Pilzgifte - Giftpilze Pilzgifte - Giftpilze Nicht selten begegnet man als Schwammerlsammler skeptischen Blicken und der Frage: „Das traust du dich?“. Und oft folgt dann die Geschichte über eine tragische Pilzvergiftung, die einen Verwandten einer Bekannten (übrigens ein erfahrener Sammler) dahinraffte oder zumindest ins Krankenhaus brachte. Nun, Respekt vor der Wirkung einiger Stoffe in Pilzen ist sicher angebracht. Angst ist jedoch überflüssig, wenn man sich intensiv mit Schwammerln beschäftigt und lernt, sie genau zu bestimmen. Dabei ist es mindestens genauso wichtig, die Giftigen sicher zu kennen wie die Speisepilze. In diesem Beitrag befassen wir uns etwas näher mit den Gefahren aus der Pilzwelt und stellen euch dann ab der nächsten <strong>Ausgabe</strong> die wichtigsten Giftpilze vor. 22
Pilzgifte - Giftpilze Was bedeutet eigentlich „giftig“? Giftig ist für uns Menschen alles, was uns erheblich schadet. <strong>Der</strong> Grad der Giftigkeit (Toxizität) eines Stoffes wird bestimmt durch seine Eigenschaften, die aufgenommene Menge, den Aufnahmeweg (Magen-Darm-Trakt, Haut, Atemwege) und die Dauer der Einwirkung (akut oder chronisch). Und natürlich hängt die Wirkung auch davon ab, wie empfindlich der aufnehmende Organismus ist. Vieles Gute wird im Übermaß giftig - es gilt: Die Dosis macht das Gift. Und natürlich gibt es Stoffe, die so stark wirken, dass die geringste Menge schon schädlich oder gar tödlich ist. Pilzgifte gehören zu den giftigsten Substanzen, die von Organismen produziert werden. Schon im Mittelalter war der Gehalt bestimmter Pilzarten an solchen Stoffen bekannt, doch wurden erst in jüngster Zeit wichtige Fortschritte bei der chemischen Analyse dieser hochgiftigen Substanzen gemacht. Und diese Forschung hat ihr Ende sicher noch nicht erreicht. Vorweg gesagt sei: 98 % aller Pilze sind roh gegessen für uns Menschen giftig. Sie enthalten Giftstoffe, die jedoch bei Hitze zerfallen und unschädlich werden. Gut gekocht oder gebraten werden viele Pilze dann zu bekömmlichen Delikatessen. Aber es gibt auch einige Gifte, die hitzebeständig sind. Bei Schwammerln, die solche enthalten, heißt es dann: Nur schauen und bewundern. In den Korb oder gar die Pfanne dürfen sie keinesfalls. Pilzgifte werden nach ihrer Wirkung grob in drei Gruppen gegliedert: • Gastrointestinale Gifte wirken auf Magen und Darm. Die Folgen variieren von einer „flotten“ Verdauung und Übelkeit bis zu schweren Bauchkrämpfen und Erbrechen. In der Regel vergeht das nach ein paar Stunden, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Vergiftungen mit dem Tiger-Ritterling z. B. verlaufen jedoch sehr schwer und können bei schwachen Personen sogar tödlich sein. Die verursachenden Stoffe sind noch nicht hinreichend bekannt, es wurden in einigen auslösenden Pilzarten terpenoide Inhaltsstoffe festgestellt. Beispiele für solche Pilzarten sind: Karbol-Egerling, Perlhuhn-Egerling, Blutroter Hautkopf, Grünblättriger Schwefelkopf, Riesen-Rötling, Maggipilz (Bruchreizker), scharfe Milchlinge, Spei-Täubling, Tiger-Ritterling, Satanspilz, Bauchweh-Koralle, Kartoffelbovist ... • Nervengifte verursachen Herz-Kreislauf-Störungen, Schweißausbrüche, Sprachstörungen, Atemnot und Zuckungen, Rausch und Sinnestäuschungen bis hin zum Wahnzustand. Gewöhnlich hat der menschliche Körper diese Gifte nach gut 24 Stunden abgebaut und die Symptome enden. Eine sehr hohe Dosis, wie sie z. B. der Pantherpilz enthält, kann jedoch auch zum Tod durch Herzversagen führen. An erster Stelle der Nervengifte in Pilzen steht das Muscarin. Auch Ibotensäure, Tricholomasäure und Muscimol („Pilzatropin“) sind Pilzgifte dieser Gruppe. Diese Nervengifte beinhalten z. B. der Fliegenpilz, verschiedene Trichterlinge, der Kirschrote Speitäubling, der Ziegelrote Rißpilz und der Pantherpilz, wobei der Fliegenpilz und der Speitäubling wesentlich ungefährlicher als die anderen sind, die durchaus tödlich wirken können. Rauschzustände, die denen von LSD gleichen und die einige Pilzarten in geringer Dosis verursachen, haben dazu geführt, dass sie als „natürliche Drogen“ beliebt wurden. Das ist äußerst kritisch zu bewerten, denn die Spätfolgen durch dauerhaften Konsum sind dabei nicht erforscht! Die kurzfristigen Symptome gehen von Enthemmung über Euphorie bis hin zur Depression und es handelt sich auch hier um eine Pilzvergiftung - bewusst herbeigeführt. • Protoplasmagifte sind tödlich wirkende Eiweißgifte. Sie führen zu Kollaps, Herzlähmung und/oder Organversagen. Da die Vergiftungssymptome relativ spät auftreten, ist eine Lebensrettung im Krankenhaus nur selten möglich. Verantwortliche Giftstoffe sind dabei Amantine, Phallotoxine, Gyromitin, Orellanin und Cycloprop. Diese Pilze sind tödlich giftig oder stehen unter Verdacht, es zu sein: Grüner Knollenblätterpilz Weißer Knollenblätterpilz Kegelhütiger Knollenblätterpilz Fleischrosa Schirmling Gewächshaus-Schirmling Haselbrauner Schirmling Bambustrichterling Parfümierter Trichterling Gifthäubling Ziegelroter Risspilz Kahler Krempling Orangenfuchsiger Raukopf Spitzgebuckelter Raukopf Spitzbuckliger Orangeschleierling Echter Grünling Frühjahrslorchel Pantherpilz Schöngelber Klumpfuss Weißer Büschelrasling (krebserregend) Mutterkorn Vom Grünen Knollenblätterpilz beispielsweise können für einen Erwachsene 20 g tödlich sein, für Kinder 1 g. Und auch geringere Mengen (z. B. eine abgebrochene Lamelle, die sich bei einem anderen Pilz im Korb verirrt) können schon schwerwiegende Gesundheitsschäden verursachen. Deshalb gehören unbekannte Pilze, die man bestimmen möchte, nicht zu den Speisepilzen im Korb. Getrennt in einer Tupperdose oder einer verschlossenen Papiertüte lassen sich fatale Folgen vermeiden. 23