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Nachspiel<br />
DIE BRUTALITÄT<br />
DES GLÜCKS<br />
OBWOHL SCHON DIE ANTIKEN OLYMPISCHEN<br />
SPIELE EINEN BERG, dessen Gipfel im Winter<br />
oft monatelang schneebedeckt und eissturmumtöst<br />
ist, eben den Olymp im Namen<br />
führen, haben die hellenischen Erfinder<br />
keine Winterspiele veranstaltet, keinen<br />
Gedanken an Abfahrtsläufe, Slalomrennen<br />
oder Skispringen verschwendet und<br />
zwa Brettln, a gfieriger Schnee waren im<br />
Heilsplan von Zeus & Co. nicht enthalten.<br />
Aber damals schon gab es neben athletischen<br />
eigene rhetorische Bewerbe, nur dass<br />
Redegewandtheit und antiker Intellekt Olympische<br />
Spezialdisziplinen mit eigener Wertung<br />
und eigener Siegerehrung waren,<br />
während heute die Allrounder und Kombinierer<br />
zum Zug kommen: Denn das anschließende<br />
Flash interview ist ja längst zum<br />
integralen Bestandteil eines jeden sportlichen Kraftakts<br />
geworden, und unsere Spitzenathleten werden vom Training<br />
automatisch zum Sprechtraining weitergereicht.<br />
Hinter jedem Coach lauert ein Kommunikationscoach,<br />
sodass eine Nationalabfahrtsläuferin, die hofft, dass es<br />
„bald wieder bergauf geht“, die heitere Ausnahme in der<br />
ernsten, eloquenten Regel darstellt. Während noch die<br />
keuchenden Idole meiner Kindheit bei Interviews speziell<br />
nach Niederlagen und Debakeln immer ein bisschen<br />
wie Ladendiebe beim Polizeiverhör wirkten, in den kuriosesten<br />
Wortschatzengpässen stecken blieben, die wunderbarsten<br />
dialektalen Kapriolen schlugen und Stilblüten<br />
und Katachresen auf Lager hatten, spenden die Heutigen<br />
ganz selbstverständlich satzwertige Nennformgruppen<br />
und erklären bis ins Detail, wo und warum<br />
sie welche Hundertstelsekunde liegen<br />
lassen haben.<br />
Wollte man die Nationalintelligenzbestien<br />
wirklich noch auf dem falschen Sprachfuß erwischen,<br />
müsste man sie schon fragen, was<br />
konkret der Unterschied zwischen einer inoffiziellen<br />
und einer offiziellen Schokolade<br />
ist. Jedenfalls ist das Klischee vom dummen<br />
Sportler, vom ruralen Muskelprotz mit integraler<br />
Denkerbse längst nicht mehr aufrechtzuerhalten.<br />
So gesehen nähern wir<br />
Gegenwärtigen uns wieder dem antiken Ideal<br />
an, als die Sportstätten tatsächlich Gymnasien hießen.<br />
Manchmal dringt aber wie eine klassische<br />
(Freudsche) Fehlleistung aus den dicken<br />
Mauern der Kommunikationsschulen doch noch<br />
sprachliche Naturbelassenheit durch, und einer der aktuellen<br />
Naturburschen mit dem Namen Max Franz erklärte<br />
unmittelbar nach seiner Downhill-Erlösung der Skination<br />
(ohne Schnee) nach seinen Emotionen befragt, er sei<br />
„einfach nur brutal glücklich“. Wenn Sie mich nach meinen<br />
diesbezüglichen Gefühlen fragen: Ich habe Angst!<br />
Ich habe vor glücklichen Menschen immer Angst, ganz<br />
einfach, weil sie so brutal sind! Im Sinne des Weltfriedens<br />
fordere ich: unglückliche Spitzenskifahrer.<br />
EGYD GSTÄTTNER<br />
Der Klagenfurter ist freier<br />
Schriftsteller und Hobbysportler.<br />
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