OCEAN7 2015-06
Zwei große Reportagen lesen Sie in dieser Ausgabe: Ein Törn mit Kindern im familienfreundlichen Ionischen Meer. Und einen ausführlichen Fotobericht der weltumsegelnden Pitufa-Crew von den Marquesas in der Südsee.
Zwei große Reportagen lesen Sie in dieser Ausgabe: Ein Törn mit Kindern im familienfreundlichen Ionischen Meer. Und einen ausführlichen Fotobericht der weltumsegelnden Pitufa-Crew von den Marquesas in der Südsee.
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Yacht Club Austria<br />
18 Meter Stahl<br />
100 Jahre alt<br />
Text und Fotos: Ernest Vogelsinger<br />
Zur Überführung eines klassischen, ca.<br />
100-jährigen Stahlschoners von 18 m Länge<br />
werden noch Crewmitglieder gesucht.<br />
Dieses Inserat auf www.handgegenkoje.de<br />
kam genau zur richtigen Zeit – per E-Mail<br />
wurden wir schnell handelseins.<br />
Die Bilder, die der Eigner schickt, zeigen einen schönen alten Stahlrumpf<br />
mit Schonertakelung aus Holz. Er wurde vom Schiffsfriedhof gekauft und<br />
mit viel eigenem Einsatz aufgepäppelt. Da er zur finalen Restauration in die<br />
Werft in Punat soll, ist die Inneneinrichtung eher provisorisch für die Überstellung<br />
zusammengenagelt.<br />
Am 14. Mai geht es los. Über Mailand nach Cagliari, wo mich ungewohnte<br />
Wärme und wegen Feiertags nicht verkehrende Autobuslinien erwarten.<br />
Drei der geplanten sechs Teilnehmer sind bereits an Bord.<br />
Für morgen ist Mistral angesagt, bis zu 40 Knoten sollen es werden. Am<br />
frühen Nachmittag ist es bereits um 10 Grad kälter und es pfeift bereits im<br />
geschützten Hafenbecken mit 28 Knoten und produziert 1 m hohe Wellen.<br />
Segel anschlagen ist eine einfache Sache? Nicht hier mit drei Vorsegeln,<br />
einem Schoner- und einem Besansegel. Allein die Schotführung der drei<br />
Vorsegel, die in einer Schot gemeinsam geführt werden, ist für mich noch<br />
nicht wirklich einsichtig. Mal sehen, ob wir wirklich segeln können – nicht<br />
nur das Schiff ist alt, auch das Segeltuch.<br />
Sonntags um 8 Uhr legen wir Richtung Tankstelle am anderen Ende des<br />
Hafens ab. Die Tucan ist ein Motorsegler, jeder Kurs, der vorlicher ist als<br />
Halbwind, funktioniert nur unter Maschine. Knapp 1000 Liter sind noch im<br />
Tank, 450 Liter haben Platz. Die Bordkasse jammert bereits das erste Mal.<br />
Unter Motor verlassen wir Cagliari in südlicher Richtung, um später unter<br />
Segel auf Ostkurs Richtung Sizilien zu gehen. So ist zumindest der Plan. Der<br />
Wetterbericht vorhersagt raumen bis halben Wind – gut für unser altes<br />
Mädchen. Der Mistral der Vortage hat eine Dünung von ca. 1,5 m stehen<br />
lassen. Es ist echte Arbeit, den langkieligen Spitzgatter auf Kurs zu halten.<br />
Wir erfinden den Begriff der „statistischen Steuerung”: Der Mittelwert der<br />
gesteuerten Kurse sollte in etwa dem Sollkurs entsprechen.<br />
Außerhalb der Abdeckung von Sardinien setzen wir die Segel bei ca. 16 kt<br />
aus NW Genua und Klüver. Drei Stunden später dreht der Wind jedoch auf<br />
ENE – an Segeln ist nicht mehr zu denken. Eine unangenehme Kreuzsee,<br />
bestehend aus alter Mistraldünung aus NW und breiten Rücken aus NE,<br />
wird immer stärker. Der Wind frischt bis zu 30 kt auf und produziert Wellenhöhen<br />
von 2,5 m, einzelne Exemplare bis zu 4 m. Eine unangenehme<br />
Fahrt steht uns bevor und das Steuern ist Schwerstarbeit. Jeder, der unter<br />
Deck geht, kehrt bald leicht grünlich zurück.<br />
Ist das Aussteuern der Wellen bei Tageslicht noch machbar, wird es mit<br />
anbrechender Dunkelheit zunehmend unmöglich. Unter Deck sieht es aus<br />
wie nach einem Bombenangriff. Erst gegen drei Uhr früh beruhigt sich die<br />
See, der Wind dreht von NE auf SE. Wir sind offenbar oberhalb eines lokalen<br />
Tiefs unterwegs. Die Warmfront des zugehörigen Hochs liegt vor uns<br />
und beeindruckt mit teilweise heftigem Wetterleuchten.<br />
Nachmittags schläft der Wind vollends ein. Ein wolkenloser Himmel spannt<br />
sich über den nur mehr leicht gewellten tyrrhenischen Meer. Beim Abendessen<br />
sind wir ca. 60 sm nördlich von Palermo.<br />
Um 13 Uhr erreichen wir den Nordzipfel des Stromboli. Es ist ein wahrlich<br />
imposanter Anblick, auch das Tiefenprofil, das innerhalb von 2 sm von 3000<br />
auf 50 m Wassertiefe ansteigt. Wir umrunden den Vulkan und gehen auf<br />
Südkurs – Etappenziel ist Milazzo.<br />
Westwind kommt auf, welcher zum Motorsegeln ausreicht. Fünf Segel wollen<br />
gesetzt werden und unter Vollzeug laufen wir mit 6 kt Richtung Sizilien.<br />
Drei Stunden entspanntes Segeln, dann sind wir bereits vor Milazzo. Viel<br />
Tuch muss geborgen werden und wir laufen in den Hafen ein.<br />
Die Einfahrt in die Straße von Messina ist spannend. Zuerst auf Ostkurs,<br />
nahezu windstill durch die Abdeckung. Wir genießen den imposanten<br />
Anblick des Ätna in der Entfernung. Kurz vor Capo Peloro frischt der Wind<br />
stark auf – die Wirkung der Düse zwischen Sizilien und dem Festland. Das<br />
salzhaltige Wasser des Ionischen Meeres ist leichter als das des Tyrrhenischen<br />
Meeres und gleitet daher wie auf einem Keil nach oben und sorgt für<br />
YCA – The International Austrian<br />
62 <strong>OCEAN7</strong> <strong>06</strong>/<strong>2015</strong> | November/Dezember <strong>2015</strong>