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EISKLETTERN<br />
Annäherung ans Eis im größten Eiskletterpark Österreichs. Mit professioneller Unterstützung und jeder Menge Equipment.<br />
nadischen Eispark, in dem vom Anfänger<br />
bis zum Profi alles unterwegs<br />
war. In Osttirol begannen sie 2015 mit<br />
dem Planen, dem Überspringen bürokratischer<br />
Bewilligungshürden, dem<br />
Anzapfen von EU-Fördergeldern, der<br />
Gründung eines eigenen Betreibervereins<br />
(Bergsport Osttirol) – und letztlich<br />
der Umsetzung.<br />
Eine halbe Stunde Fußmarsch<br />
vom Matreier Tauernhaus einen<br />
Forstweg entlang braucht es, um den<br />
Eispark zu erreichen. Der einfache Zustieg<br />
ließ die Besucherfrequenz während<br />
der Saison zwischen Dezember<br />
und März schnell ansteigen.<br />
DER „PAMPERS-FAKTOR“<br />
Auf insgesamt gut 200 Metern Breite<br />
bauen sich heute in zwei Abschnitten<br />
bis zu 60 verschiedene Routen sämtlicher<br />
sieben Schwierigkeitsgrade auf.<br />
Für diese Kategorisierung sind Steilheit,<br />
Absicherbarkeit und Eisqualität<br />
maßgeblich. Ab WI (kurz für „WaterIce“)<br />
5 klettert man beispielsweise zu<br />
80 Prozent senkrecht und die Eisschrauben<br />
sind nicht mehr einwandfrei<br />
in die Wand zu setzen.<br />
Bei WI 7 wird es „moralisch“, sagt<br />
Wurzer. „Sehr schlechte Sicherungsmöglichkeiten,<br />
Grenze des Machbaren“,<br />
fällt dem Alpenverein in seiner<br />
Charakterisierung dazu ein. „Da<br />
kommt der Pampers-Faktor dazu“,<br />
sagt Wurzer. Und man braucht fundiertes<br />
Wissen und feinste Technik.<br />
TECHNIK UND KRAFT<br />
Fehlt beides, steckt man auch bei einer<br />
kurzen 4er-Passage schon hilflos<br />
fest. „Ausspreitzen! Gemma!“, kriecht<br />
Matthias Wurzers Anfeuerung die<br />
Wand herauf. Wenn das so einfach<br />
wäre. Für den Rookie gilt die alte Kletterweisheit:<br />
Fehlt die Technik, fehlt –<br />
schneller als einem lieb ist – auch die<br />
Kraft.<br />
Theoretisch klingt das ja alles<br />
recht einfach: Drei-Punkt-Stand, also<br />
immer drei der vier Eiszacken-„bewaffneten“<br />
Extremitäten fest im Eis verankern,<br />
schulterbreit stehen, 80 Prozent<br />
des Gewichts auf die Füße, Knie weg<br />
vom Eis, Fersen nach unten. Aus Schulter,<br />
Ellenbogen und dem Handgelenk<br />
heraus runde Schlagbewegungen im<br />
Radius des ergonomisch geformten Pickels,<br />
ihn am letzten Stück sich selbst<br />
ins Eis fressen lassen. Und mit einer<br />
leichten „Hoch-runter“-Bewegung wieder<br />
aus dem Eis lösen. Dabei aber nur ja<br />
nicht den Oberkörper verdrehen. Ja eh.<br />
Praktisch wird das Ganze zu einem<br />
handfesten Gerangel mit dem<br />
gefrorenen Element Wasser. Gefinkelterweise<br />
präsentiert es sich in seinen<br />
unterschiedlichsten Varianten:<br />
entweder weich, hart, „saftig“, unterspült,<br />
knollig, spröde oder trocken<br />
(bei permanentem Wind).<br />
BEGEGNUNG MIT STEVE HOUSE<br />
„Eis ist ein ,fluid medium‘“, versucht<br />
Steve House eine Erklärung der Faszination<br />
und Schönheit des Mediums<br />
Eis. Steve ist eine Ikone der Szene.<br />
Reinhold Messner adelte House nach<br />
dessen Durchsteigung der Rupalwand<br />
am Nanga Parbat (8.125 Meter)<br />
– einer 4.500 Meter hohen Steilwand<br />
aus Fels, Eis, Schnee – als „besten Höhenbergsteiger<br />
der Gegenwart“. Das<br />
war 2005. 2010 stürzte House am<br />
Mount Temple in den kanadischen<br />
Rockies 25 Meter ab. Kollaps des rechten<br />
Lungenflügels, doppelter Beckenbruch,<br />
sechs Rippen in 20 Stücke gebrochen,<br />
die Wirbelsäule an fünf<br />
Stellen angerissen.<br />
Heute sitzt House in der Stube des<br />
Matreier Tauernhauses, erzählt von<br />
Mentorenprojekten für junge Bergsteiger<br />
und schwärmt von der Osttiroler<br />
Bergwelt, die ihm zu einer zweiten<br />
Heimat geworden ist. Sieht man<br />
House zu, wie er die Eiswand elegant<br />
hinaufjagt, könnte man meinen, die<br />
Gesetze der Schwerkraft seien für einen<br />
Moment außer Kraft gesetzt.<br />
„Wenn es geht, ist es brutal geil – aber<br />
da muss alles passen“, beschreibt<br />
dann auch Matze Wurzer die Magie<br />
solcher Augenblicke in eisigen Höhen.<br />
FOTOS: Eisfestival/Riepler<br />
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