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SPORTaktiv Februar 2017

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PERSONALITY<br />

„Irgendwann beginnst<br />

du alles als Hindernis<br />

zu sehen und überlegst,<br />

wie du möglichst kreativ<br />

drüberkommst.“<br />

PARKOUR-LÄUFER GERT PRÜGGER<br />

LÄSST SEIN SPORT AUCH IM ALLTAG<br />

NICHT MEHR LOS<br />

Herr Lind, Sie sind 82, also exakt doppelt<br />

so alt wie ich und laufen immer<br />

noch drei Mal die Woche. Wie geht<br />

das?<br />

LIND: Also, ich bin der Sepp. Unter<br />

Sportlern kann man gleich per du sein.<br />

Und warum das geht? Weil ich es regelmäßig<br />

mache. Seit fast 40 Jahren schon.<br />

In den 1980er-Jahren hat der erste<br />

Laufboom eingesetzt. Wie bist du<br />

denn dazu gekommen?<br />

LIND: Die Zeit war ganz anders als heute.<br />

Baldur Preiml, der als Querdenker<br />

bekannte Skisprungtrainer, hat damals<br />

hier in Loipersdorf eine Ausbildung<br />

zum „Bio-Trainer“ gemacht und einen<br />

Lauftreff ins Leben gerufen. So bin ich<br />

dazu gekommen und leite den Treff<br />

jetzt genau seit 9. November 1981.<br />

Und du Gert?<br />

PRÜGGER: Ich hab eigentlich Fußball<br />

gespielt. Mit 15 Jahren habe ich dann<br />

Parkour-Videos im Internet entdeckt<br />

und mir das selbst beigebracht. Mittlerweile<br />

hab ich die Ausbildung zum<br />

Fit-Instruktor gemacht.<br />

Inzwischen sind wir von der Therme losgelaufen,<br />

einen Hügel hinauf. Dort zeigt Gert<br />

Prügger erste Kostproben seines Könnens<br />

und überwindet eine Steinskulptur, die aussieht<br />

wie ein Tisch, mit einem abgestützten<br />

Salto. Lind ist beeindruckt.<br />

Wär das auch was für dich, Sepp?<br />

LIND: Heute nicht mehr. Aber wenn ich<br />

An Beweglichkeit hast du offenbar<br />

noch nichts eingebüßt, Sepp?<br />

PRÜGGER: Was heißt eingebüßt? So gelenkig<br />

wäre ich mit meinen 24 Jahren<br />

auch gerne.<br />

LIND: Das geht nur mit Üben, Üben,<br />

Üben. Ich mache das jeden Tag in der<br />

Früh. Noch bevor das erste Brösel Essen<br />

oder Flüssigkeit in meinen Magen<br />

kommt. Das bringt den Körper und die<br />

Verdauung in Schwung. Beweglich bin<br />

ich noch ungefähr so, wie ich es auch<br />

mit 40 war.<br />

Wie sieht es eigentlich mit<br />

Wettbewerben aus? Lauft ihr beide<br />

auch bei Veranstaltungen mit?<br />

LIND: Früher ja. Bis zum Halbmarathon.<br />

PRÜGGER: Nein, gar nicht. Mir reichen<br />

schon fünf Kilometer am Stück.<br />

Sepp, bist du eigentlich laufsüchtig?<br />

LIND: Laufen ist auf alle Fälle ein Bedürfnis,<br />

so wie Essen und Schlafen. Ich<br />

brauche das schon. Wie gesagt: der Sauerstoff,<br />

das Gruppenerlebnis und nicht<br />

zu vergessen die Energie, die mir das<br />

Laufen für den Alltag noch gibt. Süchtig<br />

bin ich vielmehr nach einer Droge.<br />

Wie bitte?<br />

LIND: Ein Butterbrot mit Honig und<br />

Knoblauch. Das ist meine Sucht. Vor<br />

Jahren hat mir das jemand auf einer<br />

Griechenlandreise gezeigt. Herrlich.<br />

Den Honig braucht es, um die Wirknoch<br />

so jung wäre wie der Gert, könnt<br />

ich mir das sehr gut vorstellen. Aber<br />

sag, wie trainiert man das?<br />

PRÜGGER: Wir haben uns am Anfang<br />

von einem benachbarten Bauern Heu<br />

geholt und so die Sprünge trainiert.<br />

LIND: So wie wir als Kinder damals.<br />

Wir haben auch einen Salto ins Heu gemacht.<br />

Was fasziniert euch denn beide<br />

eigentlich am Laufen?<br />

LIND: Bei mir ist es die Sauerstoffaufnahme.<br />

Davon bekommt man sonst eh<br />

zu wenig. Und beim Laufen ist das herrlich.<br />

PRÜGGER: Stimmt. Man ist zwar direkt<br />

nach der Bewegung müde, hat danach<br />

aber einfach mehr Energie.<br />

Und man bekommt nach einem langen<br />

Tag den Kopf frei.<br />

LIND: Genau. Ich laufe auch nur am<br />

Abend. Dabei hätte ich als Pensionist ja<br />

jetzt den ganzen Tag Zeit, aber das geht<br />

bei mir nicht anders. Jeden Montag,<br />

Mittwoch und Freitag um 18 Uhr laufe<br />

ich mit meiner Gruppe meine fünf Kilometer.<br />

Winter wie Sommer, bei Sonnenschein<br />

und Regen?<br />

LIND: Genau. Außer wenn Weihnachten<br />

auf einen dieser Tage fällt. Da nicht.<br />

Sonst aber immer.<br />

Wie sieht es bei der Lauftreff-Runde<br />

aus? Könnten da alle deine Kinder<br />

sein?<br />

LIND: (lacht). Nein. Viele schon, aber es<br />

sind alle Altersgruppen vertreten. Das<br />

„Laufen ist für mich ein<br />

Bedürfnis wie Essen und<br />

Schlafen. Ich brauche<br />

das einfach.“<br />

SEPP LIND, 82, LEITER DES LAUF-<br />

TREFFS DER THERME LOIPERSDORF<br />

macht einfach Spaß. Danach stärken<br />

wir uns noch gemeinsam, viele gehen<br />

mit in die Therme. Es ist ein schönes Gemeinschaftserlebnis.<br />

PRÜGGER: Das verbindet uns. Beim Parkour<br />

sind wir auch meist in der Gruppe<br />

unterwegs und pushen uns dadurch<br />

oder haben einfach Spaß miteinander.<br />

Der Zusammenhalt ist enorm. Das<br />

ist ein Riesenunterschied zum Fußball<br />

etwa.<br />

LIND: Bei uns stehen normalerweise<br />

zum gemeinsamen Aufwären die „Fünf<br />

Tibeter“ auf dem Programm. Das stärkt<br />

die Bauchmuskeln, dehnt den Körper<br />

und bringt einfach den ganzen Körper<br />

in Schwung.<br />

Sepp Lind lässt sich auch gar nicht lange<br />

bitten und macht diese Übungen auch mit<br />

uns. 21 Mal pro „Tibeter“. Das Alter merkt<br />

man ihm überhaupt nicht an. Im Kreis drehen,<br />

Bauchmuskeln trainieren, Hüftbeuger<br />

dehnen, bewusst und konzentriert atmen.<br />

FOTOS: Thomas Polzer<br />

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