Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Transdermale Systeme<br />
In Pflasterform befinden sich in Deutschland<br />
derzeit zwei verschiedene Opioide auf dem<br />
Markt. Fentanyl ist etwa 80- bis 100-fach stärker<br />
analgetisch wirksam als Morphin,<br />
Buprenorphin (partieller Opioidantagonist)<br />
etwa 30- bis 50-fach. Mittels moderner Matrixsysteme<br />
werden beide Wirkstoffe gleichmäßig<br />
über einen langen Zeitraum freigesetzt,<br />
Fentanyl über 72, Buprenorphin über<br />
96 Stunden. Stabile Plasmaspiegel werden<br />
mit Buprenorphin nach etwa zwölf, mit Fentanyl<br />
nach etwa 24 Stunden erreicht. Beide<br />
Systeme führen in etwas geringerem Ausmaß<br />
zu Obstipation als die starken oralen Opioide.<br />
Im Gegensatz zu Fentanyl kumuliert<br />
Buprenorphin nicht bei Niereninsuffizienz<br />
und bindet nicht an Serumalbumin, sondern<br />
ganz überwiegend an α- oder β-Globuline,<br />
wodurch das Arzneimittelinteraktionsrisiko<br />
reduziert wird [31]. Als wirkstoffgleiche Medikation<br />
für Durchbruchschmerzen stehen<br />
transmukosales Fentanyl als Lutschtablette<br />
bzw. Buprenorphin als Sublingualtablette zur<br />
Verfügung. Beide Pflastersysteme stellen<br />
eine wertvolle Bereicherung des therapeutischen<br />
Arsenals bei Tumorschmerzen dar.<br />
Sie sind vor allem bei Schluck- und/oder Passagestörungen<br />
indiziert. Bedingt durch ihre<br />
träge Kinetik sind sie allerdings weniger geeignet<br />
für die <strong>Therapie</strong> von instabilen <strong>Schmerz</strong>en<br />
mit häufigen Durchbruchschmerzen.<br />
Levomethadon<br />
Levomethadon ist als Reservesubstanz bei<br />
therapieresistenten Opioidnebenwirkungen<br />
Tabelle 3: Koanalgetika (Auswahl)<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />
wie z. B. Juckreiz, Morphinasthma, opioidbedingter<br />
Hyperalgesie oder ansonsten nicht zu<br />
beherrschenden neuropathischen <strong>Schmerz</strong>syndromen<br />
einzustufen. Methadon ist eine<br />
effektive Alternative, allerdings kann die Anwendung<br />
komplizierter sein als die anderer<br />
Opioide. Die Besonderheiten der Substanz<br />
lässt Levomethadon für die Hand des<br />
schmerztherapeutisch Unerfahrenen eher<br />
ungeeignet erscheinen. Die stark variable<br />
Eliminationshalbwertszeit – zwischen 4 und<br />
über 100 Stunden – überdauert die zwischen<br />
sechs und zwölf Stunden variierende analgetische<br />
Wirksamkeit deutlich. Die interindividuell<br />
stark unterschiedlichen Plasmaspiegel<br />
aktiver Metaboliten bergen das Risiko einer<br />
Kumulation, so dass nach drei bis sieben Tagen<br />
eine Dosisreduktion um 20–30% versucht<br />
werden sollte. Eine retardierte Zubereitung<br />
von Levomethadon gibt es nicht [24].<br />
Individuelle Dosierung und<br />
Durchbruchschmerzen<br />
In der Regel haben Tumorschmerzpatienten<br />
zwischen 10.00 und 22.00 Uhr ihren höchsten<br />
Analgetikabedarf. Dennoch hat jeder Patient<br />
seinen eigenen <strong>Schmerz</strong>rhythmus der in<br />
der Einstellungsphase gut dokumentiert werden<br />
sollte, um dann möglichst an diesen angepasst<br />
zu therapieren. Darüber hinaus haben<br />
viele Krebspatienten trotz guter <strong>Therapie</strong>einstellung<br />
vorübergehende <strong>Schmerz</strong>spitzen<br />
(Durchbruchschmerzen), zum Beispiel<br />
ausgelöst durch Bewegung oder Husten. Sie<br />
treten in diesem Patientenkollektiv mit einer<br />
geschätzten Prävalenz von über 60% auf.<br />
Wirkstoffklasse Indikation Wirkung Dosierung/Hinweise<br />
Kortikosteroide Hirndruck, Inappetenz Antiödematös, Dosierung abhängig<br />
antiphlogistisch, von Indikation<br />
roborierend, appetit- Orale oder parenteral<br />
steigernd, stimmungs- z. B.: Dexamethason<br />
aufhellend 2–40 mg/Tag<br />
Antidepressiva Neuropathische <strong>Schmerz</strong>distanzierend, Amitriptylin: 10–150 mg/Tag<br />
<strong>Schmerz</strong>en, <strong>Schmerz</strong>- Verstärkung der körper- Venlafaxin: 37,5–225 mg/Tag<br />
distanzierung eigenen <strong>Schmerz</strong>hem- Duloxetin: 30–60 mg/Tag<br />
mung, stimmungsauf- Mirtazapin: 15–45 mg/Tag<br />
hellend, sedierend/<br />
antriebsteigernd<br />
Antikonvulsiva Neuropathische Verbesserung des Schlafs, Langsame Dosistitration, da<br />
<strong>Schmerz</strong>en anxiolytisch oft sedierende Nebenwirkung<br />
Gabapentin ab 300 mg/Tag<br />
[bis 3600 mg/Tag]<br />
Pregabalin ab 75 mg/Tag<br />
[bis 600 mg/Tag]<br />
Bisphosphonate Knochenmetastasen Orale und parenterale<br />
Tumorosteopathie <strong>Therapie</strong> möglich<br />
Hyperkalzämie z. B. Alendronsäure: 70 mg<br />
einmal wöchentlich<br />
Onkologie/Palliativmedizin<br />
Durchbruchschmerzen können mit etwa<br />
einem Sechstel der Opioidtagesdosis in<br />
schnell freisetzender Form behandelt werden,<br />
wobei aber auch mit einem starken<br />
Nichtopioid (wie z. B. Metamizol) kombiniert<br />
werden kann. Das hierzu verwendete Opioid<br />
muss nicht wirkstoffgleich mit dem Retardpräparat<br />
sein, dies gilt nach klinischen Erfahrungen<br />
auch für den Partialagonisten<br />
Buprenorphin, der im Regelfall problemlos<br />
mit z. B. schnell freisetzendem Morphin kombinierbar<br />
ist. Wenn die <strong>Schmerz</strong>en immer<br />
wieder auftreten, bevor die nächste Dosis<br />
fällig ist, muss die Dauermedikation angepasst<br />
werden.<br />
Dabei sollte eine Dosiserhöhung und<br />
nicht die Verkürzung der pharmakologisch<br />
sinnvollen Applikationsintervalle angestrebt<br />
werden.<br />
Koanalgetika<br />
Koanalgetika sind keine <strong>Schmerz</strong>mittel im<br />
engeren Sinne. Sie wirken jedoch über verschiedene<br />
Mechanismen, die die <strong>Schmerz</strong>leitung<br />
und Verarbeitung beeinflussen und führen<br />
damit zu einer zusätzlichen <strong>Schmerz</strong>linderung.<br />
Durch ihren gezielten Einsatz kann<br />
eine additive analgetische Wirkung erreicht<br />
und ggf. eine verbesserte Analgesie bzw. eine<br />
Dosisreduktion der bislang eingesetzten<br />
Analgetika (und eine Abnahme dosisabhängiger<br />
Nebenwirkungen) ermöglicht werden.<br />
Eine Auswahl der wichtigsten Wirkstoffklassen<br />
zeigt Tabelle 3. Es muss aber darauf<br />
hingewiesen werden, dass zahlreiche<br />
der aufgeführten Substanzen für diesen<br />
Zweck nicht explizit zugelassen sind. Bei<br />
neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en zeichnen sich<br />
die modernen Antikonvulsiva Gabapentin<br />
und Pregabalin gegenüber Carbamazepin<br />
und den trizyklischen Antidepressiva durch<br />
ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aus.<br />
Beide werden nicht hepatisch metabolisiert<br />
und unverändert renal ausgeschieden (cave:<br />
Niereninsuffizienz, dann Dosis reduzieren),<br />
was das Risiko von Arzneimittelinteraktionen<br />
minimiert. Pregabalin hat im Vergleich zu Gabapentin<br />
die Vorteile eines signifikant schnelleren<br />
Wirkungseintritts, einer spürbaren anxiolytischen<br />
Wirkung und einer Vertiefung der<br />
erholsamen Schlafphasen [4, 10, 12, 26, 28].<br />
Aufgrund der deutlich besseren Verträglichkeit<br />
im Vergleich zu den alten trizyklischen<br />
Antidepressiva sind heute die modernen dual<br />
wirksamen Substanzen zu bevorzugen.<br />
Medikamentöse Symptom-<br />
therapie mit Adjuvanzien<br />
Neben <strong>Schmerz</strong>en sind u. a. therapieresistente<br />
Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Atemnot,<br />
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