Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Onkologie/Palliativmedizin<br />
Update: <strong>Therapie</strong> von Tumorschmerzen<br />
Effektive <strong>Therapie</strong> von <strong>Schmerz</strong>en und die Lebensqualität beeinträchtigenden<br />
Symptomen sind entscheidende Herausforderungen in der Betreuung<br />
von Patienten mit fortgeschrittenem Krebsleiden, insbesondere<br />
in der Terminalphase. Mit den heute zur Verfügung stehenden Analgetika<br />
und Koanalgetika und deren Einsatz nach den Richtlinien der WHO<br />
könnte eine zufriedenstellende <strong>Schmerz</strong>linderung erreicht werden. Im<br />
folgenden gekürzten Beitrag* schildern Priv.-Doz. Dr. Rainer Freynhagen,<br />
Dr. med. Andrea Schmitz, Dr. med. Peter Busche, Universitätsklinikum<br />
Düsseldorf, und Dr. med. Uwe Junker, Vizepräsident DGS, Sanaklinikum<br />
Remscheid, die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> und die konsequente <strong>Therapie</strong><br />
belastender Symptome.<br />
Jeder Dritte erkrankt derzeit in Deutschland<br />
an einem Tumorleiden und jeder<br />
Vierte verstirbt daran. Basierend auf den Zahlen<br />
des deutschen Krebsregisters ist von<br />
jährlich etwa 400 000 neuen Tumorerkrankungen<br />
auszugehen [1]. Nicht selten finden<br />
sich <strong>Schmerz</strong>en sogar als erstes Symptom,<br />
wobei die Häufigkeit<br />
behandlungsbedürftiger<br />
<strong>Schmerz</strong>probleme<br />
sowohl von der Lokalisation<br />
als auch von der<br />
Pathophysiologie des<br />
Tumors abhängt. Die<br />
Einhaltung des WHO-<br />
Stufenschemas führt<br />
bei weit mehr als 90%<br />
der Patienten zu einer<br />
Rainer Freynhagen, suffizienten <strong>Schmerz</strong>-<br />
Düsseldorf<br />
palliation und die Behandlung<br />
verliert auch<br />
in der Endphase der<br />
Erkrankung nicht ihre<br />
Wirksamkeit [7, 15, 34,<br />
39]. Nur eine Minderheit<br />
der von tumorbedingten<br />
<strong>Schmerz</strong>en<br />
betroffenen Patienten<br />
benötigt invasive<br />
s c h m e r z t h e r a p e u -<br />
tische Verfahren.<br />
Uwe Junker,<br />
Trotzdem leiden<br />
Remscheid<br />
aktuellen Schätzungen<br />
zufolge jeden Tag etwa<br />
220 000 Menschen in Deutschland unnötigerweise<br />
an Tumorschmerzen [18, 22],<br />
gleichbedeutend mit mehr als 80 Millionen<br />
Tumorschmerz-Patiententagen pro Jahr.<br />
Eine erfolgreiche analgetische <strong>Therapie</strong> allein<br />
bringt in Bezug auf die Lebensqualität<br />
*Literatur bei den Autoren bzw. im ungekürzten<br />
Originalbeitrag Gynäkologe <strong>2007</strong>; 40:168–177<br />
12<br />
keinen hinreichenden Gewinn für die Patienten,<br />
wenn dadurch andere Symptome induziert<br />
oder verstärkt werden. Nur durch eine<br />
exzellente <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> kombiniert mit<br />
guter Symptomkontrolle und einer möglichst<br />
ganzheitlichen Betreuung von Patienten und<br />
Angehörigen (eingebettet in ein umfassendes<br />
biopsychosoziales Behandlungskonzept) wird<br />
es gelingen, die Lebensqualität und Würde<br />
der Betroffenen bis zuletzt zu erhalten.<br />
<strong>Schmerz</strong>typen und ihre Ursachen<br />
Die Differenzierung der verschiedenen Facetten<br />
von Tumorschmerzen ist wichtig, da sie<br />
die <strong>Therapie</strong> entscheidend beeinflusst. Der<br />
vom Patienten beschriebene <strong>Schmerz</strong>charakter<br />
ist ein wesentliches Kriterium, um nozizeptive<br />
und/oder neuropathische <strong>Schmerz</strong>anteile<br />
zu erkennen.<br />
Dumpfe, reißende, kolik- oder krampfartige<br />
<strong>Schmerz</strong>en, die in der Tiefe empfunden<br />
werden und schlecht lokalisierbar sind,<br />
werden zumeist durch Erregung viszeraler<br />
Nozizeptoren in Brust-, Bauch- und Peritonealraum<br />
verursacht. Sie können mit vegetativen<br />
und gastrointestinalen Symptomen einhergehen.<br />
Diese sog. Nozizeptorschmerzen<br />
im Bereich von Haut, Bindegewebe, Periost,<br />
Skelettmuskulatur, Sehnen, inneren Organen<br />
oder z. B. der parietalen Pleura sind meist gut<br />
lokalisierbar und häufig belastungsabhängig.<br />
Brennende, elektrisierende, durch Kälte-<br />
und/oder durch Berührungsreize auslösbare<br />
<strong>Schmerz</strong>en, häufig mit einschießenden<br />
<strong>Schmerz</strong>attacken kombiniert, sind Hinweise<br />
auf sog. neuropathische <strong>Schmerz</strong>en, die im<br />
Rahmen einer Schädigung des peripheren<br />
oder zentralen Nervensystems auftreten<br />
können. In diesem Zusammenhang sollte auf<br />
eine neurologische Minus- oder Plussymptomatik<br />
geachtet werden, z. B. Paresen, Hypästhesien,<br />
Dysästhesien oder eine Allodynie<br />
[9, 11]. Bei etwa einem Drittel der Patienten<br />
findet sich das kombinierte Auftreten beider<br />
<strong>Schmerz</strong>typen, welches heute durchweg als<br />
Mixed Pain bezeichnet wird [23]. Bei einer<br />
solchen Symptomatik wird die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />
nur dann erfolgreich sein, wenn sie von<br />
vornherein beide Komponenten gleichberechtigt<br />
berücksichtigt. Meist gelingt eine Differenzierung<br />
bereits aufgrund der <strong>Schmerz</strong>anamnese<br />
und der klinischen Untersuchung.<br />
Zum einfachen Screening auf neuropathische<br />
<strong>Schmerz</strong>komponenten steht neuerdings neben<br />
simplen Bedside-Tests auch ein validierter,<br />
kurzer und aussagekräftiger Fragebogen<br />
in deutscher Sprache zur Verfügung<br />
(painDETECT ® ), der nicht vom Untersucher,<br />
sondern allein durch den Patienten ausgefüllt<br />
werden kann [13].<br />
Medikamentöse <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />
Im Jahr 1986 wurde von der WHO in Genf<br />
das WHO-Stufenschema verabschiedet mit<br />
dem Ziel, der damaligen dramatischen Unterversorgung<br />
von Tumorpatienten mit potenten<br />
Analgetika gezielt entgegenzuwirken (Abb. 1)<br />
[37]. Auf Stufe I finden sich alle Nichtopioid-<br />
Analgetika wie z. B. traditionelle nicht steroidale<br />
Antirheumatika (NSAR), Zyklooxygenase-2-Hemmer<br />
(Coxibe) oder Pyrazolonderivate<br />
(z. B. Metamizol). Für alle Substanzen<br />
der Stufe I gelten Maximaldosierungen, die<br />
zur Vermeidung von organtoxischen Nebenwirkungen<br />
streng eingehalten werden müssen.<br />
In der Regel reicht die analgetische<br />
Wirkung der Nichtopioid-Analgetika bei Tumorpatienten<br />
allein nicht aus, sodass mit<br />
schwachen bzw. mittelstarken Opioiden der<br />
nächsten Stufe oder starken Opioiden der<br />
Stufe III kombiniert werden muss.<br />
Ausgewählte Nichtopioid-<br />
analgetika<br />
Metamizol<br />
Metamizol ist das stärkste Analgetikum aus<br />
der Gruppe der nicht sauren antipyretischen<br />
Analgetika, zu denen auch Azetylsalizylsäure<br />
und Paracetamol gehören. Aufgrund seiner<br />
ausgezeichneten spasmolytischen Komponente<br />
eignet sich Metamizol insbesondere für<br />
die Behandlung krampfartiger Viszeralschmerzen.<br />
Nach oraler Verabreichung wird<br />
die Substanz gut resorbiert und erreicht nach<br />
etwa einer Stunde maximale Plasmaspiegel.<br />
Die Wirkung hält etwa vier Stunden an. Ganz<br />
anders als sein Ruf gehört Metamizol zu den<br />
sichersten und am besten verträglichen<br />
<strong>Schmerz</strong>mitteln. Zwar führt es häufiger als<br />
andere Analgetika zu einer Agranulozytose;<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)