Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Onkologie/Palliativmedizin<br />
Begleiteffekte treten deutlich häufiger Übelkeit<br />
und Erbrechen auf [24]. Bei Patienten mit<br />
Leberzirrhose ist die Metabolisierung von Tramadol<br />
eingeschränkt, sodass sich die Eliminationshalbwertszeiten<br />
von Tramadol und<br />
des aktiven Metaboliten M1 etwa verdoppeln.<br />
Auch bei Niereninsuffizienz kann sich die Eliminationshalbwertszeit<br />
verlängern. Tramadol<br />
ist in Deutschland zusätzlich als fixe Kombination<br />
mit Paracetamol erhältlich.<br />
Opioide der WHO-Stufe III<br />
Statt bei starkem <strong>Schmerz</strong> grundsätzlich eine<br />
Opioidtherapie mit Standardmorphin zu beginnen,<br />
sollten heute individuelle Faktoren<br />
wie <strong>Schmerz</strong>charakter und -rhythmus sowie<br />
die begleitenden Komorbiditäten der einzelnen<br />
Patienten in den Mittelpunkt gerückt werden,<br />
bevor man sich für das eine oder andere<br />
Opioidanalgetikum entscheidet. In Tabelle 1<br />
14<br />
Tabelle 1: Dosierungen von Nichtopioid- und Opioidanalgetika<br />
sind Dosierungen ausgewählter Analgetika ,<br />
in Tabelle 2 Beispiele möglicher Differen-<br />
zialindikationen von Opioiden gegeben.<br />
Morphin galt lange als Goldstandard in<br />
der <strong>Therapie</strong> mit starken Opioiden der WHO-<br />
Stufe III. Inzwischen sind jedoch moderne<br />
Retardopioide mit deutlich besserer Galenik<br />
verfügbar. Sie sind analgetisch potenter, wirken<br />
weniger obstipierend und ihre Metaboliten<br />
kumulieren weniger oder gar nicht. In<br />
letzter Zeit mehren sich zudem die Hinweise<br />
auf eine immunsuppressive Wirkung von Morphin<br />
[17, 30, 36]. Morphin ist in zahlreichen<br />
retardierten Zubereitungen einsetzbar. Für<br />
Durchbruchschmerzen stehen sowohl schnell<br />
freisetzende Morphinsulfattabletten, als auch<br />
Morphinlösungen zur Verfügung. Bei der intravenösen<br />
Verabreichung gilt es, die relativ<br />
lange Transferzeit der Substanz in das ZNS<br />
zu beachten, da es dadurch zu einem ver-<br />
Wirkstoff Einzel-/Tagesdosis (mg) Wirkdauer (h)<br />
WHO-Stufe I Paracetamol 500–1000/6000 4–6<br />
Ibuprofen 200–800/2400 8<br />
Celecoxib 100–200/200–400 12<br />
Etoricoxib 60,90,120/120 24<br />
Parecoxib 40/80 12<br />
Metamizol 500–1000/6000 6<br />
Flupirtin 100/600 8–12<br />
WHO-Stufe II/III Tilidin/Naloxon retard 50–200/600 8–12<br />
Opioide oral Tramadol retard 50–300/600 8–12<br />
Morphin retard 10–500/individuell 8–12 (–24)<br />
Oxycodon retard 5, 10, 20 ,40, 80/individuell 8–12<br />
Oxycodon/Naloxon ret. 10, 20/derzeit 40 mg 8–12<br />
Hydromorphon retard 4, 8, 16, 24/individuell 8–12<br />
Hydromorphon retard 8, 16, 32, 64/individuell 12<br />
(osmotisches System)<br />
Buprenorphin s.l. 0,2–1,2/individuell 24<br />
L-Methadon 5–100/individuell 6–8–12 (variabel!)<br />
WHO-Stufe III Fentanyl-TTS Ab 0,3 (12,5 µg/h) individuell 72<br />
Opioide transdermal Buprenorphin-TTS Ab 0,84 (35 µg/h) individuell 96<br />
(TTS = Transdermales<br />
Pflastersystem)<br />
Tabelle 2: Beispiele einer differenzierten Opioidauswahl<br />
Symptom/Erkrankung Opioid<br />
Obstipation Fentanyl-TTS, Buprenorphin-TTS, Oxycodon/Naloxon<br />
Übelkeit, Erbrechen Fentanyl-TTS, Methadon<br />
Dysphagie<br />
(sondengängig)<br />
TTS, Morphingranulate (sondengängig), Hydromorphon<br />
Juckreiz „Trial and Error“ nach analgetischer Wirksamkeit<br />
Verwirrtheit, Schwindel Dosisreduktion, Oxycodon ± Naloxon, Tilidin/Naloxon<br />
Histaminliberation, Analgetikaasthma Dosisreduktion, Methadon<br />
Polymedikation Hochdosisbereich Hydromorphon, Fentanyl-TTS, Buprenorphin-TTS<br />
Niereninsuffizienz Tilidin/Naloxon, Buprenorphin, Hydromorphon<br />
Leberfunktionsstörung Fentanyl-TTS, Hydromorphon<br />
zögerten Auftreten potenziell gefährlicher<br />
Nebenwirkungen kommen kann [29].<br />
Oxycodon ist doppelt so stark wirksam<br />
wie Morphin. Aufgrund einer biphasischen<br />
Resorptionsgalenik kommt es zu einem raschen<br />
Wirkeintritt bei zugleich langer Wirkdauer<br />
von bis zu zwölf Stunden. Neuere Arbeiten<br />
legen nahe, dass Oxycodon anderen<br />
Opioiden bei viszeralen und neuropathischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en überlegen zu sein scheint. Bei<br />
beiden <strong>Schmerz</strong>arten kommt es zu einer<br />
Hochregulation von κ-Opioidrezeptoren, zu<br />
denen Oxycodon eine hohe Affinität besitzt<br />
[25]. Oxycodon ist in zahlreichen Wirkstärken<br />
verfügbar, neuerdings auch in der Kombination<br />
mit dem Opioidantagonisten Naloxon, der<br />
peripher-prähepatisch an Opioidrezeptoren<br />
im Darm wirkt. Erste Studienergebnisse zeigen<br />
unter dem Kombinationspräparat eine<br />
signifikant geringere Obstipationstendenz bei<br />
gleicher analgetischer Wirkung [20].<br />
Hydromorphon<br />
Ähnlich wie Oxycodon zeichnet sich Hydromorphon<br />
durch eine hohe orale Bioverfügbarkeit<br />
aus (etwa 60%). Es ist etwa achtmal<br />
so stark wirksam wie Morphin. Hydromorphon<br />
hat bei multimorbiden Patienten unter<br />
Polymedikation entscheidende Vorteile, die<br />
auch im Hochdosisbereich erhalten bleiben:<br />
Die Metabolisierung erfolgt weitestgehend<br />
unabhängig vom Cytochrom-P450-Enzymsystem,<br />
dem Hauptkatalysator des Arzneistoffwechsels.<br />
Darüber hinaus trägt auch die sehr<br />
geringe Plasmaeiweißbindung dazu bei,<br />
Kumulation und Interaktion mit anderen Medikamenten<br />
zu vermeiden. Aktuelle Arbeiten<br />
deuten darauf hin, dass diese Vorteile insbesondere<br />
bei alten, multimorbiden Patienten<br />
zum Tragen kommen [16].<br />
Hydromorphon ist in verschiedenen Wirkstärken<br />
verfügbar, sowohl als zweimal täglich<br />
zu applizierende Retardkapsel als neuerdings<br />
auch als Langzeit-Retardtablette, die den Wirkstoff<br />
mittels eines neuen osmotischen Systems<br />
gleichmäßig über 24 Stunden freisetzt. Vorteile<br />
der zweimal zu applizierenden Retardkapsel<br />
sind einerseits, dass man die erforderliche<br />
Dosis dem individuellen Bedarf des Patienten<br />
im Tagesverlauf besser anpassen und andererseits<br />
die Kapsel bei schluckunfähigen Patienten<br />
aufbrechen und die darin erhaltenen<br />
Pellets ohne Verlust von Wirkung und Retardierung<br />
über eine Sonde verabreichen kann.<br />
Die neue 24-Stunden-Galenik hingegen bietet<br />
Patienten größtmögliche Unabhängigkeit. Für<br />
Durchbruchschmerzen steht schnell freisetzendes<br />
Hydromorphon in zwei verschiedenen<br />
Wirkstärken zur Verfügung.<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)