Zeitschrift für Bildung und Kultur - Freie Waldorfschule Oberberg
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<strong>Bildung</strong>shäuser <strong>für</strong> Kinder von 0 bis 18<br />
Bericht von der Veranstaltung der Waldorfkindergarten<strong>und</strong><br />
Waldorfschulbewegung im Januar 2009<br />
Ulrike Udomsilp<br />
Das Institut <strong>für</strong> Waldorfpädagogik in Witten führte im<br />
Januar dieses Jahres eine gemeinsame Tagung <strong>für</strong> angehende<br />
Erzieher <strong>und</strong> Lehrerstudenten unter dem Thema<br />
„Im Mittelpunkt das Kind“ durch.<br />
Der Übergang vom Kindergarten in die Schule fi ndet <strong>für</strong><br />
das Kind früher statt. Daher rückt die Aufgabe der Gestaltung<br />
dieses Übergangs noch stärker in das Bewusstsein<br />
<strong>und</strong> die gemeinsame Verantwortung von Erziehern<br />
<strong>und</strong> Lehrern.<br />
Im Zusammenhang mit der Tagung stand die Veranstaltung<br />
über <strong>Bildung</strong>shäuser mit Dr. Rainer Strätz, dem<br />
stellvertretenden Leiter des Sozialpädagogischen Institutes<br />
an der Fachhochschule Köln, <strong>und</strong> mit Ulrich Bosse,<br />
dem Leiter der sechsjährigen Primarstufe an der Laborschule<br />
des Landes NRW in Bielefeld.<br />
<strong>Bildung</strong> ist immer Persönlichkeitsbildung<br />
mit dem Ziel der Herausbildung der<br />
unverwechselbaren Persönlichkeit des<br />
jeweiligen Schülers.<br />
In dem Recherchebericht „<strong>Bildung</strong>shäuser“, den Dr.<br />
Strätz <strong>für</strong> das <strong>Bildung</strong>sministerium erstellte, heißt es:<br />
„Mit dem Konzept der „<strong>Bildung</strong>shäuser“ wird das Kind in<br />
den Mittelpunkt gestellt. Sie setzen an den Stärken der<br />
Kinder an <strong>und</strong> sichern Kindern einen kontinuierlichen<br />
Entwicklungsprozess. „Brüche“ <strong>und</strong> Reibungsverluste<br />
beim Wechsel von <strong>Bildung</strong>sinstitutionen werden möglichst<br />
vermieden. Ein gemeinsames <strong>Bildung</strong>sverständnis,<br />
das die Unterschiedlichkeiten in verschiedenen Lebensaltern<br />
berücksichtigt, ist in gemeinsamen <strong>Bildung</strong>splänen<br />
<strong>für</strong> Kinder von der Geburt bis zur Hochschulreife zu<br />
fi nden. Kindergarten <strong>und</strong> Schulen ‚lösen sich auf’ <strong>und</strong><br />
werden zu einem gemeinsamen <strong>Bildung</strong>shaus“.<br />
So referierte Dr. Strätz, wie durch <strong>Bildung</strong>shäuser <strong>für</strong><br />
Kinder Übergänge von einer Institution in die andere<br />
<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Ängste vermieden sowie Sicherheit<br />
gegeben werden sollen.<br />
„Übergangsverlierer“ im jetzigen System sind nach wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen einerseits cholerische<br />
Kinder ohne soziale Kompetenzen <strong>und</strong> andererseits vom<br />
Elternhaus überbehütete Kinder.<br />
Im Konzept der <strong>Bildung</strong>shäuser wird den Kindern die<br />
notwendige Zeit <strong>für</strong> ihre individuellen Entwicklungsprozesse<br />
gelassen. Verfrühte Eignungsentscheidungen durch<br />
Institutionenwechsel müssen nicht getroffen werden.<br />
Die Stufen des kindlichen Denkens, wie sie z.B. der Entwicklungspsychologe<br />
hat, können vom Kind dadurch errungen<br />
werden, dass es Lerngr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Kompetenzen<br />
erwirbt. Dies geschieht z.B. durch die Förderung von<br />
Motorik, Bewegungskoordination, Sinneswahrnehmung,<br />
Lernbereitschaft <strong>und</strong> Durchhaltevermögen.<br />
Dahinter steht kein Lernplan, sondern die Frage, welche<br />
Kompetenzen das Kind braucht <strong>und</strong> wie es diese<br />
erwirbt.<br />
<strong>Bildung</strong> ist immer Persönlichkeitsbildung mit dem Ziel<br />
der Herausbildung der unverwechselbaren Persönlichkeit<br />
des jeweiligen Schülers.<br />
In der Laborschule Bielefeld ist der <strong>Bildung</strong>shaus-Gedanke<br />
<strong>für</strong> Schüler von fünf bis 16 Jahren verwirklicht. Am<br />
Ende der Schulzeit werden je nach Leistung alle mittleren<br />
Abschlüsse vergeben. Ohne Eingangsuntersuchung<br />
werden die Kinder in die Eingangsstufe aufgenommen.<br />
Schulreife <strong>und</strong> Schulfähigkeit sollen in der Schule entwickelt<br />
oder weiterentwickelt werden.<br />
Die Eingangsstufe umfasst, wie alle weiteren Stufen,<br />
drei Jahrgänge, also Kinder von fünf bis sieben Jahren.<br />
16 Schüler bilden eine Gruppe <strong>und</strong> die „Schulneulinge“<br />
können so von erfahrenen Helfern eingeführt <strong>und</strong> begleitet<br />
werden.<br />
Je höher die Schulstufe, desto größer wird die Lerngruppe.<br />
Die Schule ist Lebens- <strong>und</strong> Erfahrungsraum. Die<br />
Schüler lernen mit Unterschieden zu leben. Ihre Leistungen<br />
orientieren sich an ihren individuellen Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> werden auch so beschrieben. Noten gibt es erst<br />
ab dem 2. Halbjahr in der 9. Klasse.<br />
Über allen Unterrichten steht das Motto: So wenig Belehrung<br />
wie nötig, so viel Erfahrung wie möglich.<br />
„Die Achtung vor der Individualität des Kindes <strong>und</strong> die<br />
Bemühung, es so zu begleiten, dass es das werden kann,<br />
was es werden will, ist ein zentrales Anliegen der Waldorfpädagogik.<br />
Das auf den Gr<strong>und</strong>lagen der Anthroposophie<br />
basierende Menschenbild unterstützt die damit<br />
spätestens mit der Geburt beginnende <strong>Bildung</strong> des<br />
Menschen, die in den verschiedenen Lebensaltern unterschiedlich<br />
verläuft, jedoch im Kontext eines zusammenhängenden<br />
<strong>Bildung</strong>sprozesses steht.<br />
Eltern, Erzieherinnen/Erzieher <strong>und</strong> Lehrerinnen/Lehrer in<br />
Waldorfkindergärten <strong>und</strong> <strong>Waldorfschule</strong>n, die die Begleitung<br />
des Kindes auf einer pädagogischen Gr<strong>und</strong>lage<br />
leisten, bemühen sich, die passenden Lebensräume <strong>für</strong><br />
die Kinder zu schaffen.“<br />
(Zitat aus dem Flyer der Vereinigung<br />
der Waldorfkindergärten <strong>und</strong> –schulen<br />
zur <strong>Bildung</strong>smesse in Hannover)<br />
Ulrike Udomsilp,<br />
Klassenlehrerin der<br />
5. Klasse Schmetterlinge<br />
Cristal 12 | 2009 11