Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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doch insgesamt tritt diese Komplikation nur<br />
sehr selten auf und endet nur in wenigen Fällen<br />
tödlich.<br />
Berechnet man aus allen schweren Nebenwirkungen<br />
die sogenannte globale Zusatzmortalität,<br />
schneiden Metamizol mit 0,08<br />
und Paracetamol mit 0,05 günstiger ab als<br />
z. B. ASS mit 1,57 und Diclofenac mit 1,43<br />
Todesfällen pro einer Million Behandelter bei<br />
einer Behandlungsdauer von einer Woche.<br />
Traditionelle nicht steroidale Antirheumatika<br />
und Cox-2-Inhibitoren<br />
Zyklooxygenasen sind Isoenzyme, die die<br />
Umwandlung von Arachidonsäure in Prostaglandine<br />
und Thromboxane katalysieren. Im<br />
Rahmen der Cox-1-Aktivität werden Substanzen<br />
mit physiologischen Funktionen für die<br />
Magen-Darm-Schleimhautprotektion, Thrombozytenfunktion,<br />
Nierendurchblutung und<br />
Elektrolytregulation produziert. Die Cox-2-Aktivität<br />
katalysiert Prostaglandine, die <strong>Schmerz</strong>en<br />
und Entzündungen vermitteln. Während<br />
Cox-2 nur bei Stress, <strong>Schmerz</strong> und Entzündung<br />
innerhalb weniger Stunden gebildet<br />
wird, wird Cox-1 fast überall im Organismus<br />
exprimiert.<br />
Kardiovaskuläre Risiken<br />
Nach heutigem Kenntnisstand haben sich die<br />
in Cox-2-Hemmer (Coxibe, z. B. Celecoxib,<br />
Etoricoxib) gesetzten Hoffnungen hinsichtlich<br />
einer dramatischen Reduktion der durch traditionelle<br />
nicht steroidale Antirheumatika<br />
(NSAR, z. B. Diclofenac) bedingten unerwünschten<br />
Wirkungen nur bedingt erfüllt. Seit<br />
der Marktrücknahme von Vioxx ® (Wirkstoff:<br />
der selektive Cox-2-Hemmer Rofecoxib) aufgrund<br />
der erhöhten Rate von kardiovaskulären<br />
thrombotischen Ereignissen vor etwas<br />
mehr als zwei Jahren sind aber die meisten<br />
Experten heute der Überzeugung, dass auch<br />
viele der nicht selektiven NSAR mit einem<br />
erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergehen<br />
[27]. Nach den Ergebnissen einer kürzlich<br />
publizierten Metaanalyse gehört z. B.<br />
Diclofenac zu den eher risikobehafteten<br />
Substanzen: Die Einnahme erhöht das kardiovaskuläre<br />
Risiko um 44% (und die Einnahme<br />
von Ibuprofen verändert es immerhin<br />
noch um plus 7%). Die Einnahme von<br />
Naproxen wurde demgegenüber mit minus<br />
2% und die von Celecoxib mit minus 4% neutral<br />
bewertet [19].<br />
Eine aktuelle Lancet-Publikation (ME-<br />
DAL-Studie) zeigt, das Etoricoxib und Diclofenac<br />
vom kardiovaskulären Sicherheitsprofil<br />
her gleichwertig sind [5]. Weiterhin muss also<br />
gelten, dass sich der unkritische Einsatz sowohl<br />
von NSAR als auch von Coxiben bei<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />
Nichtopioidanalgetikum<br />
± Adjuvanz<br />
Stufe I<br />
Abb. 1: WHO-Stufenschema.<br />
kardiovaskulären Risikopatienten und Patienten<br />
mit eingeschränkter Nierenfunktion<br />
verbietet. Indikationen für diese Substanzen<br />
ergeben sich in der Tumorschmerztherapie<br />
immer dann, wenn eine antiphlogistische<br />
Komponente benötigt wird, also z. B. bei metastatisch<br />
induzierten Knochen- und Weichteilschmerzen.<br />
Daher sind sie wertvolle und<br />
häufig unverzichtbare Substanzen.<br />
Flupirtin<br />
Dieses Analgetikum ist ähnlich potent wie<br />
schwache Opioide. Es verhindert vermutlich<br />
den NMDA-vermittelten überschießenden<br />
Kalziumeinstrom in die Zelle über eine Membranstabilisierung<br />
durch Eröffnung von Kaliumkanälen.<br />
Seine guten muskelrelaxierenden<br />
Eigenschaften sind auf zusätzliche GABAagonistische<br />
Wirkungen zurückzuführen.<br />
Flupirtin wird schnell und fast vollständig<br />
resorbiert (oral 90%, rektal 70%). Die<br />
Einzeldosen liegen zwischen 100–200 mg,<br />
die Gesamttagesdosis wird mit 600–900<br />
mg angegeben. Indiziert ist die Substanz<br />
in der Tumorschmerztherapie z. B. bei allen<br />
<strong>Schmerz</strong>phänomenen, bei denen Muskelverspannungen<br />
eine wesentliche Rolle spielen<br />
[14, 38].<br />
Ausgewählte Opioidanalgetika<br />
Der optimale Applikationsweg, auch in der<br />
palliativen Situation, ist der orale. Idealerweise<br />
werden zwei Applikationsformen von Opioiden<br />
benötigt: eine mit normaler Freisetzung<br />
zur Dosisfindung und eine Form mit modifizierter<br />
Freisetzung zur Erhaltungstherapie.<br />
Die einfachste Methode der Dosistitration ist<br />
die Gabe einer Morphindosis mit normaler<br />
Freisetzung alle vier Stunden und zusätzlich<br />
die gleiche Dosis bei Durchbruchschmerzen.<br />
Diese Zusatzmedikation kann so oft wie benötigt<br />
verabreicht werden (bis zu stündlich).<br />
+ schwaches Opioid<br />
Nichtopioidanalgetikum<br />
± Adjuvanz<br />
Stufe II<br />
+ invasive/nicht invasive <strong>Therapie</strong>optionen<br />
Onkologie/Palliativmedizin<br />
+ starkes Opioid<br />
Nichtopioidanalgetikum<br />
± Adjuvanz<br />
Stufe III<br />
Opioide der WHO-Stufe II<br />
Die Bedeutung der schwachen (Tramadol)<br />
bzw. mittelstarken (Tilidin/Naloxon) Opioide<br />
der WHO-Stufe II nimmt im Indikationsbereich<br />
Tumorschmerz gegenwärtig ab. Neuere<br />
Untersuchungen und daraus resultierende<br />
Empfehlungen stellen das starre Festhalten<br />
am Stufenschema von 1986 im Allgemeinen<br />
und den Nutzen der WHO-II-Opioidanalgetika<br />
im Speziellen infrage [6, 8]. Die aktuellen<br />
Empfehlungen der internationalen <strong>Gesellschaft</strong><br />
zum Studium des <strong>Schmerz</strong>es (IASP)<br />
gehen sogar dahin, auch beim opioidnaiven<br />
Tumorpatienten bereits initial mit der Einstellung<br />
auf starke Opioide in niedriger Dosis zu<br />
beginnen und dann bei Bedarf die Dosis der<br />
ausgewählten Substanz schrittweise zu steigern<br />
[6]. In der fixen Kombination mit Naloxon<br />
untersteht Tilidin ebenso wie die Substanz<br />
Tramadol nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung.<br />
Das macht beide<br />
Substanzen vor allem für die ambulante Versorgung<br />
von Tumorschmerzpatienten in<br />
Deutschland weiterhin interessant.<br />
Tilidin/Naloxon und Tramadol<br />
Tilidin/Naloxon zeichnet sich gegenüber Tramadol<br />
nicht nur durch seine höhere analgetische<br />
Potenz aus, sondern auch dadurch,<br />
dass bei Niereninsuffizienz keine Kumulation<br />
auftritt. Außerdem wirkt die Substanz weniger<br />
obstipierend als Tramadol, was sich wahrscheinlich<br />
auf eine periphere-prähepatische<br />
Wirkung des Opioidantagonisten Naloxon auf<br />
Opioidrezeptoren im Darm aufgrund des<br />
First-Pass-Effekts zurückführen lässt. Bei<br />
manifester Leberinsuffizienz ist Tilidin/Naloxon<br />
kontraindiziert, da die Aktivierung des<br />
Pro-Drugs Tilidin zum analgetisch wirksamen<br />
Nortilidin einer intakten hepatischen Metabolisierung<br />
bedarf. Tramadol ist kein reiner<br />
µ-Rezeptoragonist und infolge serotonerger<br />
13<br />
Bildarchiv Freynhagen