Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>tag <strong>2007</strong><br />
dürfen gerade bei Rückenschmerzen den Patienten<br />
nicht an der bildgebenden Diagnostik<br />
aufhängen“, warnte der Siegener Orthopäde.<br />
Die Güte eines Neurochirurgen ist nicht an der<br />
Anzahl der an der Wirbelsäule durchgeführten<br />
Operationen, sondern an der Anzahl der vermiedenen<br />
Operationen zu messen.<br />
Rückenschmerzen, so Gerhard Müller-Schwefe,<br />
entstehen auch häufig aus<br />
unterschwelligen <strong>Schmerz</strong>signalen aus der<br />
Muskulatur, die zur Sensibilisierung der Nervenzellen<br />
im Rückenmark führen. Entzündungen<br />
in der Muskulatur spielen dagegen<br />
eine untergeordnete Rolle. Daher fordert der<br />
Göppinger Algesiologe ein Umdenken in der<br />
<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>, weniger NSAR und mehr<br />
Einsatz von Membranstabilisatoren wie dem<br />
retardierten Flupirtin. Nach einer großen<br />
Studie mit über 2000 Patienten wirkt Flupirtin<br />
sowohl schmerzlindernd als auch myotonolytisch.<br />
Rückenschmerzen manuell<br />
untersuchen<br />
Rückenschmerzen können viele Ursachen<br />
haben und müssen stets nach der Vier-A-Diagnostik<br />
(Anamnese, Ausziehen, Anschauen,<br />
Anfassen) untersucht werden und keineswegs<br />
nur nach der Dawos-Methode („da wo<br />
es weh tut“), mahnte Dr. med. Wolfgang Bartel,<br />
Präsident der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Manuelle Medizin. Für eine erfolgreiche Behandlung<br />
müssen die funktionellen Zusammenhänge<br />
und die Verkettungssyndrome erkannt<br />
werden. Sträflich überbewertet wird<br />
hierzulande die bildgebende Diagnostik und<br />
vernachlässigt wird die körperliche Untersuchung.<br />
Fehlhaltungen werden hierzulande schon in<br />
10<br />
der Schule durch unergonomische Sitzmöbel<br />
gefördert und durch falsche Freizeitgewohnheiten<br />
(Fernsehen, Computer, fehlender<br />
Sport) weiter provoziert. Fehlhaltungen wie<br />
Beckenschiefstand und hohlrunde Rücken<br />
lösen schon bei Kindern und Jugendlichen<br />
Rückenschmerzen aus. Hier sind für die <strong>Therapie</strong><br />
Koordinationsschulungen wie der kurze<br />
Fuß von Janda oder die propriozeptive sensomotorische<br />
Faszilitation geeignet. Um diese<br />
Zivilisationskrankheiten zu vermeiden,<br />
wäre viel Barfußlaufen gesund. Alternativ<br />
dazu könne man bei Stadtkindern empfehlen,<br />
die Kinder beim Zähneputzen barfuß in einer<br />
Mais- oder Weizenkiste treten zu lassen, berichtete<br />
der Manualtherapeut aus Halberstadt.<br />
<strong>Schmerz</strong> und Schlaf<br />
Schlaf ist ein Seismograf für den körperlichen<br />
und seelischen Zustand des Menschen, erklärte<br />
Prof. Göran Hajak, Regensburg. Bei<br />
<strong>Schmerz</strong>en und/oder Angst leiden die Betroffenen<br />
häufig zugleich an Schlafstörungen,<br />
sodass Angst, <strong>Schmerz</strong> und Schlafstörungen<br />
häufige komorbide Störungen sind, die auch<br />
therapeutisch mit berücksichtigt werden müssen.<br />
Bei peripheren neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en<br />
leiden 60–70% zugleich an Schlafstörungen,<br />
ergab eine Befragung von 126 Patienten.<br />
Je älter wir werden, desto empfindlicher<br />
reagieren wir auf Störungen und desto vulnerabler<br />
sind wir für Schlafstörungen, warnte der<br />
Regensburger Psychiater. Die Art der Schlafstörung<br />
ist bei <strong>Schmerz</strong>kranken sehr vielseitig.<br />
Es zeigen sich bei 75% Einschlafstörungen,<br />
bei 65% schmerzbedingtes Aufwachen und<br />
bei 62% verfrühtes Erwachen. Bei <strong>Schmerz</strong>-<br />
Großer Andrang herrschte bei den manualtherapeutischen Kursen von Wolfgang Bartel.<br />
Bildfolio Bostelmann<br />
kranken findet sich somit keine spezifische<br />
Schlafstörung.<br />
Posterpreise<br />
Erstmals in diesem Jahr wurden die drei besten<br />
Poster ausgezeichnet. Den ersten Preis<br />
erhielt Dr. med. Bodo Kress, Frankfurt/M., für<br />
die Arbeit „Quantitative MR-Messverfahren<br />
bei Patienten mit Trigeminusneuralgie”. Bislang<br />
vermuteten die Ärzte, dass der Blitzschmerz<br />
entsteht, weil ein Blutgefäß kurz<br />
hinter der Austrittsstelle des Trigeminus aus<br />
dem Gehirn auf den Nerven drückt. (Nur in<br />
sehr seltenen Fällen wird diese Neuralgie<br />
durch andere Erkrankungen, etwa eine multiple<br />
Sklerose oder einen Tumor verursacht.)<br />
Nun zeigen die MR-Untersuchungen der<br />
Frankfurter Arbeitsgruppe, dass die Nähe<br />
zwischen Blutgefäß und Nerv nicht die alleinige<br />
Ursache der <strong>Schmerz</strong>en ist. Wie der<br />
Neuroradiologe Dr. Bodo Kress vom Krankenhaus<br />
Frankfurt Nordwest und der Neurochirurg<br />
Dr. Dirk Rasche vom Universitätsklinikum<br />
Schleswig-Holstein, Campus Lübeck,<br />
auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tag berichteten,<br />
lässt sich diese Nähe zwischen Blutgefäß<br />
und Nerv auch bei zwei von drei gesunden<br />
Probanden sowie bei der gesunden Gesichtsseite<br />
von Patienten mit Trigeminusneuralgie<br />
nachweisen.<br />
Veränderte Strukturen<br />
Allerdings fanden die Ärzte bei ihren Untersuchungen<br />
an 62 Patienten, deren Trigeminusneuralgie<br />
durch Medikamente nicht (mehr)<br />
gelindert werden konnte, und an 48 schmerzfreien<br />
Probanden heraus, dass die anatomische<br />
Situation in dem Bereich (Zisterne)<br />
verändert ist, wo der Nerv das Gehirn verlässt.<br />
„Beispielsweise ist das Volumen dieser<br />
Zisterne, durch welche der Nerv zieht, auf der<br />
betroffenen Gesichtsseite kleiner“, erklärte<br />
Dirk Rasche. Dadurch nimmt der Nerv in diesem<br />
Abschnitt einen anderen Verlauf. Erst<br />
diese Veränderungen sorgen dafür, dass sich<br />
Blutgefäß und Nerv näher kommen als dem<br />
Nerven gut tut. Dieser ist in der betroffenen<br />
Gesichtshälfte auch dünner als normal. Rasche<br />
interpretiert dies als ein Zeichen dafür,<br />
dass der Nerv infolge der Druckschädigung<br />
durch den Pulsschlag des Blutgefäßes atrophiert,<br />
also schrumpft.<br />
Um zu überprüfen, ob ihre Beobachtungen<br />
tatsächlich klinisch bedeutsam sind,<br />
boten die Ärzte betroffenen Patienten eine<br />
Operation an. Bei diesem Eingriff wird ein<br />
Polster aus Goretex oder Teflon zwischen<br />
Nerv und Blutgefäß geschoben. Diese Operation<br />
ist die Ultima Ratio, wenn die medikamentöse<br />
<strong>Therapie</strong> versagt. 85–95% der<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)