Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Myofasziales <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />
Bildarchiv Olaf Günther<br />
Abb. : Selbstdehnung des M. psoas.<br />
sich keine pathologischen Veränderungen.<br />
Da es in den folgenden Monaten zu einer Zunahme<br />
des <strong>Schmerz</strong>bildes kam und die Patientin<br />
zusätzlich erhebliche <strong>Schmerz</strong>en beim<br />
Geschlechtsverkehr verspürte, wurde sie zur<br />
speziellen <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> überwiesen.<br />
Bei der Vorstellung in unserer <strong>Schmerz</strong>ambulanz<br />
sahen wir eine junge, aufgeschlossene<br />
und sicher auftretende Patientin.<br />
Die Partnerschaft sei harmonisch und die<br />
psychologischen Fragetests ergaben keine<br />
Auffälligkeiten. Anamnestisch gab sie starke<br />
<strong>Schmerz</strong>en beim Koitus und spontane<br />
<strong>Schmerz</strong>en an, insbesondere beim Sitzen<br />
und Aufstehen.<br />
Lokaler Druckschmerz<br />
Die Untersuchung zeigte einen deutlichen<br />
Druckschmerz des M. obturatorius internus,<br />
M. levator ani, einen Druck- und Dehnungsschmerz<br />
des M. psoas rechts und M. quadratus<br />
lumborum rechts. Der M. iliacus dagegen<br />
war nur gering druckschmerzempfindlich. Der<br />
Dehnungstest des M. rectus femoris und der<br />
Adduktoren war ebenfalls positiv. Darüber<br />
hinaus fanden wir eine Seitneigeblockierung<br />
im thorakolumbalen Übergang-Bereich rechts<br />
und eine Seitneigeblockierung L2/3 links. Die<br />
vaginale Untersuchung zeigte einen auffälligen<br />
Druckschmerz im kranialen und mittleren<br />
Drittel der Vagina rechts. Auf weitere Befragung<br />
gab die Patientin an, dass sie früher<br />
intensiv Laufsport betrieben und bis vor eineinhalb<br />
Jahren zweimal wöchentlich getanzt<br />
hätte. Aus beruflichen Gründen musste sie<br />
diese Aktivitäten einstellen. Kurz danach hätten<br />
auch die <strong>Schmerz</strong>en eingesetzt.<br />
Postisometrisches Training und<br />
manuelle Mobilisierung<br />
Es erfolgten eine manuelle Mobilisierung,<br />
eine Unterweisung in postisometrischer Re-<br />
laxation, einer Selbstdehnung der verkürzten<br />
Muskelgruppen (Abb. 2 und 3) und eine medikamentöse<br />
Verordnung von Flupirtin. Darüber<br />
hinaus wurden eine physiotherapeutische<br />
Triggerpunktbehandlung des M. psoas<br />
und eine Triggerpunktinfiltration im M. obturatorius<br />
durchgeführt.<br />
Hierunter kam es in den folgenden<br />
vier Monaten zu einer spürbaren Verbesserung<br />
der <strong>Schmerz</strong>symptomatik. Spontane<br />
<strong>Schmerz</strong>attacken treten nur noch vereinzelt<br />
(ein- bis zweimal im Monat) auf. <strong>Schmerz</strong>en<br />
beim Geschlechtsverkehr sind ebenfalls nur<br />
noch selten.<br />
Diskussion<br />
Myofasziale <strong>Schmerz</strong>syndrome gehören zu<br />
den häufigsten <strong>Schmerz</strong>syndromen überhaupt.<br />
Problematisch hierbei ist, dass die<br />
Muskeln, die zu Spannungsstörungen und<br />
ggf. auch zu Verkürzungen neigen, wozu auch<br />
der M. obturatorius internus, M. iliopsoas und<br />
M. rectus femoris gehören, zu Projektions-<br />
Abb. : M. obturatorius mit Triggerpunkten.<br />
Abb 3: Selbstdehnung des M. rectus femoris.<br />
Bildarchiv Olaf Günther<br />
Bildarchiv Olaf Günther<br />
schmerzen in anderen Körperregionen führen.<br />
Dadurch kommt es oft zu einer Missdeutung<br />
und unzureichender, mit Chronifizierung<br />
einhergehender <strong>Therapie</strong> des Krankheitsbildes.<br />
Alle drei Muskeln sind für den Bewegungsablauf<br />
der Hüftgelenks- und Beinmuskulatur<br />
wichtig. So ist der M. iliopsoas ein<br />
kräftiger Hüftbeuger, der M. rectus femoris<br />
extendiert im Kniegelenk und flexiert im Hüftgelenk,<br />
während der M. obturatorius (Abb. 4)<br />
ein starker Außenrotator am extendierten<br />
Oberschenkel ist, Funktionen, die insbesondere<br />
beim Laufen und Tanzen intensiv beansprucht<br />
werden.<br />
Typisch für ein myofasziales <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />
sind brennende, zum Teil sehr heftige<br />
blitzartige, nicht segmentale, in Ruhe<br />
auftretende – besonders nachts – und auf<br />
WHO-Stufe-II- und -III-Opioide nicht ansprechende<br />
<strong>Schmerz</strong>en. Aber auch ein bewegungsunabhängiger<br />
Dauerschmerz kann für<br />
eine muskuläre Ursache sprechen. Eine optimale<br />
<strong>Therapie</strong> setzt eine optimale Diagnose<br />
voraus:Anamnese – Anfassen – Begreifen.<br />
Myofasziale <strong>Schmerz</strong>syndrome sind Kettensyndrome,<br />
das heißt, bei genauer Untersuchung<br />
werden sich immer funktionelle Störungen<br />
in mehreren Muskelgruppen finden,<br />
die zum Ablauf eines Bewegungsmusters<br />
notwendig sind.<br />
Insbesondere beim myofaszialen <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />
ist eine multimodale <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />
notwendig. Therapeutisch sollten Korrekturen<br />
des muskulären Dysfunktionssyndroms,<br />
aber auch der Einsatz von Muskelrelaxanzien,<br />
Trizyklika und physiotherapeutische<br />
Maßnahmen wie feuchte Wärme, detonisierende<br />
Ströme, neuraltherapeutische und/oder<br />
manualtherapeutische Triggerpunktbehandlungen,<br />
progressive Muskelentspannung und<br />
ggf. psychotherapeutische Interventionen zur<br />
Anwendung kommen.<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. / 007 ( 3. Jg.)