Der Pilzfreund - Ausgabe 4
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Pilzgifte - Giftpilze<br />
Was bedeutet eigentlich „giftig“? Giftig ist für uns Menschen<br />
alles, was uns erheblich schadet. <strong>Der</strong> Grad der<br />
Giftigkeit (Toxizität) eines Stoffes wird bestimmt durch<br />
seine Eigenschaften, die aufgenommene Menge, den Aufnahmeweg<br />
(Magen-Darm-Trakt, Haut, Atemwege) und die<br />
Dauer der Einwirkung (akut oder chronisch). Und natürlich<br />
hängt die Wirkung auch davon ab, wie empfindlich der<br />
aufnehmende Organismus ist. Vieles Gute wird im Übermaß<br />
giftig - es gilt: Die Dosis macht das Gift. Und natürlich<br />
gibt es Stoffe, die so stark wirken, dass die geringste<br />
Menge schon schädlich oder gar tödlich ist. Pilzgifte gehören<br />
zu den giftigsten Substanzen, die von Organismen<br />
produziert werden. Schon im Mittelalter war der Gehalt<br />
bestimmter Pilzarten an solchen Stoffen bekannt, doch<br />
wurden erst in jüngster Zeit wichtige Fortschritte bei<br />
der chemischen Analyse dieser hochgiftigen Substanzen<br />
gemacht. Und diese Forschung hat ihr Ende sicher noch<br />
nicht erreicht.<br />
Vorweg gesagt sei: 98 % aller Pilze sind roh gegessen für<br />
uns Menschen giftig. Sie enthalten Giftstoffe, die jedoch<br />
bei Hitze zerfallen und unschädlich werden. Gut gekocht<br />
oder gebraten werden viele Pilze dann zu bekömmlichen<br />
Delikatessen. Aber es gibt auch einige Gifte, die hitzebeständig<br />
sind. Bei Schwammerln, die solche enthalten,<br />
heißt es dann: Nur schauen und bewundern. In den Korb<br />
oder gar die Pfanne dürfen sie keinesfalls.<br />
Pilzgifte werden nach ihrer Wirkung grob in drei Gruppen<br />
gegliedert:<br />
• Gastrointestinale Gifte wirken auf Magen und Darm.<br />
Die Folgen variieren von einer „flotten“ Verdauung und<br />
Übelkeit bis zu schweren Bauchkrämpfen und Erbrechen.<br />
In der Regel vergeht das nach ein paar Stunden,<br />
ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Vergiftungen<br />
mit dem Tiger-Ritterling z. B. verlaufen jedoch sehr<br />
schwer und können bei schwachen Personen sogar tödlich<br />
sein. Die verursachenden Stoffe sind noch nicht<br />
hinreichend bekannt, es wurden in einigen auslösenden<br />
Pilzarten terpenoide Inhaltsstoffe festgestellt.<br />
Beispiele für solche Pilzarten sind: Karbol-Egerling,<br />
Perlhuhn-Egerling, Blutroter Hautkopf, Grünblättriger<br />
Schwefelkopf, Riesen-Rötling, Maggipilz (Bruchreizker),<br />
scharfe Milchlinge, Spei-Täubling, Tiger-Ritterling, Satanspilz,<br />
Bauchweh-Koralle, Kartoffelbovist ...<br />
• Nervengifte verursachen Herz-Kreislauf-Störungen,<br />
Schweißausbrüche, Sprachstörungen, Atemnot und Zuckungen,<br />
Rausch und Sinnestäuschungen bis hin zum<br />
Wahnzustand. Gewöhnlich hat der menschliche Körper<br />
diese Gifte nach gut 24 Stunden abgebaut und die Symptome<br />
enden. Eine sehr hohe Dosis, wie sie z. B. der Pantherpilz<br />
enthält, kann jedoch auch zum Tod durch Herzversagen<br />
führen. An erster Stelle der Nervengifte in Pilzen<br />
steht das Muscarin. Auch Ibotensäure, Tricholomasäure<br />
und Muscimol („Pilzatropin“) sind Pilzgifte dieser Gruppe.<br />
Diese Nervengifte beinhalten z. B. der Fliegenpilz,<br />
verschiedene Trichterlinge, der Kirschrote Speitäubling,<br />
der Ziegelrote Rißpilz und der Pantherpilz, wobei der Fliegenpilz<br />
und der Speitäubling wesentlich ungefährlicher<br />
als die anderen sind, die durchaus tödlich wirken können.<br />
Rauschzustände, die denen von LSD gleichen und die einige<br />
Pilzarten in geringer Dosis verursachen, haben dazu<br />
geführt, dass sie als „natürliche Drogen“ beliebt wurden.<br />
Das ist äußerst kritisch zu bewerten, denn die Spätfolgen<br />
durch dauerhaften Konsum sind dabei nicht erforscht!<br />
Die kurzfristigen Symptome gehen von Enthemmung über<br />
Euphorie bis hin zur Depression und es handelt sich auch<br />
hier um eine Pilzvergiftung - bewusst herbeigeführt.<br />
• Protoplasmagifte sind tödlich wirkende Eiweißgifte.<br />
Sie führen zu Kollaps, Herzlähmung und/oder Organversagen.<br />
Da die Vergiftungssymptome relativ spät auftreten,<br />
ist eine Lebensrettung im Krankenhaus nur selten<br />
möglich. Verantwortliche Giftstoffe sind dabei Amantine,<br />
Phallotoxine, Gyromitin, Orellanin und Cycloprop.<br />
Diese Pilze sind tödlich giftig oder stehen unter Verdacht,<br />
es zu sein:<br />
Grüner Knollenblätterpilz<br />
Weißer Knollenblätterpilz<br />
Kegelhütiger Knollenblätterpilz<br />
Fleischrosa Schirmling<br />
Gewächshaus-Schirmling<br />
Haselbrauner Schirmling<br />
Bambustrichterling<br />
Parfümierter Trichterling<br />
Gifthäubling<br />
Ziegelroter Risspilz<br />
Kahler Krempling<br />
Orangenfuchsiger Raukopf<br />
Spitzgebuckelter Raukopf<br />
Spitzbuckliger Orangeschleierling<br />
Echter Grünling<br />
Frühjahrslorchel<br />
Pantherpilz<br />
Schöngelber Klumpfuss<br />
Weißer Büschelrasling (krebserregend)<br />
Mutterkorn<br />
Vom Grünen Knollenblätterpilz beispielsweise können für<br />
einen Erwachsene 20 g tödlich sein, für Kinder 1 g. Und<br />
auch geringere Mengen (z. B. eine abgebrochene Lamelle,<br />
die sich bei einem anderen Pilz im Korb verirrt) können<br />
schon schwerwiegende Gesundheitsschäden verursachen.<br />
Deshalb gehören unbekannte Pilze, die man bestimmen<br />
möchte, nicht zu den Speisepilzen im Korb. Getrennt in<br />
einer Tupperdose oder einer verschlossenen Papiertüte<br />
lassen sich fatale Folgen vermeiden.<br />
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