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PS 11/2016

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Ungefähr heute vor einem Jahr.<br />

<strong>PS</strong>-Chef Uwe Seitz setzt seinen<br />

jüngsten Redakteur auf<br />

die Gaststart-Maschine im<br />

R6-Cup: „Fahr da mal und bring eine<br />

Geschichte mit.“ Kein Problem, dachte<br />

ich mir damals. Doch es war durchaus<br />

ein Problem. Im ältesten Markencup<br />

der Welt und einer der renommiertesten<br />

Kaderschmieden fahren keine<br />

Nasenbohrer herum. Die wissen alle<br />

genau, was sie tun und wie Rennsport<br />

funktioniert.<br />

Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nur<br />

an welchem Lenkerende man drehen<br />

muss, damit das Motorrad beschleunigt.<br />

Ich wusste auch, wie das mit dem<br />

Knie am Boden funktioniert. Aber im<br />

Cup fahren und für Fotostunts im Heft<br />

posieren sind zwei verschiedene Dinge,<br />

die am Ende wenig gemeinsam haben.<br />

Ich konnte mir noch nicht so richtig<br />

vorstellen, wie fein das Raster zwischen<br />

den Klassifizierungen „schnell“,<br />

„richtig schnell“ und „verdammt<br />

schnell“ auf der Rennstrecke ausfällt.<br />

Hundertstel bedeuten ein paar Meter,<br />

Sekunden mehrere Welten. Einige<br />

Landstraßenbolzer meinen, sie könnten<br />

super Motorrad fahren, weil das Knie<br />

ab und zu mal den Boden streichelt.<br />

Die Wahrheit ist eine andere: Gemessen<br />

an erfahrenen und talentierten<br />

Racern haben diese Hitzköpfe nicht<br />

arg viel mehr drauf als Zahnbelag.<br />

Und schon bekam ich die erste<br />

Lektion ins Gesicht gerieben: Demut.<br />

Ich wurde in meinem ersten professionellen<br />

Rennen Vorletzter und fühlte<br />

mich beschissen. Gut, bei einem normalen<br />

Renntraining überholten mich<br />

mal irgendwelche Cracks. Aber bestimmt<br />

nicht das ganze Feld! Meiner<br />

eigenen Einschätzung nach fuhr ich<br />

immer Vollgas, bremste spät und zog<br />

früh auf. War aber nicht so. Das Data<br />

Recording lügt nicht. Ich schloss das<br />

Gas zaghaft wie ein verschrecktes<br />

Mädchen, baute viel zu lange Rollphasen<br />

vor jedem Kurveneingang ein und<br />

bremste nicht hart genug. Eigentlich<br />

wollte ich die 600er nach dem katastrophalen<br />

Wochenende nie wieder anfassen<br />

und die Sache möglichst schnell<br />

vergessen. Nach einer Besinnungsphase<br />

verwarf ich diesen Gedanken<br />

wieder. Ich liebe Motorradfahren und<br />

Geschwindigkeit über alles. Und aufgeben<br />

ist generell was für Waschlappen!<br />

Es blieb nur die Flucht nach vorne: zur<br />

Cup-Saison <strong>2016</strong> anmelden und lernen,<br />

lernen, lernen.<br />

Über Yamaha Deutschland kam ich<br />

mit meinem Händler Uli Schüller aus<br />

Jüchen in Kontakt. Er baute mir nicht<br />

einfach nur meine R6 auf und machte<br />

sie nach Bodenproben wieder fit.<br />

Bei allen Veranstaltungen hatte er die<br />

Übersicht und einen Plan zur Hand.<br />

Er versorgte mich mit Ratschlägen und<br />

Ideen für Verbesserungen, einem<br />

Schlafplatz unterm Teamzelt und mit<br />

kaltem Bier. Ich denke, ohne eine Begleitung<br />

dieser Art braucht man kaum<br />

darüber nachzudenken, überhaupt<br />

Yamaha-Cup zu fahren. Eine One-Man-<br />

Show kann man hier nicht abziehen,<br />

das funktioniert nicht.<br />

Uli Schüller betreut bereits seit<br />

2010 Fahrer im Cup und weiß genau,<br />

was es bedeutet, eine Saison zu bestreiten:<br />

„Versprich dir nicht zu viel,<br />

das erste Jahr ist eigentlich zum Lernen<br />

da“. Das klang für mich in Ordnung,<br />

denn ich wollte ja unbedingt lernen. Im<br />

Anschluss kümmerte ich mich verstärkt<br />

um meine körperliche Fitness,<br />

weil ich da sowieso Spaß dran habe<br />

und ich mich irgendwie vorbereiten<br />

wollte. Ende März war ich fit wie ein<br />

Turnschuh, saß aber aus Zeit- und<br />

Geldmangel noch keinen Meter auf der<br />

Cup-R6. Ein Fehler, denn ein Halbmarathon<br />

kann keine Fahrpraxis ersetzen.<br />

Mittlerweile denke ich, dass man das<br />

ganze Fitnesszeug nahezu abhaken<br />

kann. Eine solide Grundfitness reicht<br />

aus, solange man nicht unbedingt in<br />

der Superbike-WM antreten möchte. Es<br />

kommt einzig und allein auf die Erfahrung<br />

mit dem Bike und den Kopf an.<br />

Alles andere tendiert in Richtung egal.<br />

Dann kamen das Auftakttraining<br />

am Lausitzring und das erste Rennen.<br />

Meine Lederkombi war noch nicht richtig<br />

eingetragen und fühlte sich steif an,<br />

das Wetter war saukalt und ich fuhr ein<br />

miserables Qualifying. Ich startete von<br />

weit hinten, wurde im Rennen aber 23.<br />

von 33 Startern. Ex-Cuppie Marco Freyer<br />

rettete mir gewissermaßen die Haut,<br />

indem er kurz vor dem Rennen noch<br />

das Fahrwerk meiner Maschine so abstimmte,<br />

dass ich damit schnell fahren<br />

konnte. Es folgte der zweite Lauf am<br />

Nürburgring. Noch mal kein gutes Qualifying,<br />

aber im Rennen immerhin der<br />

21. Platz. Langsam verstand ich die<br />

600er besser, und es stellte sich ein<br />

höherer Grundspeed ein. Gas schnell<br />

schließen, entschlossen bremsen, Rollphase<br />

gering halten, Linie treffen, Gas<br />

aufziehen und dabei nicht vergessen<br />

zu atmen. Locker bleiben. Die Rundenzeiten<br />

waren okay und ich begann,<br />

auf die Punkteränge ab Platz 15 zu<br />

schielen. Ich wollte in dieser Saison<br />

unbedingt einen Zähler holen, das war<br />

ab diesem Moment das erklärte Ziel.<br />

Vor dem nächsten Lauf in Zolder<br />

nahm ich mir frei und fuhr extra zum<br />

Trainieren nach Belgien rüber. Bis dahin<br />

kannte ich die Strecke nicht, hatte<br />

aber gehört, dass sie trickreich sein<br />

soll. Das ist sie tatsächlich, der Spaßfaktor<br />

kann aber locker mithalten.<br />

Natürlich ging das Qualifying wieder<br />

schief. Im Rennen klappte in den<br />

Burn, Baby! Nach dem Rennen wird am<br />

Außenrand der Sachskurve und im Bereich<br />

der Südkurve Gummi vernichtet

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