Industrielle Automation 5/2015
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Sicher abheben<br />
Thermografie als wichtiges Analysewerkzeug in der experimentellen Forschung<br />
und Qualitätssicherung von Flugzeugturbinen<br />
Christiaan Maras, Frank Liebelt<br />
Flugzeugturbinen müssen<br />
definierte Materialeigenschaften<br />
aufweisen, und das auch an den<br />
bearbeiteten Oberflächen. Denn<br />
kleinste Risse können verheerende<br />
Folgen haben. Im Rahmen eines<br />
experimentellen Forschungsauftrags<br />
wurden daher die fertigungsbedingten<br />
thermischen Belastungen<br />
von Nickelbasislegierungen – sie<br />
werden in Flugzeugturbinen<br />
verwendet – untersucht. Und das<br />
gelang mithilfe der Thermografie.<br />
Die RWTH Aachen wurde 1870 gegründet<br />
und betreut heute ca. 38 000 Studierende<br />
– davon allein über 10 000 im Bereich<br />
Maschinenbau. Die RWTH gehört längst<br />
nicht mehr nur national zu den renommiertesten<br />
Hochschulen im technischen Bereich<br />
und profitiert fast schon selbstverständlich<br />
von der Exzellenzinitiative des Bundes.<br />
Das Werkzeugmaschinenlabor (WZL)<br />
wurde bereits 1906 gegründet. Heute verfügen<br />
WZL und Fraunhofer IPT gemeinsam<br />
über ein Budget von über 60 Mio. EUR und<br />
Christiaan Maras, Marketing Director,<br />
FLIR Commercial Systems BV, Netherlands;<br />
Frank Liebelt, Freier Journalist, Frankfurt<br />
beschäftigen ca. 830 hochqualifizierte Mitarbeiter<br />
(Stand 2014). Mit dem Fraunhofer<br />
IPT (Institut für Produktionstechnologie)<br />
kooperiert das WZL eng. „Zwei Institute<br />
– eine Philosophie: Alle Aspekte der Produktionstechnik“<br />
– so begreifen die beiden<br />
Einrichtungen ihre Zusammenarbeit. Auch<br />
wenn die Mitarbeiter des WZL ihre Arbeit<br />
als (für eine Hochschule) ungewöhnlich<br />
anwendungsnah begreifen, steht das WZL<br />
in dieser Konstellation für<br />
Forsch ung und Lehre, das<br />
Fraunhofer IPT für Innovation<br />
und industrielle Anwendung.<br />
Wichtige Einsatzbereiche<br />
sind Flugzeugtriebwerke<br />
und Komposit-Bauteile für<br />
die Luftfahrt- und Automobilindustrie.<br />
Kritische Teile<br />
einer Turbine<br />
Zirka 2010 erhielten WZL und<br />
IPT einen experimentellen<br />
Forschungsauftrag zur Untersuchung<br />
der fertigungsbedingten<br />
thermischen Belastung von Nickelbasislegierungen,<br />
die in Flugzeugturbinen<br />
verwendet werden. Anlass dafür war ein<br />
Unfall, der auf Mikrorisse im Bohrloch eines<br />
Turbinenteils zurückzuführen war. Bei<br />
tödlichen Flugzeugunglücken stehen Antriebsschäden<br />
in der Häufigkeit laut einer<br />
EASA-Studie (European Aviation Safety<br />
Agency) immerhin an vierter Stelle der<br />
möglichen Ursachen (nach dem Verlust der<br />
Steuerungskontrolle, Feuer und ähmlichem).<br />
Eine genaue Analyse, bei welchen Produk<br />
tionsbedingungen stark beanspruchte<br />
Bauteile den höchsten Qualitätsansprüchen<br />
Es ist schon ein besonderer Moment, wenn<br />
man zum ersten Mal ein Wärmebild sieht,<br />
das in jedem Physiklehrbuch steht, so aber bisher<br />
noch nie gemessen und überprüft werden konnte.<br />
(Im Bild v.l.n.r) Roland<br />
Müller, Fraunhofer<br />
Institut für Produktionstechnologie,<br />
Sascha<br />
Gierlings und Matthias<br />
Brockmann, Werkzeugmaschinenlabor<br />
der<br />
RWTH Aachen<br />
genügen (und wann nicht), kann hier also<br />
über Leben und Tod entscheiden.<br />
Während bestimmte Bestandteile, wie die<br />
Schaufeln einer Turbine, die durchaus im<br />
Flug beschädigt werden können, ohne dass<br />
Menschen dabei zwangsläufig zu Schaden<br />
kommen müssen, hat ein Bruch des Turbinenrades<br />
fast immer verheerende Folgen.<br />
Deswegen müssen definierte Materialeigenschaften<br />
vorliegen, auch an den bearbeiteten<br />
Oberflächen (Geometrie, Rauheit,<br />
Anomalien der Oberfläche, Härte). Kritisch<br />
sind aber auch Gefügeveränderungen in<br />
der Oberflächenrandzone wie Mikrohärte,<br />
mikro-strukturelle Anomalien (Verformungsschichten,<br />
Phasenveränderungen,<br />
etc.) und Eigenspannungen eines Bauteils.<br />
Optimierter Zerspanungsprozess<br />
Wichtige Parameter für den Zerspanungsprozess<br />
sind die Bearbeitungsgeschwindigkeit,<br />
die Stärke oder Dicke des Spans sowie<br />
die Materialabtragsrate. All dies wirkt sich<br />
66 INDUSTRIELLE AUTOMATION 5/<strong>2015</strong>