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INTERVIEW<br />
Der Titel sammler<br />
HANNES REICHELT wurde am<br />
5. Juli 1980 in Altenmarkt im<br />
Pongau (S) geboren. Bei seinem<br />
Weltcup-Debüt in Gröden<br />
2002 fuhr er mit Startnummer<br />
35 auf den zweiten<br />
Platz.<br />
Bis dato stand er 39-mal auf<br />
einem Weltcup-Podium, holte<br />
zwölf Siege und gewann sowohl<br />
auf der „Streif“ in Kitzbühel<br />
(2014), am „Lauberhorn“<br />
in Wengen sowie auf<br />
der „Kandahar“ in Garmisch<br />
(2015, <strong>2017</strong>).<br />
Im gleichen Jahr krönte er bei<br />
der WM in Beaver Creek seine<br />
Karriere mit der Goldmedaille<br />
im Super-G, die ihn mit<br />
34 Jahren und 215 Tagen zum<br />
ältesten Alpinski-Weltmeister<br />
aller Zeiten macht.<br />
Hannes Reichelt ist mit der<br />
früheren Rennläuferin Larissa<br />
Hofer verheiratet und lebt in<br />
Radstadt (Salzburg).<br />
bringt dich in Gefahr und sorgt für einen<br />
Adrenalinkick. Diese innere Kraft<br />
beeindruckt mich immer wieder, sie<br />
macht einen beinahe süchtig. Wenn<br />
du alles riskierst und deshalb gewinnst,<br />
ist das ein besonderes Glücksgefühl.<br />
Wer das einmal erlebt hat, der<br />
will es immer wieder.<br />
Was geht dir durch den Kopf, wenn du<br />
oben am Start der „Streif“ stehst?<br />
Nicht besonders viel. Ich visualisiere,<br />
wie ich die ersten beiden<br />
Schwünge fahre und bereite mich<br />
mental auf die Mausefalle vor. In Kitz-<br />
bühel will jeder gewinnen. Um eine<br />
Chance zu haben, musst du dich am absoluten<br />
Limit bewegen. Wenn du da<br />
nicht voll fokussierst bist, wird’s gefährlich.<br />
Gefährlich wird’s aber auch, wenn<br />
man bei so einem Rennen mit einem<br />
Bandscheibenvorfall an den Start<br />
geht. So wie du 2014 …<br />
Das war in der Tat ein wenig<br />
leichtsinnig. Ich hatte schon mehrere<br />
Monate lang Rückenschmerzen, ehe<br />
ich 2014 in Kitzbühel angetreten bin.<br />
Im zweiten Training bekam ich einen<br />
Schlag ab, der Bandscheibenvorfall<br />
wurde akut. Das haben wir unterschätzt.<br />
Mit so einer Verletzung fährt<br />
man wohl besser ins Krankenhaus, als<br />
die Streif nach unten.<br />
Trotzdem geschah das Undenkbare:<br />
Du hast dieses Rennen gewonnen. Wie<br />
ist ein Erfolg gegen die weltbesten<br />
Fahrer trotz eines solchen Handicaps<br />
möglich?<br />
Ich hatte zwar Schmerzen, wusste<br />
aber nicht, wie schlimm es war. Mein<br />
Ziel war es, einfach nur sicher runterzukommen.<br />
Dass ich am Ende der<br />
Schnellste war, ist schon eine unglaubliche<br />
Geschichte. Und natürlich großes<br />
Glück! Aber ich war eben zu 100 Prozent<br />
fokussiert und bin wohl mit einer<br />
extremen Körperspannung ins Rennen<br />
gegangen.<br />
Ist das der Schlüssel zum Erfolg? Das<br />
perfekte Zusammenspiel von Körper<br />
und Kopf?<br />
Klar, das muss funktionieren.<br />
Während in der Kompression ein Vielfaches<br />
deines Körpergewichtes auf deinen<br />
Bewegungsapparat presst, muss<br />
sich der Kopf schon auf die nächste<br />
Kurve konzentrieren. Der Körper<br />
fährt, der Kopf muss vorausdenken.<br />
Wenn du auch nur einmal zu spät dran<br />
bist, dann liegst du im Netz.<br />
So wie in Kitzbühel 2016: Du bist in<br />
der Kompression gestürzt und hart mit<br />
dem Kopf aufgeschlagen …<br />
Erstaunlicherweise ist mir kaum<br />
etwas passiert, ich hatte nur einen<br />
Brummschädel. Aber dafür trägt man<br />
eben einen Helm. Zudem hatte ich einen<br />
Airbag an. Ich denke, die Schutzmaßnahmen<br />
sind ein wichtiger Faktor,<br />
um diesen spektakulären Skisport –<br />
auch im Sinne der Zuschauer – dauerhaft<br />
zu ermöglichen.<br />
Fühlt ihr euch gut genug geschützt?<br />
Ich denke, gerade bei den Helmen<br />
hat sich in den vergangenen beiden<br />
Jahren noch einmal viel getan. Dank<br />
Carbon sind sie angenehm leicht, damit<br />
es einem auf unruhigen Strecken<br />
nicht zu sehr den Kopf hin und her<br />
haut. Gleichzeitig haben die Helme<br />
jetzt noch mehr Volumen, um wirklich<br />
effektiv zu schützen. Wir Fahrer<br />
versuchen, Jahr für Jahr besser zu werden.<br />
Und unsere Ausrüster, mit denen<br />
wir uns rege austauschen, tun das<br />
Gleiche. Sie sehen unseren Schutz als<br />
Prozess, der niemals stehen bleibt. So<br />
tragen wir dann dazu bei, auch Freizeitskifahrern<br />
die bestmöglichen Sicherheitsprodukte<br />
zur Verfügung zu<br />
stellen.<br />
Inzwischen bist du 36 Jahre alt, hast<br />
neben der „Streif“ in Kitzbühel auch<br />
andere Klassiker wie die Lauberhorn-Abfahrt<br />
in Wengen gewonnen.<br />
Sind es Rennen wie diese, die einen<br />
einfach nicht loslassen?<br />
Solche Klassiker machen den<br />
Sport natürlich besonders. Kitzbühel<br />
und Wengen sind Rennen, die keinen<br />
echten Rhythmus haben, dir zu jeder<br />
Sekunde alles abverlangen. Und genau<br />
das ist der Grund, warum wir diesen<br />
Sport ausüben.<br />
Würdest du es nicht gerne mal gemütlicher<br />
angehen lassen?<br />
Das geschieht automatisch. Für<br />
die Rennen muss ich mich langsam<br />
wirklich am Riemen reißen, um noch<br />
volles Risiko zu gehen. Ich werde nicht<br />
jünger. Aber Skifahren ist nun mal der<br />
schönste Sport der Welt.<br />
Bleibt dir überhaupt mal Zeit zum<br />
Powdern?<br />
Leider kaum. Nach der Saison bin<br />
ich oft zu kaputt. Und während der Saison<br />
habe ich wirklich keine Zeit. Riskante<br />
Hänge zu fahren oder Felsvorsprünge<br />
runterzuspringen kann ich<br />
mir sowieso nicht erlauben. Da wäre<br />
die Verletzungsgefahr zu groß. Ich kenne<br />
mich. Und weiß, dass ich es gerne<br />
mal übertreibe.<br />
Und nach deiner Karriere? Wie werden<br />
deine Skitage dann aussehen?<br />
Ich habe gerne Platz auf der Piste<br />
und werde früh an der Gondel stehen.<br />
Nach ein paar Abfahrten kehre ich auf<br />
einen Kaffee oder Kakao in die Hütte<br />
ein. Und wenn ich mit Freunden unterwegs<br />
bin, darf’s gegen Mittag auch einmal<br />
ein Bierchen sein.<br />
FOTO: Salomon<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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