong> einen Zone, auf die Stalin nach dem Beginn des <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong>es noch Zugriff hatte, deutenübrigens auch nicht darauf hin, dass dem Chef in Moskau <strong>der</strong> Aufbau eines Vasallenstaates in <strong>Deutschland</strong>vorgeschwebt hätte. Nach Angaben von Helmut Kohl hat die DDR Reparationen in Höhe von umgerechnet727 Milliarden D-Mark gezahlt. John Dornberg veröffentlichte 1968 in Wien ein Buch, in demes hieß: „Erst nach <strong>der</strong> Genfer Konferenz von 1955, als die diversen Wie<strong>der</strong>vereinigungspläne ad actagelegt worden waren, erhielt Ulbricht grünes Licht zum wirtschaftlichen Aufbau.“ So war das. Und wäreStalin nicht durch die Bonner Verweigerung einer Grenzanerkennung <strong>und</strong> die offizielle UnterstützungBonns durch die NATO-Partner zum vermeintlich einzigen militärischen Garanten des polnischen Staatesgeworden, hätte er seine Truppen auch dort nicht belassen können. Die Polen haben die sowjetischenTruppen genauso wi<strong>der</strong>willig ertragen wie die Westdeutschen die US-Amerikaner o<strong>der</strong> die Briten<strong>und</strong> die Franzosen. Fragen Sie mal die älteren Semester.Abgesehen davon kann ich mir auch sehr gut vorstellen, dass die Führung in Moskau ohne die Auseinan<strong>der</strong>setzungzwischen den späteren sozialistischen Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> den Demokratien des Westens nichtso brachial mit den Kritikern ihres Systems umgegangen wäre, was ihr in <strong>der</strong> Folge viele weitere Kriti -ker erspart hätte. Dass es übrigens einen Zusammenhang zwischen den <strong>Krieg</strong>svorbereitungen in Berlin<strong>und</strong> den Gewaltexzessen in <strong>der</strong> Sowjetunion in den späten dreißiger Jahren gab, wird jetzt noch nichtverraten. Vorfreude ist <strong>und</strong> bleibt die schönste Freude.Zu spät, um diese Amerikaner noch von ihrer Verfolgungsangst abzubringen, kam die Entwarnung:„Doch die Spekulationen <strong>der</strong> Nachrichtendienstler über die Sowjets waren Bil<strong>der</strong>, wie sie ein Zerrspiegelzurückwirft. Stalin hatte we<strong>der</strong> einen umfassenden Plan zur Beherrschung <strong>der</strong> Welt noch die Mittel,einen solchen durchzusetzen. Der Mann, <strong>der</strong> nach seinem Tod schließlich die Macht in <strong>der</strong> Sowjetunionübernahm, nämlich Nikita Chruschtschow, erinnerte sich später, beim Gedanken an eine weltweite Auseinan<strong>der</strong>setzungmit Amerika habe Stalin »gezittert« <strong>und</strong> »gebibbert«.“Wenn aber von <strong>der</strong> Sowjetunion gar keine Bedrohung für den Rest <strong>der</strong> Welt ausging, dann muss dasdoch aber ein paar Agenten aufgefallen sein, die gegen das Reich des Bösen eingesetzt waren. Nach ihnenhabe ich genauso gefahndet, wie nach Wolfs Agenten in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik, von denen ja irgendeinerbemerkt haben muss, dass es auf gar keinen Fall das Ziel <strong>der</strong> Bonner Staatsführung gewesen seinkann, sich Unsere DDR „einzuverleiben“, wie es ja in <strong>der</strong> Ost-Berliner Propaganda immer hieß. Wäh -rend ich lei<strong>der</strong> keinen Hinweis auf solche Gedankengänge bei einem DDR-Agenten in <strong>der</strong> BRD fand,entdeckte ich bei Tim Weiner einen Ami, <strong>der</strong> seinem eigenen Verstand mehr traute als <strong>der</strong> üblichen antisowjetischenPropaganda zu Hause. Im Jahr des Amtsantritts von Gorbatschow 1985 wurde AldrichHazen Ames <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Spionageabwehr <strong>der</strong> Amerikaner gegen die Sowjetunion <strong>und</strong> Osteuropa. „Erhielt die Behauptung für absurd, dass die Bedrohung durch die Sowjetunion immens sei <strong>und</strong> immergrößer werde. Er war überzeugt davon, es besser zu wissen. Er erinnerte sich, dass er dachte: »Ich ken -ne die Sowjetunion in- <strong>und</strong> auswendig, <strong>und</strong> ich weiß, was für die Außenpolitik <strong>und</strong> für die nationale Si -cherheit [<strong>der</strong> Vereinigten Staaten] das Beste ist. Und entsprechend werde ich handeln.«“ Von dieser Erinnerungerfuhr Weiner bei einem Besuch im Bezirksgefängnis von Alexandria in den Weiten <strong>der</strong> USA,da <strong>der</strong> arme Kerl das eigenständige Denken zum Wohle <strong>der</strong> USA jetzt mit einer lebenslangen Haftstrafebezahlt.Beginnend mit Kanzler Adenauer pflegte <strong>der</strong>weil die Staatsführung in Bonn unter den Kanzlern Erhard,Kiesinger, Schmidt <strong>und</strong> Kohl weiter sorgfältig die zarte Blume dieses <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong>es. Nach Gesprächenmit Bonner Politikern im Jahr 1953 sah <strong>der</strong> Journalist Sebastian Haffner in Bonn zwei außenpolitischeStrömungen am Werk. Die einen wollten mithelfen, „den <strong>Kalte</strong>n <strong>Krieg</strong> zu beenden, um die Teilung zuüberwinden, die <strong>Deutschland</strong> nicht durch eigene Schuld erlitten hat, <strong>und</strong> die Konsequenzen seines verlorenen<strong>Krieg</strong>es zu tragen. An<strong>der</strong>e vertreten die Ansicht, dass es im deutschen Interesse liege, auf die

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