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PERSONALITY<br />
„Irgendwann beginnst<br />
du alles als Hindernis<br />
zu sehen und überlegst,<br />
wie du möglichst kreativ<br />
drüberkommst.“<br />
PARKOUR-LÄUFER GERT PRÜGGER<br />
LÄSST SEIN SPORT AUCH IM ALLTAG<br />
NICHT MEHR LOS<br />
Herr Lind, Sie sind 82, also exakt doppelt<br />
so alt wie ich und laufen immer<br />
noch drei Mal die Woche. Wie geht<br />
das?<br />
LIND: Also, ich bin der Sepp. Unter<br />
Sportlern kann man gleich per du sein.<br />
Und warum das geht? Weil ich es regelmäßig<br />
mache. Seit fast 40 Jahren schon.<br />
In den 1980er-Jahren hat der erste<br />
Laufboom eingesetzt. Wie bist du<br />
denn dazu gekommen?<br />
LIND: Die Zeit war ganz anders als heute.<br />
Baldur Preiml, der als Querdenker<br />
bekannte Skisprungtrainer, hat damals<br />
hier in Loipersdorf eine Ausbildung<br />
zum „Bio-Trainer“ gemacht und einen<br />
Lauftreff ins Leben gerufen. So bin ich<br />
dazu gekommen und leite den Treff<br />
jetzt genau seit 9. November 1981.<br />
Und du Gert?<br />
PRÜGGER: Ich hab eigentlich Fußball<br />
gespielt. Mit 15 Jahren habe ich dann<br />
Parkour-Videos im Internet entdeckt<br />
und mir das selbst beigebracht. Mittlerweile<br />
hab ich die Ausbildung zum<br />
Fit-Instruktor gemacht.<br />
Inzwischen sind wir von der Therme losgelaufen,<br />
einen Hügel hinauf. Dort zeigt Gert<br />
Prügger erste Kostproben seines Könnens<br />
und überwindet eine Steinskulptur, die aussieht<br />
wie ein Tisch, mit einem abgestützten<br />
Salto. Lind ist beeindruckt.<br />
Wär das auch was für dich, Sepp?<br />
LIND: Heute nicht mehr. Aber wenn ich<br />
An Beweglichkeit hast du offenbar<br />
noch nichts eingebüßt, Sepp?<br />
PRÜGGER: Was heißt eingebüßt? So gelenkig<br />
wäre ich mit meinen 24 Jahren<br />
auch gerne.<br />
LIND: Das geht nur mit Üben, Üben,<br />
Üben. Ich mache das jeden Tag in der<br />
Früh. Noch bevor das erste Brösel Essen<br />
oder Flüssigkeit in meinen Magen<br />
kommt. Das bringt den Körper und die<br />
Verdauung in Schwung. Beweglich bin<br />
ich noch ungefähr so, wie ich es auch<br />
mit 40 war.<br />
Wie sieht es eigentlich mit<br />
Wettbewerben aus? Lauft ihr beide<br />
auch bei Veranstaltungen mit?<br />
LIND: Früher ja. Bis zum Halbmarathon.<br />
PRÜGGER: Nein, gar nicht. Mir reichen<br />
schon fünf Kilometer am Stück.<br />
Sepp, bist du eigentlich laufsüchtig?<br />
LIND: Laufen ist auf alle Fälle ein Bedürfnis,<br />
so wie Essen und Schlafen. Ich<br />
brauche das schon. Wie gesagt: der Sauerstoff,<br />
das Gruppenerlebnis und nicht<br />
zu vergessen die Energie, die mir das<br />
Laufen für den Alltag noch gibt. Süchtig<br />
bin ich vielmehr nach einer Droge.<br />
Wie bitte?<br />
LIND: Ein Butterbrot mit Honig und<br />
Knoblauch. Das ist meine Sucht. Vor<br />
Jahren hat mir das jemand auf einer<br />
Griechenlandreise gezeigt. Herrlich.<br />
Den Honig braucht es, um die Wirknoch<br />
so jung wäre wie der Gert, könnt<br />
ich mir das sehr gut vorstellen. Aber<br />
sag, wie trainiert man das?<br />
PRÜGGER: Wir haben uns am Anfang<br />
von einem benachbarten Bauern Heu<br />
geholt und so die Sprünge trainiert.<br />
LIND: So wie wir als Kinder damals.<br />
Wir haben auch einen Salto ins Heu gemacht.<br />
Was fasziniert euch denn beide<br />
eigentlich am Laufen?<br />
LIND: Bei mir ist es die Sauerstoffaufnahme.<br />
Davon bekommt man sonst eh<br />
zu wenig. Und beim Laufen ist das herrlich.<br />
PRÜGGER: Stimmt. Man ist zwar direkt<br />
nach der Bewegung müde, hat danach<br />
aber einfach mehr Energie.<br />
Und man bekommt nach einem langen<br />
Tag den Kopf frei.<br />
LIND: Genau. Ich laufe auch nur am<br />
Abend. Dabei hätte ich als Pensionist ja<br />
jetzt den ganzen Tag Zeit, aber das geht<br />
bei mir nicht anders. Jeden Montag,<br />
Mittwoch und Freitag um 18 Uhr laufe<br />
ich mit meiner Gruppe meine fünf Kilometer.<br />
Winter wie Sommer, bei Sonnenschein<br />
und Regen?<br />
LIND: Genau. Außer wenn Weihnachten<br />
auf einen dieser Tage fällt. Da nicht.<br />
Sonst aber immer.<br />
Wie sieht es bei der Lauftreff-Runde<br />
aus? Könnten da alle deine Kinder<br />
sein?<br />
LIND: (lacht). Nein. Viele schon, aber es<br />
sind alle Altersgruppen vertreten. Das<br />
„Laufen ist für mich ein<br />
Bedürfnis wie Essen und<br />
Schlafen. Ich brauche<br />
das einfach.“<br />
SEPP LIND, 82, LEITER DES LAUF-<br />
TREFFS DER THERME LOIPERSDORF<br />
macht einfach Spaß. Danach stärken<br />
wir uns noch gemeinsam, viele gehen<br />
mit in die Therme. Es ist ein schönes Gemeinschaftserlebnis.<br />
PRÜGGER: Das verbindet uns. Beim Parkour<br />
sind wir auch meist in der Gruppe<br />
unterwegs und pushen uns dadurch<br />
oder haben einfach Spaß miteinander.<br />
Der Zusammenhalt ist enorm. Das<br />
ist ein Riesenunterschied zum Fußball<br />
etwa.<br />
LIND: Bei uns stehen normalerweise<br />
zum gemeinsamen Aufwären die „Fünf<br />
Tibeter“ auf dem Programm. Das stärkt<br />
die Bauchmuskeln, dehnt den Körper<br />
und bringt einfach den ganzen Körper<br />
in Schwung.<br />
Sepp Lind lässt sich auch gar nicht lange<br />
bitten und macht diese Übungen auch mit<br />
uns. 21 Mal pro „Tibeter“. Das Alter merkt<br />
man ihm überhaupt nicht an. Im Kreis drehen,<br />
Bauchmuskeln trainieren, Hüftbeuger<br />
dehnen, bewusst und konzentriert atmen.<br />
FOTOS: Thomas Polzer<br />
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