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Forschung und Innovation in der Schweiz 2016

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54 <strong>Forschung</strong> <strong>und</strong> <strong>Innovation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>2016</strong><br />

3.3 <strong>Forschung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>in</strong>novationspolitische<br />

Gr<strong>und</strong>haltung des B<strong>und</strong>es<br />

Angesichts <strong>der</strong> <strong>in</strong> aller Regel hervorragenden Positionierung <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> <strong>in</strong> den entsprechenden weltweiten Rank<strong>in</strong>gs sche<strong>in</strong>t das<br />

F&I-System <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> über e<strong>in</strong>e gute Struktur mit allen für e<strong>in</strong>e<br />

hohe Leistungsfähigkeit notwendigen <strong>und</strong> wichtigen Elementen<br />

zu verfügen. Neben <strong>der</strong> Struktur wichtig für die <strong>Innovation</strong>sleistungsfähigkeit<br />

ist die Art <strong>und</strong> Weise, wie das vorhandene F&I-<br />

System von den Akteuren genutzt wird <strong>und</strong> wie die Akteure <strong>in</strong><br />

diesem System <strong>in</strong>teragieren. Dies hängt zu e<strong>in</strong>em wesentlichen<br />

Teil von <strong>der</strong> F&I-Politik ab, verstanden als Gesamtheit aller För<strong>der</strong>massnahmen<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hand <strong>in</strong> diesem Bereich.<br />

Das Schwergewicht <strong>der</strong> F&I-Politik liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> auf<br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Bildung <strong>und</strong> <strong>Forschung</strong>. «Die Bildungspolitik<br />

orientiert sich im Gr<strong>und</strong>satz an zwei Säulen: <strong>der</strong> Berufsbildung (…)<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> akademisch orientierten Bildung (…). Daraus resultiert<br />

volkswirtschaftlich betrachtet e<strong>in</strong>e gute Mischung von Qualifikationen<br />

verschiedener Orientierung, praktisch <strong>und</strong> anwendungsorientiert<br />

e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> wissenschaftsorientiert akademisch an<strong>der</strong>seits,<br />

welche den Aktivitäten <strong>der</strong> Wirtschaft entspricht» (Hotz-Hart &<br />

Rohner, 2014). Die <strong>Forschung</strong>sför<strong>der</strong>ung betont die Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />

vernachlässigt die anwendungsorientierte Entwicklung<br />

jedoch nicht. Je näher die zu för<strong>der</strong>nden Projekte am Markt s<strong>in</strong>d,<br />

desto ger<strong>in</strong>ger sollte – vom Gr<strong>und</strong>satz her – die staatliche Unterstützung<br />

se<strong>in</strong>. Die Tatsache, dass <strong>der</strong> jährliche B<strong>und</strong>esbeitrag an<br />

den SNF r<strong>und</strong> siebenmal höher ausfällt als <strong>der</strong>jenige an die KTI,<br />

trägt diesem Gr<strong>und</strong>satz Rechnung.<br />

Die öffentliche F&I-För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> leistet im Gegensatz<br />

etwa zu den Rahmenprogrammen <strong>der</strong> EU <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e<br />

Zahlungen direkt an Unternehmen. Es gibt auch ke<strong>in</strong>e fiskalische<br />

För<strong>der</strong>ung von F&E-Aktivitäten, beispielsweise über Steuerermässigungen<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt über das öffentliche Beschaffungswesen<br />

(«public procurement») wie von <strong>der</strong> OECD empfohlen. 12<br />

Die öffentliche F&I-För<strong>der</strong>ung setzt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

<strong>der</strong> Forschenden, das Wettbewerbspr<strong>in</strong>zip <strong>und</strong> die<br />

Anwendung qualitativer Beurteilungskriterien auf Gesuche: Vorherrschend<br />

ist das Bottom-up-Pr<strong>in</strong>zip. E<strong>in</strong>zelne Forscherteams<br />

o<strong>der</strong> Unternehmen sollen die Initiative für F&E- <strong>und</strong> <strong>Innovation</strong>s-<br />

Aktivitäten ergreifen <strong>und</strong> selber Verantwortung <strong>und</strong> Risiken übernehmen.<br />

E<strong>in</strong>zelne Projekte erhalten auf Gesuch h<strong>in</strong> im Wettbewerb<br />

<strong>und</strong> beurteilt nach Exzellenz e<strong>in</strong>e staatliche För<strong>der</strong>ung. In<br />

<strong>der</strong> wirtschaftsnahen anwendungsorientierten <strong>Forschung</strong> wird<br />

auf e<strong>in</strong>e top-down bestimmte, orientierte Programmför<strong>der</strong>ung<br />

weitgehend verzichtet. Dies schliesst <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong><br />

gr<strong>und</strong>lagennahen <strong>Forschung</strong> e<strong>in</strong>e politisch bestimmte Fokussierung<br />

auf strategisch wichtige Themen («Schwerpunkte») nicht a<br />

priori aus, wie das Beispiel <strong>der</strong> NFS zeigt. E<strong>in</strong>e Schwerpunktsetzung<br />

erfolgt jedoch meist über e<strong>in</strong>e Art Follow-up-Politik im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

Aufnahme <strong>und</strong> Verstärkung positiver Trends, die sich wie<strong>der</strong>um<br />

aufgr<strong>und</strong> von Bottom-up-Entwicklungen abzeichnen.<br />

12<br />

Die Reform <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung (USR III) wird unter 1.1 erwähnt.<br />

Mit dem Bottom-up-Pr<strong>in</strong>zip geht auch die vorherrschende Auffassung<br />

e<strong>in</strong>her, dass <strong>Innovation</strong>en primär das Ergebnis unternehmerischen<br />

Handelns <strong>und</strong> somit die ureigenste Aufgabe <strong>der</strong> Unternehmen<br />

s<strong>in</strong>d. Die Privatwirtschaft trägt die primäre Verantwortung<br />

für <strong>Innovation</strong>sprozesse. Sie will <strong>und</strong> soll dafür im Rahmen ordnungspolitischer<br />

Regeln über entsprechende Freiräume verfügen.<br />

Der Staat ist nur subsidiär tätig. Er schafft günstige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>und</strong> attraktive Voraussetzungen für <strong>Innovation</strong>en, wie e<strong>in</strong><br />

leistungsfähiges Bildungssystem <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e hochwertige Infrastruktur<br />

<strong>in</strong> Bildung <strong>und</strong> <strong>Forschung</strong> («Enabl<strong>in</strong>g»). Die staatliche <strong>Innovation</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

zielt darauf ab, Menschen <strong>in</strong> ihren jeweiligen Tätigkeitsgebieten<br />

Chancen zu geben, so dass diese ihre Talente<br />

optimal entfalten können <strong>und</strong> <strong>in</strong> ausgewählten Gebieten <strong>in</strong>ternational<br />

wettbewerbsfähige Spitzenleistungen erbr<strong>in</strong>gen. Dazu gehört<br />

auch die Gewährleistung e<strong>in</strong>er im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />

hohen Attraktivität des Standortes <strong>Schweiz</strong> für <strong>in</strong>novative Unternehmen,<br />

Forschende <strong>und</strong> Fachkräfte.<br />

Es kann von e<strong>in</strong>em eigentlichen Paradigma <strong>der</strong> <strong>Innovation</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

des B<strong>und</strong>es, ja <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gesprochen werden (Hotz-Hart<br />

& Rohner, 2014). Nachfolgend die wichtigsten Auffassungen <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>sätze:<br />

• Die wichtigste Antriebskraft für <strong>Innovation</strong>en ist <strong>der</strong> Wettbewerb,<br />

wobei nicht nur Unternehmen im Wettbewerb stehen,<br />

son<strong>der</strong>n auch Hochschulen <strong>und</strong> <strong>Forschung</strong>se<strong>in</strong>richtungen im<br />

ausseruniversitären Bereich. Die <strong>Innovation</strong>spolitik will bestehende<br />

o<strong>der</strong> neu entstehende Konkurrenzverhältnisse zwischen<br />

öffentlichen <strong>und</strong> privaten Akteuren des <strong>Innovation</strong>ssystems<br />

zulassen <strong>und</strong> beachten. Sie stellt sicher, dass es aufgr<strong>und</strong> des<br />

staatlichen Engagements <strong>in</strong> Bildung <strong>und</strong> <strong>Forschung</strong> zu möglichst<br />

ger<strong>in</strong>gen Wettbewerbsverzerrungen kommt. Dazu gehört unabd<strong>in</strong>gbar<br />

auch die Anerkennung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong><br />

Autonomie <strong>der</strong> Hochschulen.<br />

• <strong>Innovation</strong>spolitik will die Flexibilität <strong>und</strong> Anpassungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Akteure <strong>in</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Hochschulen <strong>und</strong> ihre Fähigkeit<br />

zur Absorption von Neuerungen stärken sowie den damit verb<strong>und</strong>enen<br />

strukturellen Wandel unterstützen. Dazu gehört die<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> schnellen Umsetzung <strong>und</strong> Verbreitung des neuesten<br />

Standes <strong>der</strong> Technik (diffusionsorientierte Wirtschaftspolitik).<br />

Aufgr<strong>und</strong> ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung <strong>und</strong> des<br />

vermuteten Potenzials für Wertschöpfung <strong>und</strong> Beschäftigung,<br />

aber auch wegen ihrer strukturell bed<strong>in</strong>gten Probleme <strong>und</strong> Engpässe<br />

s<strong>in</strong>d technologie- <strong>und</strong> exportorientierte KMU sowie Unternehmensgründungen<br />

(Start-ups) e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Zielgruppe<br />

<strong>der</strong> <strong>Innovation</strong>spolitik.<br />

• <strong>Innovation</strong>en entstehen sehr häufig <strong>in</strong> Netzwerken von Grossunternehmen<br />

<strong>und</strong> KMU, Zulieferern <strong>und</strong> Abnehmern, öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten F&I-E<strong>in</strong>richtungen sowie Bildungs<strong>in</strong>stitutionen,<br />

Verbänden <strong>und</strong> Behörden. Die <strong>Innovation</strong>spolitik will dazu beitragen,<br />

dass die Zusammenarbeit <strong>in</strong> solchen Netzwerken erleichtert<br />

<strong>und</strong> verbessert wird. Gute Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bilden<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Basis für Kooperationen im Bereich <strong>der</strong> <strong>Forschung</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Innovation</strong> zwischen Hochschulen <strong>und</strong> Privatwirtschaft. Die<br />

überwiegende Zahl solcher Kooperationen f<strong>in</strong>det dabei direkt<br />

zwischen den Partnern statt, das heisst ohne direkte Beteiligung<br />

o<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch den B<strong>und</strong>.

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