Zeitschrift für Bildung und Kultur - Freie Waldorfschule Oberberg
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Die Faszination der Computerspiele<br />
Andreas Neider<br />
Fragt man bei Jugendlichen heute nach dem Medium,<br />
auf das sie am wenigsten verzichten können,<br />
so wird an erster Stelle das Internet, an zweiter<br />
Stelle der PC <strong>und</strong> erst an dritter Stelle der Fernseher<br />
genannt. Das war noch vor wenigen Jahren<br />
umgekehrt. Internet <strong>und</strong> Computer sind in der Jugendgeneration<br />
von heute eindeutig zu den eigentlichen<br />
Leitmedien aufgestiegen. 1<br />
Fragt man weiter, was denn mit Computern <strong>und</strong> Internet<br />
hauptsächlich getrieben wird, so ergibt sich,<br />
dass hier an vorderster Stelle Computerspiele eine<br />
leitende Rolle spielen, insbesondere bei Jungen.<br />
Eine neue Studie des KFN 2 von Christian Pfeiffer<br />
hat ergeben, dass 25% der Jugendlichen täglich<br />
eineinhalb St<strong>und</strong>en am Computer spielen, 15% dagegen<br />
schon dreieinhalb St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> weitere 10%<br />
sogar fünfeinhalb St<strong>und</strong>en. Nur 12% gaben an, gar<br />
nicht zu spielen. Das bei weitem beliebteste Spiel<br />
bei Jungen: „Counterstrike“ (27%), bei Mädchen<br />
ebenfalls mit weitem Abstand: „Die Sims“ (23%). 3<br />
Auffällig ist, dass insgesamt 50% aller Jungen täglich<br />
Computerspiele spielen, dagegen nur 15% der<br />
Mädchen. Daraus ergibt sich die Frage: Warum sind<br />
besonders Jungen von diesen Spielen, bei denen<br />
zumindest bei den am meisten verkauften Spielen<br />
immer Gewalt eine beherrschende Rolle spielt, so<br />
fasziniert?<br />
Computerspiele<br />
als eigenständiges Medium<br />
Zunächst muss man sich zur Beantwortung dieser<br />
Frage klar machen, dass es nicht einfach nur Medien<br />
gibt <strong>und</strong> Computerspiele eben eines unter vielen<br />
sind. Sondern man muss lernen zu unterscheiden:<br />
1) Bildmedien, die das Vorstellungsvermögen, die<br />
Bildfähigkeit <strong>und</strong> Fantasie ansprechen. Dazu<br />
Im Überblick: 4<br />
Der Mensch <strong>und</strong> die Medien<br />
gehören auf der einen Seite die Bücher, auf der<br />
anderen Seite aber Fernsehen, DVD <strong>und</strong> Kino, die<br />
das ersetzen, was der Leser beim Lesen selbst<br />
hervorbringen muss, nämlich innere Bilder.<br />
2) Tonmedien, die sehr stark das Gefühlsleben ansprechen<br />
<strong>und</strong> die das ersetzen, was man beim<br />
Produzieren eigener Musik selbst erzeugen muss,<br />
nämlich gute Gefühle, das Gefühl der Harmonie<br />
oder der Übereinstimmung mit sich selbst <strong>und</strong><br />
anderen.<br />
3) Internet <strong>und</strong> Computerspiele, die die Willenssphäre,<br />
die Sphäre unserer Handlungen ansprechen.<br />
Hier wird das ersatzweise erreicht, was<br />
man im Sozialen immer sucht: „Ich kann anderen<br />
nützlich sein, was ich hier tue, ist von großer<br />
Bedeutung, meine Tätigkeit trägt zum Wohl des<br />
Ganzen bei. Dabei kann ich mit anderen in Übereinstimmung<br />
handeln.“<br />
Seelischer Bereich Seelisches Bedürfnis Medium<br />
Denken, Vorstellen Innere Bilder Bücher, Filme, TV<br />
Fühlen Innere Harmonie Tonmedien, MP3<br />
Handeln Äußere Harmonie, Kohärenz Internet,<br />
Computerspiele<br />
1 Vgl. zu den Statistiken der Mediennutzung Jugendlicher die sogenannte JIM-Studie, die jährlich vom MPFS in Stuttgart<br />
herausgegeben wird, www.mpfs.de<br />
2 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, www.kfn.de<br />
3 Computerspielabhängigkeit im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter. Forschungsbericht 108 des KFN, Hannover 2009.<br />
4 Vgl. zum Folgenden das Buch des Autors „Medienbalance-Erziehen im Gleichgewicht mit der Medienwelt“, Stuttgart 2008.<br />
Cristal 12 | 2009