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Zeitschrift für Bildung und Kultur - Freie Waldorfschule Oberberg

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Die Folgen<br />

Neben den schulischen Leistungen ist aber noch<br />

ein anderer Bereich betroffen, <strong>und</strong> das ist die emotionale<br />

Reifung. Bei den vorher angesprochenen<br />

realen Erfahrungen von körperlichem Schmerz,<br />

Kraftanstrengung, Angstüberwindung, sozialem<br />

Miteinander, spielen Gefühle <strong>und</strong> insbesondere das<br />

Mitgefühl eine sehr große Rolle. Emotionale Reife,<br />

Empathie bildet sich, <strong>und</strong> das ist auch neurobiologisch<br />

nachweisbar, nur im Verb<strong>und</strong> mit körperlichen<br />

Erfahrungen, mit einem realen menschlichen<br />

Gegenüber, also in der realen Welt aus.<br />

In den virtuellen Welten der Computerspiele dagegen<br />

spielt der Körper keine Rolle, hier haben sämtliche<br />

Handlungen keine realen Folgen, kein Schmerz,<br />

keine Schramme, kein Schweiß, gar nichts spielt<br />

sich auf dieser Ebene mehr ab. Und was geht dabei<br />

vollkommen verloren? Das Mitgefühl, die Empathie,<br />

die in keinem Game eine Rolle spielt. „Was soll’s,<br />

wenn einer dran glauben muss, ist doch nur Spiel.“<br />

In den realen Spielewelten von „Cowboy <strong>und</strong> Indianer“,<br />

„Räuber <strong>und</strong> Gendarm“ etc. aber, spielten<br />

körperliche Erfahrungen <strong>und</strong> auch das Mitleiden,<br />

spielte Empathie immer eine Rolle, auch im Mannschaftsport<br />

natürlich. In „Fifa 2008“ 6 dagegen, wer<br />

leidet da schon mit dem am Boden liegenden Kameraden<br />

mit? Kann der Spieler am Bildschirm das<br />

überhaupt? Nein, er kann es nicht, weil die körperliche<br />

Dimension fehlt.<br />

Computerspiele erziehen deshalb aus ihrer virtuellen<br />

Natur heraus zur Gefühllosigkeit!<br />

Was ist zu tun?<br />

Was ergibt sich aus alledem an praktischen Konsequenzen?<br />

1. Wir benötigen wieder mehr Männer in allen<br />

erzieherischen Belangen.<br />

2. Die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen, insbesondere die<br />

Jungen, benötigen offene natürliche Räume,<br />

in denen sie Naturerfahrungen, die mit Gefahren<br />

verb<strong>und</strong>en sind, machen können. Dazu<br />

trägt heute die Erlebnispädagogik bei.<br />

3. Körperliche Erfahrungen in Sport <strong>und</strong> Spiel<br />

dürfen nicht zu kurz kommen. Hier spielt auch<br />

die Zirkuspädagogik eine große Rolle.<br />

4. Das Gefühl, im Sozialen etwas Sinnvolles<br />

bewirken zu können, mit anderen gemeinsam<br />

etwas erreichen zu können, das gesellschaftlichen<br />

Nutzen stiftet, muss in der realen<br />

Welt gemacht werden können. Soziale<br />

Einrichtungen wie Freiwillige Feuerwehren,<br />

Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz <strong>und</strong> viele<br />

andere Institutionen, aber auch entsprechende<br />

Schulpraktika wie insbesondere ein Landwirtschaftpraktikum<br />

sind hier von enormer<br />

Bedeutung.<br />

W<strong>und</strong>erbar ist es dann, wenn man von einer Waldorfmutter<br />

folgende Geschichte erfährt:<br />

„Mein Sohn war im Landwirtschaftspraktikum<br />

auf einem Bauernhof. Dem Bauern ging es sehr<br />

schlecht, denn er hatte kein Geld mehr, um seine<br />

verfallene Scheune neu zu errichten. Einige Jungen<br />

der Klasse <strong>und</strong> mein Sohn entschlossen sich daher,<br />

in den Sommerferien bei dem Bauern entgeltlos zu<br />

arbeiten, <strong>und</strong> ihm seine Scheune wieder aufzubauen.“<br />

Eine solche Erfahrung ist heute selten geworden,<br />

aber sie ist mit Sicherheit eines der Heilmittel, mit<br />

denen Computerspielsucht überw<strong>und</strong>en werden<br />

kann.<br />

Der Aufsatz erschien in der Maiausgabe 2009 der <strong>Zeitschrift</strong><br />

„Die Christengemeinschaft“.<br />

Nachdruck mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung des Autors<br />

Von 15.- 17. 1. 2010 veranstaltet Andreaas Neider<br />

mit seiner Agentur „Von Mensch zu Mensch“ den<br />

7. <strong>Bildung</strong>skongress, dieses Mal zum Thema dieses<br />

Beitrages: „Flucht in virtuelle Welten? Reale Beziehungen<br />

mit Kindern gestalten. Anfragen bitte an<br />

den Autor.<br />

Zum Autor: Andreas Neider,<br />

Jahrgang 1958, Studium der<br />

Philosophie, Ethnologie,<br />

Geschichte <strong>und</strong> Politologie<br />

in Berlin.<br />

17 Jahre Tätigkeit im Verlag<br />

<strong>Freie</strong>s Geistesleben als Lektor<br />

<strong>und</strong> Verleger. Seit 2002<br />

Leiter der <strong>Kultur</strong>agentur „Von<br />

Mensch zu Mensch“. Durchführung<br />

von anthroposophischen<br />

Veranstaltungen <strong>und</strong><br />

pädagogischen Kongressen.<br />

Gastdozent im Lehrerseminar<br />

Stuttgart, Vortragstätigkeit.<br />

6 Videospiel, in dem die Fußballweltmeisterschaft oder andere Fußballereignisse simuliert werden.<br />

Cristal 12 | 2009

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